Ja klar. Google mal nach "Reichskristallnacht und Luthers Geburtstag".closs hat geschrieben:Sicherlich gibt es dazu Arbeiten.
Hitler-Deutschland
Re: Hitler-Deutschland
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
Re: Hitler-Deutschland
Eine konservative Denkweise wird heute gerne mit dem Nationalsozialismus assoziiert, aber das ist eine irreführende Gleichsetzung, denn der Nationalsozialismus war eine moderne Massenbewegung und es gab einen christlich-konservativen Widerstand gegen ihn. Ebenso gibt es zahllose Aussagen von Nazis, die sich zweifellos gegen das Christentum gerichtet haben. Schon alleine deshalb, weil die Mutter-Religion das Judentum ist. Hier ein Ausschnitt aus einem Brief von Martin Bormann - Reichsleiter und Chef der Parteikanzlei - vom 7. Juni 1941 ging an alle Gauleiter der NSDAP:closs hat geschrieben:Eine der gesellschaftlichen Steilvorlagen ist die Benennung von allem als "braun", was rechts eines gewollten Gesellschaftsbildes ist - ich weiß bis heute nicht, wieviele der AfD-Mitglieder WIKRLICH "braun" sind: 5%? 50%?
Zwar haben sich die Nazis kurzfristig zum Christentum bekannt, um sich die Unterstützung der Christen zu sichern (durch die Unterstützung der katholischen Zentrumspartei kamen sie schließlich an die Macht), aber das langfristige Ziel war die Ersetzung des Christentums durch die nationalsozialistische Ideologie. Oder besser gesagt seine restlose Vernichtung. Die Idee, dass Jesus Christus das Haupt der universalen christlichen Gemeinde, der ekklēsía ist (Eph 4,12–16 EU, Kol 1,18 EU) ist inhaltlich unvereinbar mit dem Führerkult der Nazis. Oder man denke an solche Sätze: “Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen!” (Apostelgeschichte 5,29b) da die Nazis das Christentum nicht offen bekämpfen konnten, mussten sie subtilere Mittel anwenden. So schrieb beispielsweise Alfred Rosenbergs sein Buch Der Mythus des 20. Jahrhunderts (erschienen Anfang 1930), welches er gegen alles„Undeutsche“ und „Artfremde“ im Christentum richtete. Interessant finde ich, dass er darin den Marxismus und das katholische Christentum als zwei Facetten desselben jüdischen Geistes angriff.Kein Mensch würde etwas vom Christentum wissen, wenn es ihm nicht in seiner Kindheit von den Pfarrern eingetrichtert worden wäre. Wenn also unsere Jugend künftig einmal von diesem Christentum, dessen Lehren weit unter den unseren stehen, nichts mehr erfährt, wird das Christentum von selbst verschwinden[...] Immer mehr muss das Volk den Kirchen und ihren Organen, den Pfarrern, entwunden werden. Selbstverständlich werden und müssen, von ihrem Standpunkt betrachtet, die Kirchen sich gegen diese Machteinbuße wehren. Niemals aber darf den Kirchen wieder ein Einfluss auf die Volksführung eingeräumt werden. Dieser muss restlos und endgültig gebrochen werden.
Merkst Du was? Vorallem die Protestanten haben sich dem damaligen Zeitgeist unterworfen. Heute wird oft beklagt, dass sich Christen - insbesondere katholische Christen - nicht an den herrschenden Zeitgeist anpassen, während gleichzeitig kritisiert wird, dass sie es damals getan haben. Genau das zeigt doch, was dabei heraus kommt.Pluto hat geschrieben:Ja klar. Google mal nach "Reichskristallnacht und Luthers Geburtstag".closs hat geschrieben:Sicherlich gibt es dazu Arbeiten.
Re: Hitler-Deutschland
Habe ich gemacht - spontan habe ich etwas gefunden in Richtung "Man wollte beides verknüpfen".Pluto hat geschrieben:Google mal nach "Reichskristallnacht und Luthers Geburtstag".
So sehen es meines Wissens auch die seriösen Historiker - einfach weil man es nicht ignorieren kann.Novalis hat geschrieben:das langfristige Ziel war die Ersetzung des Christentums durch die nationalsozialistische Ideologie. Oder besser gesagt seine restlose Vernichtung.
