Erkennen

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Larson
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Re: Erkennen

Beitrag von Larson »

Hiob hat geschrieben: Fr 28. Feb 2025, 20:14 Ok - danke. Sind wir uns einig, dass das im Urtext Gemeinte weit über die Bedeutung von "Wort" hinausgeht?
Ja, Dawar. Zb. Beispiel wenn ab und z steht „und er sprach“, ist auch die Wurzel „dawar“ im „sprach“. Und dann bedeutet es, dass man etwas bestimmtes sagen will, oder eher mahnend oder dass keine Widerrede will.

Hiob hat geschrieben: Fr 28. Feb 2025, 20:14 Allerdings habe per Buber-Übersetzung sehr das Motiv des "Geistbraus" in Erinnerung
Das wäre die Ruach רוּחַ (ruach)., also Wind, wie Pneuma im griechischen und meistin Bezug auf Gott der „Gottesgeist“ oder auch auf den Menschen dann dessen Geist.
1.Mo 6,3 (B&R) ER sprach: Nicht niedre mein Geistbraus sich im Menschen für eine Weltzeit, dieweil er auch Fleisch ist, seien denn seine Tage: hundertundzwanzig Jahre.
1.Mo 6,3 (Sef) Da sprach der Ewige: Mein Geist soll nicht ewig im Menschen walten, da auch er Fleisch ist; so sollen denn seine Tage hundert und zwanzig Jahre sein.
Manchmal auch als „Wille“ übersezt.
Hiob hat geschrieben: Fr 28. Feb 2025, 20:14 Das Wort "entscheiden" habe ich bei Buber im gesamten AT nicht gefunden.
Jer 5,28 (Elberfelder) Sie sind fett, sie sind glatt; ja, sie überschreiten das Maß der Bosheit. Die Rechtssache richten sie nicht, die Rechtssache der Waisen, so dass es ihnen gelingen könnte; und die Rechtssache der Armen entscheiden שָׁפָֽטוּ (schafatu). sie nicht.
Jer 5,28 glattfeist werden sie. Sie überschwellen gar von Reden der Bosheit, der Sache der Waise walten sie als Sachwalter nicht, daß sie sie glücken ließen, das Recht der Dürftigen, nicht errechten שָׁפָֽטוּ (schafatu). sie es.
שָׁפַט (schafat) richten, Recht verschaffen, zwischen zwei Dingen entscheiden. Bei B&R ist deutlicher ersichtlich, dass das Rechtschaffen vernachlässigt wird. Aber sinngemäss sagen beide das gleiche,
Spr 24,25(elberfelder) denen aber, die gerecht entscheiden יָכַח (jachach)., geht es wohl, und über sie kommt Segnung des Guten.
Spr 24,25 (B&R) Den Rügenden יָכַח aber ergeht es mild, über sie kommt die Segnung des Guten.
Spr 24,25 (Tur Sinai) Den Mahnern יָכַח aber geht es wohl und über sie kommt Glückes Segen.
יָכַח (jachach). Strafen, Recht sprechen usw.
Kaum wird eine Lüge entlarvt, hat sie schon mehrere Kinder geboren, weil sie sehr fruchtbar ist.
Da hat es die Wahrheit schwerer. Es gibt sie nur einmal. Wie soll sie sich vermehren?
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Larson
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Re: Erkennen

Beitrag von Larson »

renato23 hat geschrieben: Sa 1. Mär 2025, 11:50 WER AN IHN GLAUBT oder WER AN MICH GLAUBT
Spr 14,15 Der Einfältige glaubt (aman) jedem Wort, aber der Kluge achtet auf seine Schritte.
Kaum wird eine Lüge entlarvt, hat sie schon mehrere Kinder geboren, weil sie sehr fruchtbar ist.
Da hat es die Wahrheit schwerer. Es gibt sie nur einmal. Wie soll sie sich vermehren?
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Re: Erkennen

Beitrag von Hiob »

Larson hat geschrieben: Sa 1. Mär 2025, 14:55 שָׁפַט (schafat) richten, Recht verschaffen, zwischen zwei Dingen entscheiden. Bei B&R ist deutlicher ersichtlich, dass das Rechtschaffen vernachlässigt wird. Aber sinngemäss sagen beide das gleiche
Da gibt es trotzdem - einen sehr typischen - Unterschied: Elberfeld (stellvertretend für europäisch-gängige Übersetzungen) betonen das Ich, welches entscheidet. B&R betonen die Sache an sich. Der eine tut so, als sei das Ich entscheidend - der andere, als sei das, worum es geht, entscheidend.

