Thaddäus hat geschrieben: ↑So 18. Dez 2022, 14:58
So war das nicht gemeint. Ich wollte lediglich nicht weiterschreiben, weil ich - an dieser Stelle meines Geschreibsels angekommen - keine Lust mehr hatte.
Ich habe deine Antworten aufmerksam gelesen, will aber jetzt nicht wiederum auf jeden Abschnitt antworten, da ich denke, dass wir mit diesem Verfahren nicht weiterkommen, sondern uns unweigerlich immer mehr gedanklich und argumentativ zersplittern.
Ja, das ist wahr. Ich habe zwar alles gelesen (aufmerksam - Ehrenwort
) werde auf das meiste aber nicht mehr eingehen. So interessant manches wäre, es berührt das eigentliche Thema nur noch indirekt.
Nur noch ein paar allgemeine Bemerkungen. Aber als Fließtext und nicht Abschnitt-für-Abschnitt.
I.
Du hast eine zu enge bzw. falsche Vorstellung von Modalität. "Undenkbar" bezieht sich nicht auf die Verhältnisse und Relationen in unserer Welt. Sondern, dass der Widerspruch in-sich vorliegt, sich durch Begriffsanalyse oder
a priori Einsicht feststellen lässt. Also sind Einhörner und Todessterne denkbar, aber Escher-Wasserfällen und runde Quadrate nicht.
Ich finde daher Descartes' Argument nicht so völlig falsch wie du. Ja, "Denkbarkeit ist kein Kriterium für eine realistische Möglichkeit", aber das ist hier irrelevant - darauf zielt er gar nicht ab.
Das Argument ist schlüssig, abgesehen von dem
einen zentralen Schritt, dass er von "denkbar" auf "metaphysisch möglich" schließt. Es kann doch sein, dass ich das essentielle an einem Begriff nicht vollständig verstehe! Wenn ich z. B. etwas ahnungslos in Geometrie bin, kann ich mir einbilden, ein Quadrat mit Seitenlänge 5 und Diagonale 7 denken, obwohl das genauso metaphysisch notwendig nicht existieren kann wie das runde Quadrat.
Wenn wir die Essenz des "Stofflichen" nicht verstehen, dürfen wir uns nicht anmaßen, etwas als metaphysisch unmöglich zu deklarieren.
Sonst erscheint mir das Argument von Descartes schlüssig, aber der Fehler ist fatal.
II.
An einer Stelle schreibst du, dass starke künstliche Intelligenz prinzipiell möglich ist, weil ja auch das Gehirn evolutionär auf natürliche Weise hervorgebracht wurde (und man dieses nur nachahmt).
Wenig Überraschung: für mich fehlt in der Gleichung die Seele.
Die Lehre des sog. Generatianismus, also dass von existierenden Seelen neue Seelen ausgehen, ist imho auch ein "natürlicher" Prozess (im Gegensatz zum sog. Kreationismus, der Erschaffung der einzelnen Seelen durch Gott). In beiden Fällen kann die Seele jedoch nicht durch rein materielle Prozesse hervorgebracht werden (und dem würde ich zustimmen).
Ich schließe starke künstliche Intelligenz nicht aus, aber dafür bräuchte es imho eine künstliche Seele. Ja, man kann auch mal mit einem so übergeschnappten Gedanken etwas spielen.
Die Art wie Aristoteles Artefakte (u. a. Maschinen, Mechanismen) betrachtete, ist
hoffnungslos veraltet nicht mehr zeitgemäß. Die Grundidee war, dass Artefakte nur über akzidentelle Formen verfügen.
Eine Tür ist weniger wirklich, keine Substanz - im Vergleich zu der Eiche von der das Holz stammt (bis in jede Zelle ist das "Eiche"). Die Grundidee ist verständlich, denn dass Objekte, die bloße Aggregate sind, wie "ein Haufen Sand", auch Grundelemente der Realität sein sollen, ist absurd.
Gewisse moderne Artefakte besitzen dagegen komplexe, strukturelle Einheit. Beispielsweise eine CPU (Prozessor). Ich halte es nicht für gerechtfertigt, solche Artefakte als bloße Aggregate zu betrachten und ihnen eine substantielle Form abzusprechen.
Auch mit dem Zugeständnis sind und bleiben derartige Artefakte natürlich 100% materiell, aber haben zumindest eine künstlich geschaffene substantielle Form - ein Schritt, den sich Aristoteles niemals hätte vorstellen können. Als weiterer Schritt lässt sich evtl. wenigstens indirekt Kontrolle über immaterielle Prozesse erlangen, die schließlich zum Entstehen einer Seele führen. Vorausgesetzt natürlich, dass Gott einem solchen Treiben voll Hybris nicht einen Riegel vorschiebt.
Wenn wir schon bei so seltsamen Ideen sind, bei der Gelegenheit ein paar Bemerkungen zu hypothetischen Wesen, die bereits vollständig immateriell geschaffenen wurden. Aka... "Engel" (alle Bilder der hold-blonden, geflügelten Humanoiden in weißen Kleidchen bitte so weit wie möglich ausblenden).
Nüchtern betrachtet ähneln Engel der menschlichen Seele nach dem Tod. Sie sind reine, nicht in Materie instantiierte Formen. Nur dass sie schon von ihrer ganzen Natur her immateriell sind.
Engel sollen denken können, und so müsste man schließen, dass sie die Essenzen der Dinge unmittelbar erfassen können - wofür wir Menschen den Umweg über Sinne und Vorstellung benötigen.
So ein Engel-Intellekt würde instantan all das universelle Wissen erlangen, welches er überhaupt erlangen kann. Korrektur durch Sinneserfahrungen und Kursänderung des Willens wären unmöglich.
Eventuell gilt das auch für die menschliche Seele nach dem Tod: sie ist "eingerastet". Aber gegen diese "Verdammungslehre" würde ich einwenden, dass sie, in ein anderes Medium verfrachtet, noch weitere Chancen zur Umkehr bekommen könnte.
Engel waren wohl historisch so beliebt, weil sie die
Scala Naturae vervollständigen: Gott hat die Materie geschaffen, damit das eigenartige halb-immaterielle Wesen Mensch existieren kann. Aber ohne Engel würde es ohnehin eine Lücke geben.
Ok, genug damit. Ich bin agnostisch bzgl. der Existenz von
.
III.
Noch was zu Markus Gabriel: Umso mehr ich von ihm lese, umso mehr kommt er mir, überspitzt formuliert, wie ein Spaß-Philosoph vor (ja, nach meinem letzten Abschnitt sollte ich die Klappe halten, aber zu meiner Entschuldigung bin ich kein Profi).
Ich lese Gabriel und lese "hot takes". Das "radikale" scheint eher in seiner Präsentation zu liegen, also dem flockig-munter-leutseligen Daherschnattern mit viel Humor und sehr viel Provokation. Und nicht in großen neuen Ideen. Jedenfalls habe ich die bis jetzt noch nicht ausmachen können.
Mich erinnert kein Philosoph mehr als Gabriel an das Meme vom Philosophoraptor.
"Sinn und Existenz" ist 500 Seiten stark, und bevor ich mich an sowas ranmache muss ich schon überzeugter von einem Philosophen sein.