Richtig. - Der Protestant Bonhoeffer war ein "Heiliger" gegen einige protestantische Ströme (von DEM Protestantismus kann man nicht sprechen, weil dieser schon immer ein Sammelbegriff für Unterschiedlichstes ist).Novalis hat geschrieben: Vorallem die Protestanten haben sich dem damaligen Zeitgeist unterworfen. Heute wird oft beklagt, dass sich Christen - insbesondere katholische Christen - nicht an den herrschenden Zeitgeist anpassen, während gleichzeitig kritisiert wird, dass sie es damals getan haben.
Re: Hitler-Deutschland
Warum war der Protestantismus so anfällig dafür? Das halte ich für eine wichtige Frage. Vielleicht weil die Anbindung an die größere Tradition fehlt. So jemand wie Rembremerding kann man einfach nicht so leicht über das Ohr hauen.closs hat geschrieben:Richtig. - Der Protestant Bonhoeffer war ein "Heiliger" gegen einige protestantische Ströme (von DEM Protestantismus kann man nicht sprechen, weil dieser schon immer ein Sammelbegriff für Unterschiedlichstes ist).Novalis hat geschrieben: Vorallem die Protestanten haben sich dem damaligen Zeitgeist unterworfen. Heute wird oft beklagt, dass sich Christen - insbesondere katholische Christen - nicht an den herrschenden Zeitgeist anpassen, während gleichzeitig kritisiert wird, dass sie es damals getan haben.
Zuletzt geändert von Novas am Sa 21. Okt 2017, 20:58, insgesamt 1-mal geändert.
Re: Hitler-Deutschland
Vielleicht hierzu als kleine Info folgendes:closs hat geschrieben:Der Protestant Bonhoeffer war ein "Heiliger" gegen einige protestantische Ströme (von DEM Protestantismus kann man nicht sprechen, weil dieser schon immer ein Sammelbegriff für Unterschiedlichstes ist).
Dietrich Bonhoeffer gehörte zur "Bekennenden Kirche".
In der Nazizeit musste man sich als evangelischer Christ entscheiden: Entweder man schloss sich den “Deutschen Christen” an – und verriet damit seinen Glauben – oder man gehörte zur “Bekennenden Kirche” – und brachte sich damit in Lebensgefahr. Führende Persönlichkeiten bezahlten ihr Bekenntnis mit KZ-Haft oder gar mit dem Tod.
Bonhoeffer stand jedoch nicht allein und auch nicht am Anfang. Als sich die Protestanten, die sich Hitlers Gleichschaltungspolitik widersetzen wollten, am 20. Oktober 1934 zur Dahlemer Bekenntnissynode zusammenfanden, war Bonhoeffer in London. Am 31. Mai 1934 hatte sich die Bekennende Kirche gegründet.
Auf der Synode im Berliner Bezirk Dahlem wurde damals das Kirchliche Notrecht proklamiert, d,h. man bezeichnete die formale bestehende Beauftragung zur Kirchenleitung der protestantischen Landeskirche, die sich in den Händen von Reichsbischof Müller befand, als unrechtmäßig.
Unter den Bekennern war auch dies umstritten. Einige hofften, die Einheit der Evangelischen Kirche durch einen für möglich gehaltenen Rücktritt Müllers wahren zu können. Für andere war das ausgeschlossen und der Bruch vollzogen. Zu dieser Fraktion, den so genannten “Dahlemiten” gehörten neben Bonhoeffer auch Pfarrer Martin Niemöller und der Theologe Karl Barth.
Die “Dahlemiten” wurden in der Nazi-Zeit erbittert verfolgt, können aber einen späten Erfolg verbuchen: Bei der Gründung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Eisenach im Juli 1948 wurde die von ihr eingesetzte Kirchenleitung als die rechtmäßige anerkannt. Sie übergab symbolisch die Leitung an den neu gegründeten Rat der EKD. Damit war das Kirchliche Notrecht Geschichte.
Servus
Re: Hitler-Deutschland
An anderer Stelle habe ich einmal etwas über Protestanten und ihr Verhältnis zur Obrigkeit verfasst. Vielleicht hilft das, etwas verkürzt, weiter:Novalis hat geschrieben: Warum war der Protestantismus so anfällig dafür? Das halte ich für eine wichtige Frage. Vielleicht weil die Anbindung an die größere Tradition fehlt.
