Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Säkularismus
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R.F.
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Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von R.F. »

piscator hat geschrieben:
fin hat geschrieben:Ich weiß nicht, wie es dir (oder auch anderen Mitlesern) ergeht, aber ich sehe/empfinde in so machen Momenten eine wahrlich dunkle Zukunft auf uns zurollen - mich hat auch der letzte Beitrag von Andreas '...', die ersten Worte heute, die mich wahrlich angesprochen haben, nicht weil sie '...' klingen, sondern weil etwas Wahres durch sie spricht, etwas, das mir auf eine Art ganz hilflos erscheint und doch ganz deutlich zum Ausdruck bringt, daß es zu er/sterben droht.
Das Gefühl kenne ich, es geht mir manchmal genau so, ohne das ich das rational erklären kann.
Ich vermute mal, dass das daran liegt, das es mir recht gut geht und ich mir eine weitere Verbesserung meiner Situation nicht so richtig vorstellen kann. Und da überwiegt dann die latent vorhandene Angst vor Verschlechterungen bzw. einen Abrutschen.
Nimm Dir ein Beispiel an Frau Dr. Merkel. Meist gut gelaunt, nimmt sie offenbar den richtigen Muntermacher... ;)
agitater

Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von agitater »

Dieses Post hatte eine bestimmte Würze, von daher kann ich nicht sagen wie explosiv der Geschmack ist.
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fin
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Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von fin »

-- Dunkle Zukunft --
R.F. hat geschrieben:
fin hat geschrieben: Ich weiß nicht, wie es dir (oder auch anderen Mitlesern) ergeht, aber ich sehe/empfinde in so machen Momenten eine wahrlich dunkle Zukunft auf uns zurollen
Der Schrift zufolge ist das Leben auf dieser nur noch für kurze Zeit bestehenden Erde ein dramatisches Geschehen. Selbst die dem Gott der Bibel nahe stehenden Menschen wie Noah, Jakob oder David mussten diese Erfahrung machen.
-
Der eigentliche Auslöser für den Zusammenbruch der Beziehungen zwischen Kontinental-Europa und anglo-keltischen Völkern wird der Auftritt des “Großen Bruders” sein. Nachzulesen in erster Linie im 13. Kapitel der Apokalypse.
Wer wird deiner Ansicht nach die Rolle des "Großen Bruders" ausfüllen - liegt der Spross noch in der Zukunft oder weilen die Strukturen (Personen) schon unter uns? Und da du bereits dem biblischen Gott nahestehende Persönlichkeiten aufgeführt hast, wen/was verbindest du mit den beiden vorausgesagten Zeugen?
piscator hat geschrieben:Das Gefühl kenne ich, es geht mir manchmal genau so, ohne das ich das rational erklären kann.
Ich vermute mal, dass das daran liegt, das es mir recht gut geht und ich mir eine weitere Verbesserung meiner Situation nicht so richtig vorstellen kann. Und da überwiegt dann die latent vorhandene Angst vor Verschlechterungen bzw. einen Abrutschen.
Piscator, diese Momente waren/sind nicht an meine Person, Lebenssituation uns insbesondere Wohlergehen geknüpft, sondern beziehen sich vor allem auf den Nächsten: Leidtragende, Mittellose, Verängstigte, Mißbrauchte, Geschändete, ... - die unteren Kasten oder schwächsten Glieder der Welt. Alle selbstgefälligen 'Leuchten' haben natürlich gut reden, wenn sie sich nicht auf dem unteren Band der Nahrungskette befinden.

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Zuletzt geändert von fin am Do 27. Jul 2017, 15:16, insgesamt 1-mal geändert.
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fin
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Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von fin »

closs hat geschrieben:
fin hat geschrieben:Ich weiß nicht, wie es dir (oder auch anderen Mitlesern) ergeht, aber ich sehe/empfinde in so machen Momenten eine wahrlich dunkle Zukunft auf uns zurollen
Dafür gibt es in der Tat Anzeichen - aus meiner Sicht gab es nie eine Zeit, in der der Mensch so sehr Gott ersetzen wollte wie heute - sozusagen "Babel im Quadrat".
Closs, diese Einschätzung werden sicherlich viele teilen - ich auch - dennoch surft selbige auch nur an der Oberfläche. Ich schätze einerseits deine Position hier im Forum, andrerseits habe ich den Eindruck (wie andere auch), daß du die eigene Sichtweise selten hinterfragst und dich auch mal gewissenhaft in andere Positionen hineindenkst! Du siehst Gott als jene Größe, die eine dialektische Welt kreierte, um den Menschen dadurch eine Entwicklung zu ermöglichen, die ihn sozusagen 'frei/er' und 'mündig/er' machen soll.