Anderes Beispiele: Es gibt diese berühmte Stelle, die mehrfach im AT vorkommt (ich finde sie gerade nicht), wonach der Mensch an einer Weggabelung stehe und der eine Weg richtig und der andere falsch sei. Die gängigen Übersetzungen sagen (ich übertreibe): "Mensch, da muss Du Dich jetzt entscheiden, und wenn Du falsch entscheidest, bist Du dafür verantwortlich". Bei Buber geht es (wie an vielen anderen Stellen auch) in Richtung: "Mensch, da stehst Du jetzt und kannst nicht stehenbleiben, musst also einen dieser beiden Wege gehen. Wenn Du den richtigen Weg gehst, freue ich mich, weil es Dir dann gutgeht. Wenn Du den falschen Weg gehst, trauere ich Dich, aber ich werde Dich auch in der Fremde (also wenn Du falsch gehst) nicht verlassen". Es kommt in diesem Zusammenhang bei Buber die Wendung, dass Gott "heischt", was semantisch mehr in Richtung "Ich wünsche es für Euch und für mich" geht, während die gleiche Stelle bei den üblichen Übersetzungen wiedergegeben wird mit Gott "fordert". Also wieder das Sanktionierende "Ich, Gott, hau Dir eine über die Rübe" und nicht das eher Leidende ("Begreift doch endlich, um Leid zu vermeiden").

Dieser Unterschied zieht sich durch die gesamte B&R-Übersetzung, UND ich vermute sehr, dass damit generell ein kultureller/geistlicher Unterschied zwischen jüdischem und griechisch-europäischem Denken zum Ausdruck gebracht wird (dazu passt auch das unterschiedliche Verständnis von "Satan" in jüdischer und traditionell christlicher Theologie). Persönlich meine ich, dass der jüdische Zugang authentischer ist als unser europäischer, welcher immer das Ich in den Vordergrund stellt. Wahrscheinlich ist dies ein Kollateralschaden aus der Aufklärung.
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Larson
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Re: Erkennen

Beitrag von Larson »

Hiob hat geschrieben: Sa 1. Mär 2025, 15:56 Dieser Unterschied zieht sich durch die gesamte B&R-Übersetzung, UND ich vermute sehr, dass damit generell ein kultureller/geistlicher Unterschied zwischen jüdischem und griechisch-europäischem zum Ausdruck gebracht wird (dazu passt auch das unterschiedliche Verständnis von "Satan" in jüdischer und traditionell christlicher Theologie).
Hiob hat geschrieben: Sa 1. Mär 2025, 15:56 "Mensch, da stehst Du jetzt und kannst nicht stehenbleiben, musst also einen dieser beiden Wege gehen. Wenn Du den richtigen Weg gehst, freue ich mich, weil es Dir dann gutgeht. Wenn Du den falschen Weg gehst, trauere ich Dich, aber ich werde Dich auch in der Fremde (also wenn Du falsch gehst) nicht verlassen".
Das sagt sehrt viel aus, und es trifft auch zu. Gott hatte versprochen, dass Er mit dem jüdischen Volk auch mit im Exil sein wird.

Oder auch im persönlichen Leben, oft weiss man nicht, welche Abzweigung man gehen soll, aber Gott führt schlussendlich immer, denn Er ist treu.

Und so sind dann Übersetzungen sehr ideologisch und theologisch geprägt, und schon kleine Nuancen (wie du auch festgestellt hast) schon ein andere Richtung geben können.

Als Rabbinen dem Luther bei der Übersetzung helfen wollten, wollte er keine Hilfe, meinte, er könne das besser allein (zu Beginn nahm er sie zwar an, aber irgendwann kippte sein Inneres, da sie sich nicht bekehren liessen). Seine Hassreden sind ja bekannt.

Buber-Rosenzweig ist nicht so einfach zum Lesen, da er doch etliche neue Wortschöpfungen hervorbrachte. zB: ER der Umscharte für: JHWH Zebaoth. Wo er dann auf die Wortwurzel צָבָא (tsava') zurückgreift: (um sich) scharen, versammeln, eine Masse bilden. (Andere übersetzen: Schöpfungsscharen)
Hiob hat geschrieben: Sa 1. Mär 2025, 15:56 Persönlich meine ich, dass der jüdische Zugang authentischer ist als unser europäischer, welcher immer das Ich in den Vordergrund stellt. Wahrscheinlich ist dies ein Kollateralschaden aus der Aufklärung.
Die Tenach ist ein jüdisches Buch, und deshalb nachvollziehbar, dass Juden einen besseren Zugang haben, als wir mit Übersetzungen von Übersetzungen (meist von der LXX).