Martin Luther schuf mit seiner neuen Lehre ein völlig anderes Verhältnis zwischen Staat und Kirche, zwischen Christ und Gesellschaft. Negative politische Entwicklungen der Neuzeit werden deshalb oftmals den Kirchen der Reformation zur Last gelegt. Andererseits kann man das moderne protestantische Synodalsystem als Vorbote der Demokratisierung betrachten. Die Veränderung der Verhältnisse zwischen Christen und ihrer Obrigkeit im Protestantismus kann in drei Bereichen besonders erkannt werden: im sogenannten Landesherrlichen Kirchenregiment, in der Zwei-Reiche-Lehre und in der Bewertung des gottgeweihten Lebens.
Das Landesherrliche Kirchenregiment ist eine besondere Form der Kirchenleitung, die seit der Reformation in allen protestantischen Gebieten üblich wurde. Die deutschen evangelischen Fürsten beanspruchten, gegen Luthers Hoffnung, die Kirchenleitung bald für sich selbst. Die Landesherren traten somit anstelle der entmachteten katholischen Bischöfe und übernahmen die Besoldung und Einsetzung der Pfarrer, die Festlegung der gelehrten Theologie an den Universitäten sowie die des zu folgenden Glaubens der Untertanen. Selbst nach dem Konfessionswechsel eines Landesherren zum katholischen Glauben konnte es geschehen, dass er weiterhin nominell Kirchenleiter von protestantischen Staaten blieb, die praktische Durchführung dieser Aufgabe aber einem „Konsistorium“ übertrug. Der Protestantismus verwirklichte somit all das, wogegen die Kirche im Investiturstreit leidenschaftlich ankämpfte: Die Verbindung von Kirche und Staat, die Unterwerfung der Kirche unter die Fürsten und ihre Vereinnahmung. Nachwirkungen davon sind bis heute die Konflikte zwischen der christlichen Lehre und der Mehrheitsmeinung.
In Deutschland zerbrach 1918 die Personalunion von Fürst und evangelischen Kirchenherr. Seither wird der Kirchenpräsident von den Synoden gewählt, erhält auch teilweise den Titel „Landesbischof“. Er hat aber nur wenig Leitungsvollmacht, diese haben die Synoden inne, die in der Regel zu einem Drittel aus Pfarrern und zu zwei Drittel aus Laien bestehen, welche meist keine theologische Ausbildung besitzen. Entscheidungen werden demokratisch gefällt, zu denen auch tiefgreifende Änderungen der Lehre oder Praxis gehören, so etwa die Einführung der Trauung für gleichgeschlechtliche Paare. Diese Art der Kirchenleitung kann zu einer Trift weg vom Evangelium führen und zur Meinung der Gesellschaft die Lehre Jesu könnte demokratisch entschieden und ausgelegt werden.
Für Lutheraner war die Zwei-Reiche-Lehre von großer Bedeutung. Unter Gottes Herrschaft regiert die Kirche das Reich zur Rechten, sie verkündet das Wort, spendet Sakramente, fördert Bekehrung und übt die Kirchenzucht aus. Das Reich zur Linken wird vom Staat beherrscht. Diesem Staat hat nach Kapitel 13 des Römerbriefs ein Christ zu gehorchen. Luther nahm dieses Wort sehr ernst, weshalb er sich 1525 mit gröbsten Worten gegen den Aufstand der Bauern aussprach und die Fürsten zum rücksichtslosen Durchgreifen aufforderte. So führte diese Zwei-Reiche-Lehre vor allem bei den Lutheranern zu einem weitgehend unpolitischen Christentum, was jedoch in den letzten Jahrzehnten in den Hintergrund geriet. Nun näherte man sich mehr dem katholischen Standpunkt, der ein politisches Engagement von Christen zulässt und eine bewusst vom Glauben bestimmte Einflussnahme auf die Politik anstrebt.
Auch der geistliche und weltliche Stand erhielt im Protestantismus eine andere Wertschätzung. Bis vor wenigen Jahrzehnten waren Ehelosigkeit um des Himmelreichs willen oder Ordenseintritt für den Protestantismus eine scheinbar nutzlose, unproduktive und schöpfungswidrige Lebensform. Die Reformatoren sahen die Aufgabe des Menschen darin, in seinem jeweiligen Stand der Gesellschaft zu dienen. So wurde Arbeit in der Einheit mit der Staatsideologie zu einem Gottesdienst, Produktivität zur Bürgerpflicht. Dadurch konnten sich protestantische Gebiete tatsächlich einen wirtschaftlichen und bildungsmäßigen Vorsprung vor katholischen und orthodoxen Gebieten erarbeiten. Als in der Aufklärung Klöster und Feiertage abgeschafft wurden, Wallfahrten verboten, Wochengottesdienste reduziert, blieb den Menschen mehr Zeit für die Volkswirtschaft. Auch der sparsame Bau und die Ausstattung von Gotteshäusern bewirkten einen wirtschaftlichen Aufschwung.