Entsprechend versteht du die Paradiesgeschichte (Sündenfall) oder die 'Parabel' Hiob - etc.

Dir - aber auch anderen - kommt gar nicht in den Sinn, daß besagte Größe, jener göttlicher Referenzpunkt möglicherweise gar nicht der guten Seite angehört! Die Ursache dafür ist gerade jene unbestimmte Größe 'Gott', die möglicherweise keine Singularität darstellt, sondern ein Klasse. Eine Klasse, die darüber Auskunft gibt, daß hier Kräfte walten, die den Menschen per se göttlich erscheinen müssen. Diese Klasse bildet möglicherweise keine Einheit, sondern liegt im Widerstreit, wobei der Mensch diesem Spannungsfeld ausgesetzt ist.

Closs, möglicherweise ist der jene Größe, die sich hier und da als 'Gott' repräsentierte nicht jene Kraft, die du dir vorstellst. Besagte Differenzen liegen doch eigentlich auf der Hand. Man sieht es nicht nur an den verschiedenen Religionen, sondern im abrahamitischen Erbe auf dramatische Weise verdichtet (kulminiert)!

Natürlich stellt diese Sichtweise zunächst eine große Herausforderung dar, weil man seit Jahrhunderten & Generationen und von Kindesbeinen an darauf getrimmt wurde, Gott als singuläre Größe anzusehen, die die höchste und heilgste Wirklichkeit darstellt. Das wahre Heiligtum spricht jede einzelne Menschenseele an, darum wohnt dem Menschen auch eine natürliche Ehrfurcht inne, nur - und das gilt es endlich einmal in Betracht zu ziehen - steht diese hochheilige Kraft möglicherweise gar nicht am Rednerpult, sondern wurde verdrängt, in den Hintergrund ...

Der Mensch lässt sich leicht blenden, er meint, der wahre Gott demonstriere seine Größe vor allem durch Macht/habe. Das scheint mir ein folgenschwerer Schluß, den wenige bedenken, da sie Gott stets mit Allmacht verbinden. Möglicherweise unterliegt der Mensch einer Täuschung, die viel größer ist, als er sich vorstellen kann.

Dieses Jahr erinnert an 500 Jahre Reformation, an Martin Luther, dessen Biographie es erlaubte, einer Elite die Machthabe zu entreißen, indem er das Machtmittel - Die Bibel - dem Fußvolk zugänglich machte. Die große Emanzipation von Kirche/Klerus nahm ihren Anfang und wurde in der Folge blutig erstritten ...

Der neue Leitgedanke war 'sola scriptura', allein die Schrift und beendete zunächst das Diktat einer Priesterklasse und weltlichen Institution. Dieser neue Zugang: 'sola scriptura' brachte neuen Wind - der einfache Mensch konnte nun selbst lesen und deuten, und zb. den Ablaßhandel der Kirche als gemeinen Betrug entlarven.

Diese Entwicklung brachte die unterschiedlichsten Strömungen auf den Weg, wobei viele ihren neuen Glauben nicht öffentlich praktizieren durften, diejenigen, die nicht flohen (siehe zb. die Armish People), wurden verfolgt und ausgerottet, wie die Kartharer.

Worauf aber will ich hinaus?!

Mittlerweile bin ich mir ganz sicher, es braucht eine weitere Reformation, die allerdings selbst den alten Leitgedanken auflösen und revolutionieren wird. Dieser Schluß ist kein Abgesang auf den Nazarener, ganz im Gegenteil - aber dafür braucht es entsprechende Zeit, Räume, Präsenz und notwendige Erklärungen.
closs hat geschrieben:Zudem: Wir dürfen heute, wenn wir uns wieder mal über eine Grausamkeit (durchaus zu Recht) empören, nie vergessen, dass es in früheren Zeiten üblich war, heute mit seinen Kumpels in die Schlacht zu gehen und zu wissen, dass morgen nur noch die Hälfte leben wird - die Joystick- und Drohnen-Kriege sind eine distanzierende Einrichtung, die neu ist.

