closs hat geschrieben:fin hat geschrieben:Ich weiß nicht, wie es dir (oder auch anderen Mitlesern) ergeht, aber ich sehe/empfinde in so machen Momenten eine wahrlich dunkle Zukunft auf uns zurollen
Dafür gibt es in der Tat Anzeichen - aus meiner Sicht gab es nie eine Zeit, in der der Mensch so sehr Gott ersetzen wollte wie heute - sozusagen "Babel im Quadrat".
Closs, diese Einschätzung werden sicherlich viele teilen - ich auch - dennoch surft selbige auch nur an der Oberfläche. Ich schätze einerseits deine Position hier im Forum, andrerseits habe ich den Eindruck (wie andere auch), daß du die eigene Sichtweise selten hinterfragst und dich auch mal gewissenhaft in andere Positionen hineindenkst! Du siehst Gott als jene Größe, die eine dialektische Welt kreierte, um den Menschen dadurch eine Entwicklung zu ermöglichen, die ihn sozusagen 'frei/er' und 'mündig/er' machen soll.
Entsprechend versteht du die Paradiesgeschichte (Sündenfall) oder die 'Parabel' Hiob - etc.
Dir - aber auch anderen - kommt gar nicht in den Sinn, daß besagte Größe, jener göttlicher Referenzpunkt möglicherweise gar nicht der guten Seite angehört! Die Ursache dafür ist gerade jene unbestimmte Größe 'Gott', die möglicherweise keine Singularität darstellt, sondern ein Klasse. Eine Klasse, die darüber Auskunft gibt, daß hier Kräfte walten, die den Menschen per se göttlich erscheinen müssen. Diese Klasse bildet möglicherweise keine Einheit, sondern liegt im Widerstreit, wobei der Mensch diesem Spannungsfeld ausgesetzt ist.
Closs, möglicherweise ist der jene Größe, die sich hier und da als 'Gott' repräsentierte nicht jene Kraft, die du dir vorstellst. Besagte Differenzen liegen doch eigentlich auf der Hand. Man sieht es nicht nur an den verschiedenen Religionen, sondern im abrahamitischen Erbe auf dramatische Weise verdichtet (kulminiert)!
Natürlich stellt diese Sichtweise zunächst eine große Herausforderung dar, weil man seit Jahrhunderten & Generationen und von Kindesbeinen an darauf getrimmt wurde, Gott als singuläre Größe anzusehen, die die höchste und heilgste Wirklichkeit darstellt. Das wahre Heiligtum spricht jede einzelne Menschenseele an, darum wohnt dem Menschen auch eine natürliche Ehrfurcht inne, nur - und das gilt es endlich einmal in Betracht zu ziehen - steht diese hochheilige Kraft möglicherweise gar nicht am Rednerpult, sondern wurde verdrängt, in den Hintergrund ...
Der Mensch lässt sich leicht blenden, er meint, der wahre Gott demonstriere seine Größe vor allem durch Macht/habe. Das scheint mir ein folgenschwerer Schluß, den wenige bedenken, da sie Gott stets mit Allmacht verbinden. Möglicherweise unterliegt der Mensch einer Täuschung, die viel größer ist, als er sich vorstellen kann.
Dieses Jahr erinnert an 500 Jahre Reformation, an Martin Luther, dessen Biographie es erlaubte, einer Elite die Machthabe zu entreißen, indem er das Machtmittel - Die Bibel - dem Fußvolk zugänglich machte. Die große Emanzipation von Kirche/Klerus nahm ihren Anfang und wurde in der Folge blutig erstritten ...
Der neue Leitgedanke war 'sola scriptura', allein die Schrift und beendete zunächst das Diktat einer Priesterklasse und weltlichen Institution. Dieser neue Zugang: 'sola scriptura' brachte neuen Wind - der einfache Mensch konnte nun selbst lesen und deuten, und zb. den Ablaßhandel der Kirche als gemeinen Betrug entlarven.
Diese Entwicklung brachte die unterschiedlichsten Strömungen auf den Weg, wobei viele ihren neuen Glauben nicht öffentlich praktizieren durften, diejenigen, die nicht flohen (siehe zb. die Armish People), wurden verfolgt und ausgerottet, wie die Kartharer.
Worauf aber will ich hinaus?!
Mittlerweile bin ich mir ganz sicher, es braucht eine weitere Reformation, die allerdings selbst den alten Leitgedanken auflösen und revolutionieren wird. Dieser Schluß ist kein Abgesang auf den Nazarener, ganz im Gegenteil - aber dafür braucht es entsprechende Zeit, Räume, Präsenz und notwendige Erklärungen.
closs hat geschrieben:Zudem: Wir dürfen heute, wenn wir uns wieder mal über eine Grausamkeit (durchaus zu Recht) empören, nie vergessen, dass es in früheren Zeiten üblich war, heute mit seinen Kumpels in die Schlacht zu gehen und zu wissen, dass morgen nur noch die Hälfte leben wird - die Joystick- und Drohnen-Kriege sind eine distanzierende Einrichtung, die neu ist.
Uns ist die Alltäglichkeit der Gewalt abhanden gekommen - das ist gut, aber auch Luxus - und Nährboden für Empörungskultur vom Sessel aus.
Das ist genau der Punkt, closs, was für uns Alltag geworden ist - und auch schon immer war - ist eine unheilvolle Welt, die den Menschen gezielt in eine Verschiebung bringt! Was für uns normal geworden ist (ich meine nicht nur Gewalt, Ernährung, Sexualität) ist völlig krank, nur empfinden die meisten Menschen ihre eigene Entartung nicht mehr!