Maryam hat geschrieben: ↑Di 18. Aug 2020, 09:52
Statt "sich Gott ganz auszuliefern" wäre für mich die Aussage "sich der Liebe Gottes, somit Gott ganz hinzugeben" passender.
Wie ein Gottsuchender das formuliert, das hängt davon ab, aus welcher Perspektive er Gott sieht.
Jemand, der in Distanz zu Gott lebt, und dazu zählen auch der Taufscheinchrist und der Namenschrist, der spricht vielleicht von der "Liebe Gottes", weil das üblicherweise so gehandhabt wird und Bestandteil des christlichen Vokabulars ist. Aber er hat nicht wirklich einen persönlichen Bezug zu dieser Liebe. Weder verstandesmäßig noch emotional. Er assoziiert vielleicht irgendwelche Wahrnehmungen von "Liebe" mit Erinnerungen aus seinem persönlichen Erfahrungshorizont.
Zum Beispiel weiß man ja, dass Menschen ihre Vorstellung von Gott oftmals am Erscheinungsbild ihres irdischen Vaters festmachen; jedenfalls wird das Gottesbild vom Bild des physischen Vaters stark beeinflusst, und bei manchen muss man zuerst viel Schrott wegräumen, bevor sie dazu fähig werden, diese Bindung an die Sünde ihres leiblichen Vaters hinter sich zu lassen.
Christen, die Solidarität, Wertschätzung, Liebe und echte Gemeinschaft in ihrer Gemeinde erleben, tun sich leichter damit, diese positiven Erfahrungen auf Gott zu projizieren. Aber wie viele sind das?
Dazu kommt, dass der Gott der Bibel oftmals recht rustikal umgeht mit seinen Leuten. Die Prophetien im AT mit Kritik an der Glaubenshaltung Israels sind, nüchtern betrachtet, Schimpftiraden mit wenig angenehmem Inhalt, die Konsequenzen betreffend. Wer von uns hat so viel Glauben und lebt so vorbildlich, dass er sich nicht doch irgendwie angesprochen fühlen würde oder müsste?
Jes. 53,5 (LUT): Aber
er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.
Man kann nicht sagen: "Das AT geht uns nichts an, das ist nur für die Juden."
Die Verse da oben gehen uns leider durchaus etwas an, denn sie sprechen von Jesus.
Und dieser Jesus hat Erwartungen an Menschen, die sich zu Ihm bekennen:
"Verkaufe, was du hast und gib es den Armen". - Mt. 19,21
"Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht." Lk. 13,24
"Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert." Mt. 10,37
"Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist meiner nicht wert." Mt. 10,38
Paulus wurde die Heilung von etwas, das ihm sehr zu schaffen machte, verweigert
"Lass dir an meiner Gnade genügen". 2. Kor. 12,9
Genau genommen sind die Ansprüche Jesu an seine Nachfolger, im Detail betrachtet, eine einzige Überforderung.
Und wenn man näher zu Gott will; wenn man sagt: "Herr! Nimm mich, wie ich bin und mache mich zu dem Menschen, den du haben willst!" besteht einfach das Risiko, den gewohnten, bekannten und bis dahin einigermaßen sicheren Boden unter den Füßen zu verlieren und sich völlig neu orientieren zu müssen.
(

Ich sage mal dazu: Wer nicht wagt, der gewinnt auch nicht... und aus der Erfahrung heraus: Es rentiert sich, nach dem höheren Leben zu streben, das Gott für uns bereit hält)
Für einen Christen, der außer Wunschdenken so gar keine Vorstellung hat von der Liebe Gottes ist die Aufgabe der Kontrolle über sein Leben- die zunehmende Hingabe an Gott- schon so etwas wie: "Ich riskiere es einmal- ich riskiere
alles."
Das Opfer Kains gefährdete nicht dessen Herrschaft über sein eigenes Leben. Das Opfer Abels, das Erstlingsopfer, war eine Anzahlung auf das
Ganze. Gott hat dieses Opfer ernst genommen. Abel
verlor sein Leben. Und Gott ließ es zu.
Schwärmerische Beteuerungen, sich der Liebe zu verschreiben; aus der Liebe Gottes zu leben und so weiter, meinen in der Regel nicht das volle Risiko, sondern ein Glaubensleben der etwas anderen Art als die Masse der Christenheit es führt- nach eigenem Gutdünken. Das ist aber von einer 100%igen Hingabe genau so weit entfernt wie das Leben der Distanzierten.
Wenn ich registriere, was z.B. die
Salesianer machen- Selbstverleugnung und ein Leben in Armut für die verlorenen Kinder, auch die Straßenkinder dieser Welt, die ja zahlenmäßig nicht weniger werden... ein Tropfen auf den heißen Stein, der nie versiegt...
... mir scheint, die sind viel näher dran, echte Nachfolger Jesu zu sein als Wohlstandschristen, die eine Menge Zeit damit verbringen, die Glaubensgrundlagen der genannten Missionare auseinander zu nehmen, als "falsche Lehren" zu verurteilen und diese Christen, die dort, wo es schmutzig ist und stinkt und teilweise lebensgefährlich ist, das Evangelium verkünden, verbal aus dem Reich Gottes auszuschließen.
LG