Uns ist die Alltäglichkeit der Gewalt abhanden gekommen - das ist gut, aber auch Luxus - und Nährboden für Empörungskultur vom Sessel aus.
Das ist genau der Punkt, closs, was für uns Alltag geworden ist - und auch schon immer war - ist eine unheilvolle Welt, die den Menschen gezielt in eine Verschiebung bringt! Was für uns normal geworden ist (ich meine nicht nur Gewalt, Ernährung, Sexualität) ist völlig krank, nur empfinden die meisten Menschen ihre eigene Entartung nicht mehr!
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Novas
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Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von Novas »

fin hat geschrieben:Dieses Jahr erinnert an 500 Jahre Reformation, an Martin Luther, dessen Biographie es erlaubte, einer Elite die Machthabe zu entreißen, indem er das Machtmittel - Die Bibel - dem Fußvolk zugänglich machte. Die große Emanzipation von Kirche/Klerus nahm ihren Anfang und wurde in der Folge blutig erstritten. Der neue Leitgedanke war 'sola scriptura', allein die Schrift und beendete zunächst das Diktat einer Priesterklasse und weltlichen Institution. Dieser neue Zugang: 'sola scriptura' brachte neuen Wind - der einfache Mensch konnte nun selbst lesen und deuten, und zb. den Ablaßhandel der Kirche als gemeinen Betrug entlarven
Es gibt viele Arten, wie man eine Person wie Jesus, den „Christus“ (griechische Übersetzung des hebräischen Wortes Masiha, „Messias“) und seine radikale spirituelle Lehre und Denkweise entkräften kann. Sei es durch Profanisierung (in dem man das Christentum entspiritualisiert und materialistisch umdeutet) oder andererseits durch institutionelle Vereinnahmung. Das sind die beiden typischen Wege, wie er entschärft wird. Martin Luther hat das erkannt.
R.F.
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Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von R.F. »

fin hat geschrieben: - - -
Wer wird deiner Ansicht nach die Rolle des "Großen Bruders" ausfüllen - liegt der Spross noch in der Zukunft oder weilen die Strukturen (Personen) schon unter uns?
Dass der Zeitpunkt des Auftritts dieser Person nahe sein muss, lassen gewisse politische Absichten erwarten. Fast täglich wird in den Medien auf die Notwendigkeit einer Einigung bzw. Zentralisierung der Außen- und Sicherheitspolitik Europas hingewiesen. Kenner der Geschichte wissen um historische Einmaligkeit des Gelingens dieses Vorhabens.

Doch wie es aussieht, sind die derzeitigen Spitzen der europäischen Politik nicht in der Lage, dieses Vorhaben zu verwirklichen. Das heißt, es muss eine deutliche Verschärfung der Sicherheitslage eintreten, um den Boden für den Auftritt des “Erlösers” zu bereiten. Ich glaube übrigens, diesen Politiker zu kennen...
fin hat geschrieben: Und da du bereits dem biblischen Gott nahestehende Persönlichkeiten aufgeführt hast, wen/was verbindest du mit den beiden vorausgesagten Zeugen?
Die beiden in Offenbarung 11 beschriebenen Seher treten etwa gleichzeitig mit dem im 13. Kapitel der Offenbarung vorhergesagten Spitzenpolitiker in Aktion. Immerhin werden die Letztgenannten nach Beendigung ihrer Aufgabe von dem “göttlichen” Europäer umgebracht. Gläubige tun sicht schwer, sich den Inhalt der Botschaft der beiden Seher vorzustellen. Würden sie der Schrift glauben, wüssten sie zumindest einen Teil der Antwort.
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closs
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Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von closs »

fin hat geschrieben: Du siehst Gott als jene Größe, die eine dialektische Welt kreierte, um den Menschen dadurch eine Entwicklung zu ermöglichen, die ihn sozusagen 'frei/er' und 'mündig/er' machen soll.
Gut zusammengefasst.
fin hat geschrieben:Dir - aber auch anderen - kommt gar nicht in den Sinn, daß besagte Größe, jener göttlicher Referenzpunkt möglicherweise gar nicht der guten Seite angehört!
Da halte ich es mit Descartes: Wir können es nicht wissen, also müssen wir es glauben.