Die christlichen Kirchen wollte nichts mit Juden haben, hat sie seit dem 2. Jahrhundert verdrängt, ausgeschlossen, was sich dann im Konzil gipfelte:
(Konzil von Nicäa 325): "Denn es wäre außer jedem Maßstab ungebührlich, wenn wir in dem heiligsten aller Feste den Gewohnheiten der Juden nachfolgten. Lasst uns nichts gemeinsam haben mit dem abscheulichen Volk."
(und dies ist eine sanftere Version der Aussage, dabei wollte man auch Frauen keine Seele zuerkennen).

Und Lehren wie: (schon vor einer rKK mit der Eucharistie gängig waren)
„Jener Priester handelt wahrlich als Stellvertreter Christi, der das, was Christus getan hat, nachahmt und ein wahres und vollständiges Opfer Gott dem Vater in der Kirche darbringt.“ (Cyprrian um 250)

Oder das absolute autoritäre Verhalten (dem Paulus abgeschaut), resp. Unterwerfung:
„Folgt alle dem Bischof, wie Jesus Christus dem Vater...Wer ohne des Bischofs Wissen etwas tut, der dient dem Teufel“ (Ignatius, 100-150)

Es ist nicht so einfach, sich einen „jüdischen“ Zugang zur Tenach zu verschaffen, denn so manches „widerspricht“ oder stösst sich an der christlichen Tradition, wie und was in der Bibel zu verstehen ist. So selbst auch das NT in den synoptischen Evangelien. Da ist in manchem ein Umdenken angesagt, wenn ich schon nur an den „Sündenfall“ denke, oder an eine Opfertheologie.

Aber es ist so wie in deinem Beispiel mit der Wegkreuzung, will man zum Ursprünglichen zurück oder lebt man lieber in der Tradition?
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Da hat es die Wahrheit schwerer. Es gibt sie nur einmal. Wie soll sie sich vermehren?
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Re: Erkennen

Beitrag von Hiob »

Larson hat geschrieben: Sa 1. Mär 2025, 16:36 Aber es ist so wie in deinem Beispiel mit der Wegkreuzung, will man zum Ursprünglichen zurück oder lebt man lieber in der Tradition?
Und dazu wäre die Aussage nicht "Egal, was Du tust: Du hast entschieden und bist dafür verantwortlich", sondern "Wie finde ich heraus, was wahr ist?". Denn dies ist nun wirklich ein gutes Beispiel dafür, dass man NICHT mit dem Anspruch "meine Bibeltreue ist alternativlos" kommen kann, geht es doch darum, ob die jüdisch-christliche oder die griechisch-christliche Denkweise bibeltreuer ist. Das Problem: Egal, ob man sich an die eine oder an die andere Variante anhängt: Man kann immer sagen "Das Wort Gottes sagt". Nur sagt es halt gelegentlich geistig Unterschiedliches.
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Larson
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Re: Erkennen

Beitrag von Larson »

Hiob hat geschrieben: Sa 1. Mär 2025, 16:55 Man kann immer sagen "Das Wort Gottes sagt". Nur sagt es halt gelegentlich geistig Unterschiedliches.
So prägt und definiert die dahinterstehende Theologie, was das Wort sagen soll. Wenn ich zB an Jes 7,14ff und anderes denke, was daraus gemacht wurde, bis hin zur Gottesmutter. Oder im NT diese oft als solche bezeichneten Antithesen von Auge um Auge usw. da verstehen dann Juden selbst diese Texte besser als Christen.
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Re: Erkennen

Beitrag von Hiob »

Larson hat geschrieben: Sa 1. Mär 2025, 17:11 So prägt und definiert die dahinterstehende Theologie, was das Wort sagen soll.
Deshalb hat Karl Rahner bei seinem letzten großen Vortrag zu seinen Theologen-Kollegen gesagt: "Theologische Aussagen sind immer analog", also (vereinfacht) ein Gleichnis. Weiterhin ist ihm die Einsicht in die Selbst(!!!)mitteilung des göttlichen Geheimnisses der „innere“ (wie er es nennt) Grund der
Aufgeschlossenheit des Menschen für die Gnade Gottes. Würde man hier auf Rahner hören, wäre man der jüdischen Sichtweise bereits etwas näher.
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