Thaddäus hat geschrieben:Ich hoffe, es ist dir klar, lieber closs, dass nichts von dem, was du in deiner Antwort schreibst, meine Diagnose der Offenbarungsreligionen bezüglich ihres Ideologiecharakters und der kanonischen Exegese hinsichtlich ihrer (gewollten) antiwissenschaftlichen Ausrichtung entkräftet.
Nein - ich lege Wert darauf, dass es mir NICHT klar ist.
Entscheidend aus meiner Sicht ist, dass das Christentum auf Basis dessen spricht, was Ratzinger "Glaubensentscheid" nennt (wobei ich dieses Wort nicht ganz glücklich finde) - jedenfalls sagt es aus: "Was jetzt kommt, gilt nur für denjenigen, der diese Hürde hinter sich hat". - "Ideologie" wäre, wenn man fordert, dass etwas geglaubt werden muss - was übrigens heute eher Aufklärungs-Verfechter zutrifft: "Wer nicht materialistisch denkt, ist unaufgeklärt".
Thaddäus hat geschrieben:Man könnte fast meinen, du bekommst von den Katholiken Geld für jedes Post, in dem du einfach nur unbeirrt auf der dogmatisch vorgegebenen, erzkatholischen Position beharrst.
Ich hätte einiges an den christlichen Theologien auszusetzen - insofern ist meine pro-theologische Haltung einzig dem Umstand geschuldet, dass das Forum hier extrem materialistisch und kritisch-rational geprägt ist.
Thaddäus hat geschrieben:Da hat man dir aber einen schönen katholischen Bären aufgebunden. Selbst, wenn dir das der amtierende argentinische Papst höchstselbst in einem Augenblick unverhoffter aufgeklärter Erleuchtung zugeflüstert hätte, würde er damit gegen seinen eigenen katholischen Katechismus verstoßen.
Unterschätze nicht das, was innerhalb des Katholizismus an universalem Denken daheim ist. - Was den Katechismus angeht, stimme ich Dir zu: Er ist aus meiner Sicht ein Lehrbuch fürs Volk, das das Volk so anspricht, wie man es ansprechbar wähnt - große Baustelle.
Thaddäus hat geschrieben:Kurzum: der Katholizismus beharrt in seiner religiösen Verstocktheit und Verblendung heute wie einst darauf, dass das Heil nur durch die Anerkennung der Glaubensgrundsätze der heiligen katholischen Kirche erreicht werden kann.
Gefällt mir genauso wenig wie Dir - allerdings habe ich mir angewöhnt, Texte auf ihren Grund hin zu lesen. - Tut man das, steht hier übersetzt: "Niemand kommt an der Erlösung durch Gott (in Jesus) vorbei" - deshalb mein Bild: Egal, auf welchem Gleis sich jemand glaubt: Der Ankunfts-Bahnhof ist derselbe für alle".
Thaddäus hat geschrieben: So liberal wie du vorgibst, ist weder die protestantische Kirche im Allgemeinen und schon gar nicht die katholische.
Wie gesagt: Wenn man die richtigen Leute trifft, findet man universal denkende Geister - die übrigens an ihrer Kirche leiden. - Aus meiner Sicht sind diese Leute diejenigen, die das repräsentieren, was die Kirche noch werden soll. - Oder wie es Eugen Biser gesagt hat: "Die Kirche ist noch nicht bei sich angekommen".
Thaddäus hat geschrieben:Alle Offenbarungsreligionen sind ideologisch. Das müssen sie ihrer Natur nach auch sein, denn wenn man der festen Ansicht ist, der eigene Gott sei der einzig wahre und die eigenen Glaubensgrundsätze darum die einzig richtigen, dann müssen die anderen Gottheiten folgerichtig Götzen sein und deren Glaubensgrundsätze falsch.
Auch hier täte es gut, auf den Grund hin zu lesen und zu denken - es geht nicht um ein "Wer hat den längsten".
Und wie Du richtig sagst: Es geht um GLAUBEN - keiner beansprucht Wissen. - Um so bescheuerter ist es, wenn Leute, die nicht wissen, was Hermeneutik ist, ihr eigenes Weltbild ideologisch darbieten, als würde es WISSEN darstellen. - Ich bin nach wie vor der Meinung, dass der zur Philosophie gemachte Kritische Rationalismus (als Methodik ist er top) gesellschaftlich die Rolle der Kirche des Mittelalters übernommen hat: "Nur ich bin redlich".
