Und ich schreibe es gleich am Anfang:
Die Protestantischen haben sich bewusst von diesem Fundament entfernt und über die Jahrhunderte eine eigene Sicht, Lehre und Lebensweise aufgebaut - welche der katholischen widerspricht und sich gegen die Tradition stell
Das Prinzip des Sola Scriptura (lateinisch für “allein die Schrift”) ist ein zentraler Grundsatz der Reformation und besagt, dass die Bibel die alleinige und höchste Autorität in allen Fragen des Glaubens und der christlichen Lehre ist. Aus katholischer Sicht ist dieses Prinzip jedoch aus mehreren Gründen theologisch, historisch und praktisch unhaltbar. Im Folgenden wird detailliert dargelegt, warum die katholische Kirche das Sola Scriptura-Prinzip ablehnt und welche fundamentalen Unterschiede sich daraus ergeben.
Das Verhältnis zwischen Schrift und Tradition
Biblische Basis der Tradition
Ein wichtiger Einwand gegen Sola Scriptura ist, dass die Bibel selbst nicht behauptet, die alleinige Quelle der Offenbarung zu sein. Stattdessen finden sich in der Schrift Hinweise darauf, dass die mündliche Tradition ebenso wichtig ist:
2. Thessalonicher 2,15:Johannes 21,25:„Haltet fest an den Überlieferungen, die ihr gelernt habt, sei es durch mündliche Rede oder durch unseren Brief.“Diese Stellen zeigen, dass nicht alle Lehren Jesu in der Schrift niedergeschrieben wurden, sondern auch mündlich weitergegeben wurden. Die Heilige Schrift selbst verweist also auf die Bedeutung der Tradition.„Es gibt noch vieles andere, was Jesus getan hat. Wenn es einzeln aufgeschrieben würde, so würde die Welt die Bücher nicht fassen können.“
Warum die frühen Christen nicht an das Sola Scriptura-Prinzip glaubten
Ein zentraler Einwand gegen das Sola Scriptura-Prinzip ist, dass es weder in der Bibel selbst noch in der Praxis der frühen Kirche eine Grundlage findet. Die ersten Christen – einschließlich der Apostel, ihrer direkten Schüler und der frühen Kirchenväter – hielten nicht an der Vorstellung fest, dass nur die Heilige Schrift als Autorität genügt. Vielmehr wurde die mündliche Tradition als wesentlicher Bestandteil der göttlichen Offenbarung angesehen und in der Kirche bewahrt.
Bereits die Apostel selbst stützten sich nicht ausschließlich auf geschriebene Texte. Vielmehr predigten sie das Evangelium mündlich und überlieferten Lehren, die später nicht vollständig in der Schrift festgehalten wurden.
2. Thessalonicher 2,15: „Haltet fest an den Überlieferungen, die ihr gelernt habt, sei es durch mündliche Rede oder durch unseren Brief.“
Der Apostel Paulus stellt hier klar, dass die mündliche Überlieferung ebenso verbindlich ist wie seine Briefe. Dies widerspricht der Vorstellung, dass allein die Schrift autoritativ sei.
1. Timotheus 3,15:Diese Bibelstelle zeigt eindeutig, dass die Kirche – und nicht allein die Schrift – als Säule und Fundament der Wahrheit betrachtet wird. Die Kirche hat daher die Autorität, die Lehre Christi zu bewahren und weiterzugeben.„Falls ich aber länger ausbleibe, sollst du wissen, wie man sich im Hause Gottes verhalten muss – das die Kirche des lebendigen Gottes ist, Säule und Fundament der Wahrheit.“
Johannes 21,25:Johannes bezeugt, dass nicht alles, was Jesus getan oder gelehrt hat, niedergeschrieben wurde. Die mündliche Tradition war daher notwendig, um die Lehre Jesu vollständig zu bewahren.„Es gibt noch vieles andere, was Jesus getan hat. Wenn es einzeln aufgeschrieben würde, so würde die Welt die Bücher nicht fassen können.“
Apostelgeschichte 15: Beim Apostelkonzil in Jerusalem wird keine schriftliche Autorität zitiert, um das Problem der Beschneidung zu lösen. Stattdessen berufen sich die Apostel auf die Führung des Heiligen Geistes und ihre mündliche Lehre.
Die Praxis der ersten christlichen Gemeinden
Die frühesten christlichen Gemeinden hatten keinen vollständigen Kanon der Schrift, da das Neue Testament noch nicht existierte. Sie lebten ihren Glauben nach der mündlichen Lehre der Apostel und ihrer Nachfolger. Diese Praxis zeigt, dass die Tradition von Anfang an eine zentrale Rolle spielte.
Der Kanon der Schrift: Der Kanon des Neuen Testaments wurde erst im 4. Jahrhundert endgültig festgelegt. Vorher zirkulierten verschiedene Schriften, und es gab keine einheitliche Bibel. Die Gemeinden waren daher auf die apostolische Tradition und die Lehre der Bischöfe angewiesen.