Allerdings gibt es hier noch einen ontologischen Aspekt: Man setze "gut" als Synonym für "das, was ist" und "böse" als Mangel an dem, was ist - so hat es schon Augustinus gemacht - und ich meine, dass er recht hat.

Und jetzt kommt der entscheidende Punkt: Dann ist "gut" und "böse" etwas anderes, als wie wir es volkssprachlich definieren - und glaube in der Tat, dass die volkssprachliche Bedeutung ontologisch und übrigens auch biblisch ungeeignet ist. - In diesem Sinne ist "gut" und "böse" keine "ethische" Größe, sondern ein Vektor zum Sein hin bzw weg von ihm. - Und dann wird plötzlich erkennbar, warum der Mensch "schuldig" ist (auch hier nicht volkssprachlich, sondern ontologisch/biblisch gemeint.

Insofern wäre die Frage: Kann das Höchste/die höchste Synthese/das Integral von allem/"Gott" "nichts" bzw. ein Mangel an Sein sein? Und da wäre die Antwort NEIN. - Insofern bin ich aus dialektischen Gründen sicher, dass Gott ontologisch "gut" ist - aber eben kein Streichelzoo. - Ich weiß nicht, warum es mir gerade einfällt: "Liebe ist stark wie der Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich" (Hohes Lied der Liebe).
fin hat geschrieben:Natürlich stellt diese Sichtweise zunächst eine große Herausforderung dar, weil man seit Jahrhunderten & Generationen und von Kindesbeinen an darauf getrimmt wurde, Gott als singuläre Größe anzusehen, die die höchste und heilgste Wirklichkeit darstellt.
Oder umgekehrt: Welchen System würde es machen, NICHT die höchste Wirklichkeit als "Gott" zu bezeichnen? Dann wäre es doch besser, den Begriff "Gott" erst gar nicht zu besetzen.

Dann aber wäre die Frage: Kann es sein, dass das Nicht-Höchste nicht aus einem Höchsten kommt? - Wenn man zum Ergebnis kommt, dass dies NICHT möglich ist, gäbe es Gott - also wäre dieser Begriff wieder besetzt.
fin hat geschrieben:Der Mensch lässt sich leicht blenden, er meint, der wahre Gott demonstriere seine Größe vor allem durch Macht/habe.
Davon halte ich nichts: Gott HAT nicht Macht, sondern IST Macht - man kann Gott aus meiner Sicht nur definieren als Kulminierung allen Seins ("Alles in Einem"). - Es gibt also keine Machtkämpfe oder Ähnliches, sondern nur notwendiges Sein in dem, was man dann "Gott" nennt.
fin hat geschrieben:Mittlerweile bin ich mir ganz sicher, es braucht eine weitere Reformation, die allerdings selbst den alten Leitgedanken auflösen und revolutionieren wird. Dieser Schluß ist kein Abgesang auf den Nazarener, ganz im Gegenteil - aber dafür braucht es entsprechende Zeit, Räume, Präsenz und notwendige Erklärungen.
So pauschal formuliert würde ich Dir zustimmen. - Aber das geht nur in einem Raum, der spirituell aufgeklärt ist - wo der herkommen soll, wäre mir schleierhaft.
fin hat geschrieben:Was für uns normal geworden ist (ich meine nicht nur Gewalt, Ernährung, Sexualität) ist völlig krank, nur empfinden die meisten Menschen ihre eigene Entartung nicht mehr!
Auch hier: Von der Richtung her würde ich Dir zustimmen. - Aber das ist nichts Neues.

Wenn ich nur vergegenwärtige, was es allein an Veränderungen in den letzten 3 Generationen gegeben hat, wird klar, wie schnell sich eine Kultur verändern kann:
* Mein Vater: 8 Jahre in Russland in Krieg und Gefangenschaft - aufgeschlitzte Bäuche und weggeschossene Gesichter waren für ihn Alltag.
* Ich: Aufwachsen in Frieden, aber immer noch in Anbindung des "Da war was" und "Wir müssen froh sein, wenn wir satt werden" ("Wohlstandsbauch")
* Meine Kinder: Ipot, Auto, PC, Urlaub = selbstverständlich. - "Was, Du hast bei Deinem Studium in einem 8qm-Zimmer gewohnt mit Dusche im Gang?"