Die katholische Kirche unternahm in den letzten zwei Jahrhunderten große Anstrengungen den Bildungsrückstand der katholischen Völker aufzuholen, der zuvor durch die staatliche Auflösung der Klöster entstand, die ja oftmals auch Bildungsstätten waren. Ein Katholik käme aber niemals auf die Idee, wirtschaftlicher Wohlstand ist ein Zeichen für eine göttliche Auserwählung, wie es im Calvinismus oder in manchen Freikirchen vorkommen kann. Dort trifft man sogar auf ein regelrechtes „Wohlstandsevangelium“, das materiellen Wohlstand mit göttlicher Gnade verknüpfen will. Katholiken werden deshalb „systembedingt“ auch zukünftig mehr Zeit, Kraft und Geld als Protestanten in Werke der Frömmigkeit investieren, die nicht zuerst dem Nächsten oder sich selbst, sondern ausschließlich Gott und seiner Kirche dienen. Für den katholischen Glauben sind freilich auch diese Güter gut angelegt.
Re: Hitler-Deutschland
Zwei Gründe sehe ich:Novalis hat geschrieben:Warum war der Protestantismus so anfällig dafür? Das halte ich für eine wichtige Frage.
1) "Protestantismus" steht für eine Gruppe unabhängiger Glaubensgemeinschaften - da gibt es kein Zentrum, das Orientierung bringt. - Die nazi-geilen "Deutschen Christen" waren genauso "Protestanten" wie andere, nazi-kritische Gemeinschaften.
2) Protestanten neigen generell dazu, zu verweltlichen - auch heute.
Genau das - es gibt extrem unterschiedliche Protestanten - die Konservativen unter ihnen verzweifeln fast.Rembremerding hat geschrieben:Die “Dahlemiten” wurden in der Nazi-Zeit erbittert verfolgt
War da möglicherweise auch Gustav Heinemann dabei?Rembremerding hat geschrieben: Zu dieser Fraktion, den so genannten “Dahlemiten” gehörten neben Bonhoeffer auch Pfarrer Martin Niemöller und der Theologe Karl Barth.
Re: Hitler-Deutschland
Zur Bekennenden Kirche gehörte er schon, aber, so viel ich weiß, nicht zu den Dahlemiten. Die Bekennende Kirche war auch in zwei Flügeln geteilt: Die "Barmer", die keine Spaltung wollten und die Dahlemiten, quasi die Hardliner. Verfolgt wurden sie alle (obwohl Heinemann auch in 2 NS-Organisationen war).closs hat geschrieben:War da möglicherweise auch Gustav Heinemann dabei?Rembremerding hat geschrieben: Zu dieser Fraktion, den so genannten “Dahlemiten” gehörten neben Bonhoeffer auch Pfarrer Martin Niemöller und der Theologe Karl Barth.
Re: Hitler-Deutschland
Ein gutes Beispiel dafür, wie komplex all diese Fragen sind - kein Terrain für ideologische Kurzantworten.Rembremerding hat geschrieben:Zur Bekennenden Kirche gehörte er schon, aber, so viel ich weiß, nicht zu den Dahlemiten. Die Bekennende Kirche war auch in zwei Flügeln geteilt: Die "Barmer", die keine Spaltung wollten und die Dahlemiten, quasi die Hardliner. Verfolgt wurden sie alle (obwohl Heinemann auch in 2 NS-Organisationen war).
Re: Hitler-Deutschland
So etwa viele Lutheraner.closs hat geschrieben:es gibt extrem unterschiedliche Protestanten - die Konservativen unter ihnen verzweifeln fast.
Nicht nur einer sagte: "Wenn ihr nur den Papst nicht hättet, dann wäre ich schon lange Katholik"
Gerade scheint sich auch die anglikanische Kirche in England zu spalten. Nachdem diese Homo-Ehe und Bischöfinnen erlaubt, sind beispielsweise schon einige anglikanische Priester zur RKK gewechselt.
Ich kenne einen 72-jährigen verheirateten nun katholischen Kaplan in Berkshire.