Lesungen aus der Schrift: Zwar wurden in den Gottesdiensten der frühen Christen Teile der Schrift vorgelesen, doch war dies stets eingebettet in die mündliche Lehre. Die Schrift wurde im Licht der apostolischen Tradition interpretiert.
Zeugnisse der apostolischen Väter
Die direkten Schüler der Apostel – bekannt als die apostolischen Väter – betonten die Bedeutung der mündlichen Tradition und die Autorität der Kirche. Diese Schriften zeigen, dass sie nicht nach dem Sola Scriptura-Prinzip lebten.
Ignatius von Antiochien († ca. 110 n. Chr.):
Ignatius, ein Schüler des Apostels Johannes, betonte die Rolle des Bischofs und der kirchlichen Hierarchie als Hüter der Wahrheit. In seinem Brief an die Philadelphier schrieb er:
„Wer aber zum Altar und zur Kirche kommt, der ist ein Christ; wer sich jedoch von der Gemeinschaft trennt, der zeigt Hochmut, indem er die Überlieferung verwirft.“
Polykarp von Smyrna († ca. 155 n. Chr.):
Polykarp, ebenfalls ein Schüler des Apostels Johannes, vertraute nicht allein auf die Schrift, sondern auf die apostolische Überlieferung. In seinem Brief an die Philipper fordert er die Gläubigen auf,„festzuhalten an der Überlieferung des Herrn“.
Papias von Hierapolis († ca. 130 n. Chr.):
Papias schrieb:
„Ich zog es vor, das lebendige und bleibende Wort [die mündliche Tradition] zu empfangen von denen, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes gewesen waren, anstatt zu versuchen, Lehren aus Büchern zu entnehmen.“
Papias zeigt hier, dass die mündliche Tradition der Schrift gleichgestellt oder sogar bevorzugt wurde.
Zeugnisse der Kirchenväter
Die Kirchenväter der 2. und 3. Jahrhunderte, die als Hüter und Verteidiger des Glaubens wirkten, wiesen das Sola Scriptura-Prinzip entschieden zurück. Sie betonten die Bedeutung der mündlichen Tradition und die Autorität der Kirche.
Irenäus von Lyon († ca. 202 n. Chr.):
Irenäus, ein Schüler von Polykarp, schrieb in seiner Schrift Gegen die Häresien:
„Selbst wenn die Apostel keine Schriften hinterlassen hätten, müsste man dennoch der Tradition folgen, die sie denen überliefert haben, denen sie die Kirche anvertraut haben.“
Er erklärt, dass die wahre Lehre der Kirche durch die ununterbrochene Nachfolge der Bischöfe gesichert wird.
Tertullian († ca. 220 n. Chr.):
In seiner Schrift De praescriptione haereticorum argumentiert Tertullian, dass die Kirche allein die Autorität hat, die Schrift richtig auszulegen. Er schreibt:
„Ohne die Kirche hat niemand das Recht, die Schrift für sich zu beanspruchen.“
Origenes († ca. 254 n. Chr.):
Origenes betonte die Rolle der Tradition bei der Auslegung der Schrift:
„Die Kirche besitzt eine Überlieferung von den Aposteln, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde.“
Für Origenes war die Tradition entscheidend, um die Schrift korrekt zu interpretieren.
Die katholische Alternative: Schrift, Tradition und Lehramt
Die katholische Kirche bietet mit ihrem Verständnis von Schrift, Tradition und Lehramt eine ganzheitliche Alternative zu Sola Scriptura. Diese drei Säulen bilden zusammen die Grundlage der göttlichen Offenbarung und garantieren, dass der Glaube in seiner Fülle und Reinheit bewahrt wird:
Die Heilige Schrift: Das geschriebene Wort Gottes.
Die Heilige Tradition: Die mündlich überlieferte Lehre, die von den Aposteln stammt.
Das Lehramt: Die von Gott eingesetzte Autorität, die Schrift und Tradition verbindlich auslegt.
Dieses dreifache Fundament sichert die Einheit und Kontinuität der Kirche und bewahrt die Gläubigen vor subjektiven Irrtümern.
Zusammenfassung
Aus katholischer Sicht ist das Sola Scriptura-Prinzip ein unzureichender Ansatz, da es die Heilige Tradition und die Autorität der Kirche ignoriert. Es widerspricht sowohl der biblischen Lehre als auch der historischen Realität der christlichen Gemeinschaft. Die katholische Kirche ruft daher alle Christen dazu auf, die Fülle der Offenbarung in Schrift und Tradition zu erkennen und die von Christus eingesetzte Autorität der Kirche anzuerkennen. Nur so kann der Glaube in seiner Ganzheit bewahrt und authentisch weitergegeben werden.
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