Nun möchte ich meine Kinder nicht angreifen - denn sie haben es schwerer als ich. - Und zwar deshalb, weil sie viel früher als wir anschaffen müssen, um ihre Selbswtverständlichkeiten zu erfüllen - wir waren freier. - Aber es zeigt doch, wie sich innerhalb von 3 Generationen die Gesellschaft von "Wir haben unseren Garten und können uns davon ernähren" zu "Kühe sind lila und wenn es keine Kartoffenln mehr gibt, essen wir Pommes Frittes" entwickelt hat. - Zwischen Kaiser Augustus und Nero waren gerade mal 50 Jahre.
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fin
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Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von fin »

closs hat geschrieben:
fin hat geschrieben: Du siehst Gott als jene Größe, die eine dialektische Welt kreierte, um den Menschen dadurch eine Entwicklung zu ermöglichen, die ihn sozusagen 'frei/er' und 'mündig/er' machen soll.
Gut zusammengefasst.
Danke, closs, deine Sichtweise ist mir nicht fremd und ich meine, sie ganz und gar verstanden zu haben. Ich würde mir allerdings wünschen, daß du mal auf meine Gedankengänge eingehst - sie mitdenkst ...
closs hat geschrieben:
fin hat geschrieben:Dir - aber auch anderen - kommt gar nicht in den Sinn, daß besagte Größe, jener göttlicher Referenzpunkt möglicherweise gar nicht der guten Seite angehört!
Da halte ich es mit Descartes: Wir können es nicht wissen, also müssen wir es glauben.
Nein, auch wenn wir die Urgründe der Schöpfung nicht einsehen können, so können wir doch das tatsächliche irdische Geschehen betrachten (inkl. aller verfügbaren Aufzeichnungen) und daraus Schlüsse ziehen, siehe Mikro- und Makrokosmos, unten wie oben, ...
closs hat geschrieben: Allerdings gibt es hier noch einen ontologischen Aspekt: Man setze "gut" als Synonym für "das, was ist" und "böse" als Mangel an dem, was ist - so hat es schon Augustinus gemacht - und ich meine, dass er recht hat.

Und jetzt kommt der entscheidende Punkt: Dann ist "gut" und "böse" etwas anderes, als wie wir es volkssprachlich definieren
Deine Äußerungen erstaunen mich, da sie geradezu ein Paradebeispiel für Neusprech sind, Relativierung, bzw. Umdeutung gewachsener Sprachbezüge. Das, was ist, muß lange nicht gut sein, ...

Bevor wir uns hier aber verrennen, möchte ich dir den 'ontologischen' Rahmen vorgeben, in den du dich bitte hineindenken mögest, so du endlich einmal eine Bereitschaft dafür aufbringen willst. Ich bringe auch gerne Heidegger ins Spiel, er sprach ja von Seinsvergessenheit und unterschied zwischen Sein und Seienden.

Wenn du mit "das, was ist" jenes Sein meinst, dann sind wir uns zunächst einig, daß also dieses "Sein" das Gute schlechthin ist, bzw. das Urgut, das uns alle bettet und anwesend sein läßt ...

Mein Dreh- und Angelpunkt bezieht sich nun auf jene Größe, die wir 'Gott' nennen, die ich aber NICHT mit jenem Sein gleichsetze. Besagtes Sein ist uns in seiner wahren Gestalt noch gar nicht sichtbar geworden, sondern wurde/wird überschattet durch das Seiende in all seinen Abstufungen, Ebenen, Gewalten und höchsten Hierarchien, die den Menschenkindern natürlich göttlich erscheinen.
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Novas
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Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von Novas »

