PeB hat geschrieben: ↑Mo 20. Jan 2020, 16:22
- die jüdische Theologie geht davon aus, dass man sündenfrei werden muss, um zu Gott zurückkehren zu können (daher auch das Brimborium mit den vielen Gesetzen, die keiner einhalten konnte und mit dem Opfer, das in Ersatz für eigene Sünden treten sollte).
- christliche Theologie verstehe hingegen in der Umkehrung des Sachverhaltes: wir müssen zu Gott umkehren, um "sündenfrei" (1) werden zu können.
Maryam hat geschrieben: ↑Mo 20. Jan 2020, 17:04
Ich sehe, dass wir in Sache damaliger ! jüdischer Theologie nicht dieselbe Auffassung haben, die indes Jesus und seine Jünger und Apostel klar mit mir teilen....
Dann hast du nicht verstanden, was ich sagen wollte...vielleicht habe ich mich unverständlich ausgedrückt.
Jesus macht doch einen Unterschied. Oder siehst du das anders?
Wäre mit Jesus nicht ein neues Kapitel der Heilsgeschichte aufgeschlagen worden, hätte er doch nicht kommen müssen!
Hätten wir das System des Gesetzesjochs behalten sollen und den Freikauf durch Opferung erhalten müssen, wäre zur Zeitenwende...nichts passiert.
Was war in den vergangenen Jahrtausenden geschehen?
Ohne ins Detail gehen zu wollen und vielleicht etwas oberflächlich/ flapsig dargestellt (soll keine Respektlosigkeit sein, sondern dem Verständnis dienen):
als Voraussetzung behaupte ich, dass Gott Wert auf ein freiwilliges Bekenntnis zu ihm legt und dieses nicht erzwingt. Das zeigt schon die erste Wendung in der Menschheitsgeschichte: die Sache mit dem Baum der Erkenntnis.
Gott legt es geradezu darauf an - indem er einen verbotenen und zugleich verführerischen - Baum ins Paradies stellt und es Adam und Eva überlässt, ob sie seiner Anweisung "davon esst nicht!" folgen oder nicht. Gott hat diese Entscheidungsoption überhaupt erst geschaffen (und die lautet sinngemäß: entweder Gott oder die Welt)!
Wir kennen die Entscheidung. Adam und Eva entscheiden sich für die Welt und in der Folge muss der Mensch den Garten Eden verlassen. Die Konsequenz ist der Verlust der Nähe zu Gott.
Die Aufforderung an den Menschen lautete daher von da an, sich um eine Rückkehr zu Gott zu bemühen (...und damit den Tod zu überwinden, der der Sold für die Sünde ist = ein Synonym für das Verlassen des Garten Eden...).
Oben habe ich festgestellt, dass Gott Wert auf die autonome Entscheidung des Menschen legt.
Daher: zunächst lässt Gott gemäß seiner Erwartung an den Menschen diesen völlig frei und autonom agieren - mit der Folge, die wir in der Vorgeschichte und der Erzählung der Sintflut erfahren. Der Mensch tut alles andere als zu Gott zurückzukehren (Ausnahmen bestätigen - gottseidank! - die Regel). Die Sintflut ist das erste Eingreifen von Gott zur Notrettung der Menschheit.
Gottes nächsten Eingreifen in dieser Situation: er bestimmt aus den Nachkommen Adams und Evas (der beiden Schuldhaften!) ein Volk, dem er aufträgt, sich stellvertretend für alle Menschen um diesen Umstand zu kümmern.
Die Voraussetzung: die Sünde verhindert eine Rückkehr zu Gott und sie bedingt den Tod.
Der Auftrag: ändert etwas daran!
Mitgegebenes Handwerkszeug: die Zehn Gebote.
Der logische Impuls aus der autonomen Willensentscheidung des Volkes:
1. Gesetze zur Vermeidung der Sünde ("Hat euch nicht Mose das Gesetz gegeben?", Johannes 7, 19 -> Moses, nicht Gott)
2. das Opfer zur Tilgung der Folge der Sünde -> ein Leben (des Opfertieres) wird ersatzweise für das eigene durch Sünde verwirkte Leben hingegeben.
Hat das funktioniert? Gelangte das Volk Israel zurück zu Gott?
Falls ja, hätten wir davon gehört...
Das letzte Eingreifen Gottes war nun die Sendung seines Sohnes als Mensch, der den Menschen zeigen sollte, wie sie es richtig machen und wie sie die Zehn Gebote verstehen sollten:
Matthäus 22, 37-40 hat geschrieben:Jesus aber sprach zu ihm: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt« (5. Mose 6,5). Dies ist das höchste und erste Gebot. Das andere aber ist dem gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3. Mose 19,18). 40 In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.
Das ist die relevante Aussage, auf die auch du dich wohl beziehst.
Aber was bedeutet sie, wenn man sie in Verbindung mit Jesu Kreuzestod und Auferstehung und mit seinen anderen Aussagen sowie denen der Apostel (insbesondere Paulus) sieht?
Es handelt sich um einen Paradigmenwechsel!
Will sagen: die Voraussetzungen (in Form des Auftrages und der Erwartung Gottes) bleiben die gleichen, aber das Verständnis sollte sich geändert haben.
Folgende Erkenntnisse müssen wir doch nun aus der bisherigen Heilsgeschichte gewinnen:
1. der Mensch kann NICHT (nur ausnahmsweise) sündenfrei leben, um wieder zu Gott zu gelangen. De facto fällt mir nur Jesus selber als völlig sündenfrei ein. Insofern kann die vollständige Sündenfreiheit - wie durch die Gesetze angestrebt - nicht der Lösungsweg sein.
2. das Opfer kann nicht der Preis zur Tilgung der Sünde sein, zumindest nicht für die Menschheit als solche - sonst wäre der Tod (des sündigen Menschen) schon damit besiegt worden.
3. der Mensch kann die Rückkehr zu Gott nicht aus eigener Anstrengung schaffen, er braucht Gottes Hilfe dazu.
Jesus macht (Zitat oben) klar, worin die Bedeutung der Zehn Gebote liegt: nicht primär in der Vermeidung der Sünde als Voraussetzung, sondern in der Vermeidung der Sünde INFOLGE der Rückkehr zu Gott.
Relevant ist die uneingeschränkte Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen. Das ist - wenn man so will - der "heilige Geist" der uns beflügeln soll.
Daher wiederhole ich noch mal, worin der Paradigmenwechsel besteht:
Wir gelangen nicht durch Sündlosigkeit zu Gott,
sondern wir gelangen durch Gott zur Sündlosigkeit.