Re: Was ist das Böse?
Verfasst: Fr 25. Apr 2014, 18:02
Das bezieht sich auf die Analytische Psychologie von Carl Gustav Jung und damit sind die verdrängten, unbewussten Persönlichkeitsanteile der Persona gemeint. Die Angst und die gesamte Triebnatur mit ihrer typischen Ambivalenz, alle unterdrückten Gefühle, Wünsche und Energien, die "abgespalten" oder verdrängt werden, weil sie in einen Konflikt mit der Gesellschaft (bei Freud das Über-Ich) und ihren Werten und Erwartungen geraten könnten. Die Aufgabe der Psychologie ist es für Jung darum, die Selbstwerdung oder Ganzwerdung des Menschen zu stärken und diese verdrängten Gefühlskomplexe sinnvoll zu integrieren.kamille hat geschrieben:Ja, so sagt man, aber was ist der "innere Schatten" ?
Ein ganz einfaches und klares Beispiel: die Moralvorstellungen einer Religion können zu so einer Verdrängung führen. Da die Persona (das bewusste, sich für einen Glauben entscheidende Ich) diesem Glauben gemäß leben will, wird alles, was im Widerspruch damit steht, möglicher Weise einfach unterdrückt. Das ist die Quelle der Doppelmoral, der Bigotterie und der Projektion der eigenen Ängste und destruktiven Energien auf Nichtglaubende, andere Religionen oder sogar Andersdenkende INNERHALB der eigenen Religion.
Die institutionalisierte Religion hat gerne "Mystiker" angegriffen, weil sie eine eigene Sprache gesprochen haben und die herrschenden Vorstellungen ihrer Zeit in Frage stellten - Leute deren Über-Ich übermächtig bzw. sadistisch-unterdrückend auf die eigene Persona einwirkt, werden selbst zu "autoritären Persönlichkeiten" (wie Erich Fromm richtig sagte), die wiederum dazu neigen andere zu unterdrücken, die dieses Über-Ich in Frage stellen. Jesus und Buddha repräsentieren hingegen das befreite Einssein des Selbst, den Menschen in seiner potentiellen Ganzheit (das Selbst ist das Einssein des "bewussten" Ichs mit dem Unbewussten, oder mehr spirituell gesprochen: von Mensch und Gott - Selbstverwirklichung, Buddhanatur, Christusbewusstsein - "der innere Christus").
Ein solcher Mensch schafft das für den Verstand unmögliche: er lebt völlig befreit von der äußeren Welt - lebt aus der inneren Quelle des eigenen Selbst-Bewusstseins - aber nicht gegen die äußere Welt, sondern im Frieden mit allem. Das ist für den herkömmlichen Verstand eine solche Unmöglichkeit, dass wir dieses Bewusstsein berechtigter Weise die Erleuchtung oder die Liebe Gottes nennen können ...