fin hat geschrieben:Ich weiß nicht, wie es dir (oder auch anderen Mitlesern) ergeht, aber ich sehe/empfinde in so machen Momenten eine wahrlich dunkle Zukunft auf uns zurollen
Jesus hat zweifellos gewarnt vor einem endzeitlicher Kampf zwischen den Dienern und den Widersachern Gottes, den “Söhnen des Lichts” und den “Söhnen der Finsternis”. Wer sich mit Religionen auskennt, der weiß auch von den alten indischen Schriften, in denen von einem dunklen Zeitalter (Kali-Yuga) gesprochen wird, welches einem neuen goldenen Zeitalter voraus geht. Die Warnung sollten wir im Hinterkopf behalten, aber entscheidend ist die frohe Botschaft, die sich wie ein roter Faden durch die Prophezeiungen aller Religionen und Kulturen zieht: die Menschheit wird den Durchbruch in ein neues oder höheres Bewusstsein erleben.
Die Söhne des Lichts triumphieren, weil sie Gott auf ihrer Seite haben :engel: Dieses Thema der Endzeit findet sich abgewandelt in allen religiösen Systemen der Welt. Der Buddha prophezeite eine Zeit, in welcher seine wahren Lehren (Dharma) verfälscht und vergessen werden. Nun, was sehen wir heute? In Myanmar haben fanatische Buddhisten Muslime ermordet (Der Zorn der Mönche) der Buddha hat auch klare Angaben gemacht, woran wir diese Zeit erkennen werden.
[Sariputta fragt:] Wie wird es geschehen?
[Buddha antwortet:] Nach meinem Verscheiden werden zuerst fünf Dinge verschwinden.
[Sariputta:] Welche fünf?
[Buddha:] Das Verschwinden der Fertigkeit [Nibbana zu erreichen],
das Verschwinden des richtigen Verhaltens [Unfähigkeit, Weisheit und Einsicht zu üben und die vier sittlichen Reinheiten einzuhalten],
das Verschwinden der Gelehrsamkeit [das Fehlen von Menschen, die dem Dhamma , d.h. den Buddhistischen Lehren, folgen und das Vergessen der Heiligen Schriften],
das Verschwinden der Symbole [Verlust der äußeren Formen, Roben und Übungen des Buddhistischen Mönchtums],
das Verschwinden der Reliquien […].
(aus dem Anagatavamsa Desana, übersetzt in: Im Zeichen Buddhas, Buddhistische Texte, Nr. 22, S.46ff., Hrsg. E. Conze, Üb. Marianna Winder)
Die hier genannten fünf Dinge und deren Verschwinden bezieht sich auf das langsame Verschwinden des Dharma aus der Welt (das kristallisiert sich sehr deutlich in dem oft gehörten Satz “alles ist relativ”, denn natürlich ist NICHT alles relativ, das ist reiner Blödsinn :P denn die Aussage „Alles ist relativ“ (= „Es gibt nichts Absolutes“) ist ebenfalls eine absolute Aussage und widerlegt sich somit selbst - das Relative ist immer mit dem Absoluten verbunden und von ihm abhängig, wodurch jedes relative Ereignis in der Welt einen übergeordneten göttlichen Sinn erhält). Der Buddha beschrieb den entarteten Zustand der Welt, wenn sie das spirituelle Bewusstsein verloren hat, folgendermaßen:
So ist denn, ihr Mönche, weil man den Unbemittelten keine Mittel dargereicht hatte, die Not immer größer geworden,
weil die Not immer größer geworden war, hat das Nehmen des nicht Gegebenen mehr und mehr sich verbreitet,
weil das Nehmen des nicht Gegebenen mehr und mehr sich verbreitet hatte, hat die Waffengewalt überhand genommen,
weil die Waffengewalt überhand genommen hatte, ist der Totschlag weiter fortgeschritten,
weil der Totschlag weiter fortgeschritten war, hat die Lüge um sich gegriffen,
weil die Lüge um sich gegriffen hatte, hat das hinterrücks Ausrichten um sich gegriffen,
weil das hinterrücks Ausrichten um sich gegriffen hatte, hat die Ausschweifung um sich gegriffen,
weil die Ausschweifung um sich gegriffen hatte, haben zwei Dinge sich weiterentwickelt: Schimpfrede und plapperndes Plaudern,
weil die zwei Dinge sich weiterentwickelt hatten, haben sich Begehrlichkeit und Gehässigkeit weiterentwickelt,
weil Begehrlichkeit und Gehässigkeit sich weiterentwickelt hatten, ist verkehrte Ansicht weiter gediehen,
weil verkehrte Ansicht weiter gediehen war, haben sich drei Dinge weiter entfaltet: Lust an Unrecht, Sucht nach Ungebühr, verkehrte Satzung,
weil die drei Dinge sich weiter entfaltet hatten, haben sich diese Dinge weiter ausgebildet: nicht Vater und Mutter ehren, nicht Asketen und Priester ehren, vor keinem ehrwürdigen Haupte Achtung haben[…]
[So] wird unter den Leuten dort einer dem anderen mit heftigem Anstoß begegnen, mit heftigem Hasse, mit heftiger Bosheit, mit heftiger Mordlust. So die Mutter dem Kinde wie das Kind der Mutter, so der Vater dem Sohne wie der Sohn dem Vater, so der Bruder der Schwester wie die Schwester dem Bruder wird einer dem anderen mit heftigem Anstoß begegnen, mit heftigem Hasse, mit heftiger Bosheit, mit heftiger Mordlust.