Thaddäus hat geschrieben:Wenn hier an anderer Stelle geschrieben wird, der Umstand, dass die Biologie nur noch die Evolutionstheorie in Betracht zieht, aber keine kreationistischen oder teleologischen Erklärungen beweise doch, dass sie nicht vorurteilslos wissenschaftlich sei, ist ausgemachter Unsinn.
Finde ich auch - aber möglicherweise aus ganz anderen Gründen: Wissenschaft sollte sich mit naturalistischen Phänomenen beschäftigen - und Punkt.
Konkret heißt das: Wenn die Biologie aus guten Gründen teleologische Erklärungen der Evolution ausschließt, heißt das nicht, dass die naturalistische Welt incl. Evolution nicht in eine "göttliche Fügung" eingebaut ist, die ihrerseits streng teleologisch ist. - Beide Ebenen interferieren NICHT. - Und Vertreter beider Seiten sollten nicht auf der Ebene des anderen rumpfuschen.
Thaddäus hat geschrieben:Theissen will mit seinem Hinweis, dass er nach der etablierten historisch-kritischen Methodik arbeitet nicht etwa einräumen, dass jeder nach seiner beliebigen Methode arbeiten könne und es würden dabei ähnlich valide Ergebnisse herauskommen
Das will er damit in der Tat nicht sagen. - Aber wenn ich Theißen nicht überschätze, hat er erkannt, dass seine Methodik auch nur EIN hermeneutischer Ansatz ist, dessen Ergebnisse nicht richtig sein müssen (wobei das nichts damit zu tun hat, dass sich die Quellenlage noch ändern könne - es ist prinzipiell gemeint). - Und er sagt nach meiner Erinnerung sogar, dass im Zweifelsfall die Einhaltung der (gewählten) Methodik für einen Wissenschaftler wichtiger ist als das Ergebnis.
Konkret: Selbst wenn er aus geistiger Sichtweise persönlich der Meinung wäre, dass Jesus KEINE Naherwartung hatte, muss er wissenschaftlich so diszipliniert sein, dass er historisch-kritisch zum Ergebnis kommt, dass Jesus eine Naherwartung hatte.
Thaddäus hat geschrieben: In keiner historisch-kritischen Arbeit findet sich zu Beginn eine Verpflichtung auf den kritischen Rationalismus.
Du überraschst mich: Kannst Du mir eine historisch-kritische Aussage nennen, die NICHT kritisch-rationalen Anforderungen gerecht wird? - Falls ja: Kann man dann von "Wissenschaft" sprechen? (Ich frage das, weil hier häufig kolportiert wird, dass nur kritisch-rationale Disziplinen wissenschaftlich sein könnten)
Thaddäus hat geschrieben: Du hast niemals selbst historisch-kritisch (und vermutlich auch nicht kanonisch-exegetisch) gearbeitet.
Historisch-kritisch schon - allerdings im philologischen Bereich - und zu meiner Zeit war das nicht so kompliziert, wie es heute zu sein scheint.
Für uns stand "historisch-kritisch" für geschichtlich fassbare Fakten rund um ein Werk. - Das Ziel war, das Werk selbst noch besser zu verstehen - aber es ging NICHT darum, das Werkverständnis durch historisch-kritisches Verständnis zu ersetzen.
Thaddäus hat geschrieben:aber du weißt im Grunde nicht, welches methodische Arbeiten du hier eigentlich genau kritisierst.
Da unterstellst Du mir etwas fälschlich. - Ich kritisiere NICHT die HKM - ganz und gar nicht. - Mir geht es ausschließlich um deren Stellenwert innerhalb der Theologie. - Um es im Bild zu sagen: Ein Hersteller von medizinischem Besteck ist kein Arzt.
Thaddäus hat geschrieben: Der kritische Rationalismus ist doch nicht die Arbeitsgrundlage der HKM!
Für eine Begründung wäre ich Dir dankbar.
Thaddäus hat geschrieben:Zudem gehört zum kritischen Rationalismus als Wissenschaftstheorie nicht die Vorgabe, Jesus könne nicht göttlich sein.
Jetzt machst Du denselben Fehler wie andere hier auch:
Natürlich sagt der Kritische Rationalismus nicht "Jesus kann nicht göttlich sein" - trotzdem schließt er es aus. Konkrete Frage an Dich: Angenommen es gäbe Gott als geistige Entität unabhängig von menschlicher Wahrnehmung UND Jesus wäre in diesem Sinne historisch göttlich - wie könnte eine Disziplin, die nur das beachtet, was falsifizierbar ist, diesen historischen Fall methodisch zur Kenntnis nehmen?