Michael hat geschrieben: ↑Sa 14. Mär 2020, 11:44
Vielleicht könntest du hier etwas vorgeben und erklären, was du unter "neutestamentarisch" verstehst, um es unbedingt von einer anderen Denkweise abgrenzen zu wollen.
* FROHE Botschaft - und zwar nicht nur für einige Auserwählte
* Erlösung ist kein internes Gruppen-Ding, sondern gilt universal - es ist also auch ein Paradigmenwechsel für Moslems oder Buddhisten oderoder.
* Vollendung des AT = "Aufhebung in ein Höheres"
Das in etwa wäre die Spur.
PeB hat geschrieben: ↑Sa 14. Mär 2020, 10:56
Warum sollte man das AT - in Kenntnis des NT - so lesen, als wenn es das NT nicht gäbe?
Wieso sollte das Sinn machen?
Weil man nur so herausfindet, wie die Zeit damals war. - Du bist Wissenschaftler und weißt, dass man historisch Geschehenes aus DESSEN Sicht und nicht aus späterer Sicht bemisst.
Das ist der erste SChritt. - Jetzt kommt der nächste Schritt: Was hilft uns im Nachhinein, dem in der Historie Geschehenen einen neuen Sinn zu geben - also einen Sinn, der damals weitgehend NICHT erschlossen war. - Damit wird man aber nicht dem Geschehenen in der Zeit gerecht, sondern dem Geschehenen aus späterer Sicht. - Beides ist legitim, weil beides Wirklichkeit abbilden kann. - Aber die historische und damals geistliche Wirklichkeit ist etwas anderes als die andere, weiterentwickelte geistliche Wirklichkeit, die man später darin erkennt.
Um einmal in Stichworten konkret zu werden:
1) Abraham ist in der Zeit ein ziemlich unterdurchschnittlicher Charakter - aus heilsgeschichtlicher Sicht ist er Stammvater.
2) Bileam ist in der Zeit ein Prophet, durch den Jahwe sprechen lässt - aus NT-Sicht ist er Feind Israels.
3) König Saul ist ein wesentlich differenzierterer, nachdenklicherer und charakterlich anspruchsvollerer Mensch als David (von dessen sehr späten Zeit abgesehen) - aus NT-Sicht ist König Saul ein Looser und David ein Held.
4) Josua ist zeitgeschichtlich ein Genozid-Verbrecher - heilsgeschichtlich ist er der Mitbegründer Israels im Gelobten Land.
5) etc, etc, etc
Das heißt: Man darf die eine Ebene nicht mit der anderen vermischen. - Das heißt AUCH: Man kann einerseits ein Charakterschwein sein und gleichzeitig andererseits eine heilsgeschichtlich herausragende Person. - Man darf das eine nicht durch das andere begründen. ---- Konkret heißt dies hier:
Aus dem Verständnis des AT durch das individuelle NT-Verständnis ist mehr über das NT und das ich ausgesagt als über das AT.
PeB hat geschrieben: ↑Sa 14. Mär 2020, 10:53
Ich sehe schon die Voraussetzung: "wer an mich glaubt..."; allerdings ist mir noch immer nicht ganz klar, was diese Bedingung im Großen und Ganzen umfasst bzw. was "genau" im Einzelnen geglaubt werden muss.
Und was überhaupt "Glaube" IST! --- Heute beliebt man, "Glaube" in den Kontext "Entscheidung" zu rücken - was für mich ein Oxymoron ist, aber auch verständlich im Sinne des sogenannten aufgeklärten Denkens ist, das das Ich in den Mittelpunkt stellt. --- Besser fände ich, wenn man "Glaube" als gespürtes Gezogen-Werden versteht: Spüre ich ein Gezogen-Werden oder nicht? - Das ist etwas ganz anderes.
Wenn Du das "Wer an mich glaubt" dementsprechend übersetzt, heißt dies "Bin ich von etwas erfasst, das ich als mich ziehend wahrnehme?". --- Was zudem sprachlich in unserer wertenden Sprache gerne übersehen wird: "Wer an mich glaubt" muss nicht heißen "die Guten ins Töpfchen die Schlechten ins Kröpfchen", sondern kann auch heißen "Sobald an mich geglaubt wird (vorher nicht)" - also der eine früher, der andere später.
Persönlich bin ich überzeugt, dass das heute vorherrschende NT-Verständnis ziemlich kontaminiert ist.