Der Buddha, Digha Nikāya 3:78ff, Sutta 26

Meiner Ansicht nach passt diese Beschreibung genau zu den Ereignissen des 20. Jahrhunderts. Ich kann mir eigentlich kaum vorstellen, dass es noch schlimmer werden kann. Du etwa? Vielleicht befinden wir uns schon auf dem Weg in die goldene Zeit. Darauf richte ich meinen Fokus.
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closs
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Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von closs »

fin hat geschrieben:Deine Äußerungen erstaunen mich, da sie geradezu ein Paradebeispiel für Neusprech sind, Relativierung, bzw. Umdeutung gewachsener Sprachbezüge.
Das Problem: Es ist eigentlich eine Rückbesinnung auf die Ursprungs-Bedeutung. - Anders gesagt: Die Rezeptionen seit 2000 Jahren und die damit einhergehenden Umdeutungen haben Sinnentfremdungen mit sich gebracht, die man revidieren sollte.
fin hat geschrieben: Ich bringe auch gerne Heidegger ins Spiel, er sprach ja von Seinsvergessenheit und unterschied zwischen Sein und Seienden.
Genau darum geht es mir. - Das Seiende kann immer nur mehr oder weniger geglückt das Sein thematisieren.
fin hat geschrieben:Mein Dreh- und Angelpunkt bezieht sich nun auf jene Größe, die wir 'Gott' nennen, die ich aber NICHT mit jenem Sein gleichsetze.
Genau das tue ich definitorisch: "Ich definieren das, was Du 'Urgut' nennst, als 'Gott'". - Welche andere Definition wäre aus Deiner Sicht sinnvollerweise möglich?
fin hat geschrieben:Besagtes Sein ist uns in seiner wahren Gestalt noch gar nicht sichtbar geworden, sondern wurde/wird überschattet durch das Seiende in all seinen Abstufungen, Ebenen, Gewalten und höchsten Hierarchien, die den Menschenkindern natürlich göttlich erscheinen.
Genau so ist es. - Heidegger sagt dazu was, was mich beim ersten Lesen hoch begeistert hat:
"Solange das Dasein als Seiendes ‚ist‘, hat es seine ‚Gänze‘ nie erreicht. Gewinnt es sie aber, dann wird der Gewinn zum Verlust des In-der-Welt-Seins schlechthin. Als Seiendes wird es dann nie mehr erfahrbar.“
Mit anderen Worten: Solange wir im Seienden sind und nicht Teil des Seins ("Alles in Einem), also theologisch "in Gott" sind, ist alles" überschattet durch das Seiende.

Und nachdem Du geistigen Denkmodellen gut folgen kannst, füge ich spekulativ (= "eine Denkweise zu Erkenntnissen zu gelangen, indem man über die herkömmliche empirische oder praktische Erfahrung hinausgeht und sich auf das Wesen der Dinge und ihre ersten Prinzipien richtet") hinzu:
Genau diese Befreiung aus dem Seienden = das, was biblisch mit "Erlösung" gemeint ist.

Ich hoffe, damit auf Deine Gedankengänge eingegangen zu sein.
fin hat geschrieben:. Besagtes Sein ist uns in seiner wahren Gestalt noch gar nicht sichtbar geworden
Logisch - wir sind doch im Seienden: Es KANN gar nicht sichtbar geworden sein (Ausnahme folgt), weil wir nur Offenbarungen auf Ebene des Seienden wahrnehmen - und da gibt es eben "gute" und "böse" Offenbarungen.

Die Ausnahme: Nach christlicher Lesart ist Jesus als "wahrer Mensch und wahrer Gott" derjenige, der in sich Sein und Seiendes verbindet - aber logischerweise so nicht wahrgenommen werden kann, jedoch als solches geglaubt werden kann. - Jedenfalls wird darin deutlich, warum Jesus ohne Göttlichkeit keinen Sinn macht.
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