Helmuth hat geschrieben: ↑So 4. Sep 2022, 21:34
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: ↑So 4. Sep 2022, 20:48
Die Bibelstellen, auf die ich mich beziehe, sind dir sehr wohl bekannt.
Du überschätzt mich, denn Gedankenlesen kann ich nicht. Hättest du die Güte sie anzuführen und kurz zu kommentieren?
Du hast explizit nach Gedanken gefragt, und selber keine biblischen Referenzen angegeben. Meine Gedanken basieren zwar auf biblischen Zusammenhängen, aber sie lassen sich nicht auf einen einzigen oder wenige Bibelverse zurückführen, dass ich sagen könnte, da stehts genau so.
Es stellen sich uns Fragen, deren Antworten wir uns nur besser oder schlechter erschließen können. Wir konstruieren also alle unsere Theorien, die wir mit Bibelversen zu stützen versuchen, aber dabei aufpassen müssen, diese einerseits nicht gegen den Strich zu lesen, aber andererseits auch
In Römer 8,14 gibt es eine kurz aber prägnante Definition dessen, was Sohn Gottes bedeutet.
Römer 8,14 Denn so viele durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes.
ergänzend dazu
Johannes 1,12 so viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben,
13 welche nicht aus Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.
Nun ist es schriftlich unbezweifelbar so, dass außer Adam alle Menschen aus Menschen hervor gebracht wurden. Sogar Eva war ein Teil Adams (siehe auch 1. Korinther 11,8). Leugnet der Johannesprolog etwa diesen Umstand ? Es ist ja gerade nicht derart simpel zu erklären, dass alle Menschen als Kinder Gottes beschrieben werden, die ihr Dasein auf Gott zurück führen können. Es ist nicht diese Art von Schöpfung gemeint, wie sie in Genesis 1 beschrieben wird. Sowohl im Johannesprolog, wie auch bei Paulus in Römer 14 geht es um die Identität des Menschen, um die Persönlichkeit, die er wird. Der Mensch wird entweder Kind der Gesellschaft, in der er wohnt, als Rädchen im Getriebe von Kollektiven, Institutionen, Ritualen und Kulten. Oder er wird zu einem Menschen, den das früher oder später irgendwann völlig befremdet und nervt und er damit am liebsten gar nichts mehr zu tun hätte. Die Frage ist dann, wie konsequent er seiner Abneigung dann Ausdruck verleiht. Was macht Jesus zum Sohn Gottes ? Doch nicht, dass er keinen menschlichen biologischen Vater hatte. Es geht hier nicht um Status, Prestige oder Titel. Es geht allein darum, was Jesus tut.
Matthäus 7,21 Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr! wird in das Reich der Himmel eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist.
22 Viele werden an jenem Tage zu mir sagen: Herr, Herr! haben wir nicht durch deinen Namen geweissagt, und durch deinen Namen Dämonen ausgetrieben, und durch deinen Namen viele Wunderwerke getan?
23 und dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch niemals gekannt; weichet von mir, ihr Übeltäter!
Erinnert sei dabei auch an Moses Abkehr von Ägypten.
Hebräer 11,24 Durch Glauben weigerte sich Moses, als er groß geworden war, ein Sohn der Tochter Pharaos zu heißen,
25 und wählte lieber, mit dem Volke Gottes Ungemach zu leiden, als die zeitliche Ergötzung der Sünde zu haben,
26 indem er die Schmach des Christus für größeren Reichtum hielt als die Schätze Ägyptens; denn er schaute auf die Belohnung.
27 Durch Glauben verließ er Ägypten und fürchtete die Wut des Königs nicht; denn er hielt standhaft aus, als sähe er den Unsichtbaren
"Durch Glauben" meint hier folgerichtig nichts Anderes, als ein Sich-leiten-lassen durch den Geist Gottes. Die Schmach des Christus, diese ist wiederum konform mit Jesu Seligpreisungen an die Armen, Ausgegrenzten und Verfolgten (Matthäus 5,3-12 und Lukas 6,20-23).
Ganz Mensch sein im Sinne Gottes, ohne den ganzen traditionellen götzendienerischen Klimbim. Nicht zu verwechseln mit dem Unsinn von Rousseaus
Edlen Wilden, den er übrigens nie als historische Tatsache behauptete, denn der existierte empirsch auch nicht. Er spekulierte lediglich über ein rückprojiziertes Ideal, so hätte es gewesen sein können oder gewesen sein sollen. Biblisch betrachtet wären die Vorbilder für diesen Edlen Wilden, ursprünglich ja gar nicht so wild gewesen, sondern Nachkommen der Zerstreuung von Babel und somit höchstens irgendwann Verwilderte, aber nicht genuin Wilde.
Der Unterschied zwischen Ben Adam und Bar Enosch, der gerne mit dem Unterschied zwischen Hebrärisch und Aramäisch verwischt wird, muss einen anderen Grund haben. Enosch bedeutet nicht einfach nur Mensch, sondern leitet sich von der Bezeichnung für Mann (Strong #376
isch) ab und kommt im überwiegenden hebräischen Teil des AT unzählige Male vor. Es bezeichnet also speziell den männlichen Menschen, also den Mann (siehe oben, Johannes 1,13 dabei im Blick behalten!). Man kann auch sagen, dass hinter Bar Enosch eine patriarchale Denkweise steht. Aber ungeachtet aller modernen und sicher meist berechtigten Kritik am Patriarchat, geht es um die Norm der männlichen Erblinie die natürlich auch im Königtum Judas eine Rolle spielt, die auch biblisch betrachtet als rein soziales und normativ gesetztes Konstrukt bezeichnet werden kann, denn nach der Genesis war Eva die Mutter aller Lebendigen. Dem Lebendigen, das durch die Frau hervor gebracht wird und woran Gott ja trotzdem noch den größeren Anteil dran hat, wird der Wille des Mannes übergestülpt. Und zwar immer dann, wenn die Nachkommen dazu beitragen, dass die Gesellschaft im Wesentlichen so bleibt, wie sie war : Entfremdet von Gott ; Denn ein menschliches Königtum wollte ja Gott auch für Israel ursprünglich nicht, er hat lediglich vorher gesehen, dass Israel ein solches einst begehren würde.
Ben Adam meint den Menschen als Geschöpf Gottes, Enosch hingegen meint den Menschen als Kind und Produkt einer männlich bestimmten Gesellschaft. Der Bar Enosch aus Daniel 7, auf den sich Aussagen des NT ja mit dem Ausdruck Sohn des Menschen im Wesentlichen beziehen, kommt aus der königlichen Linie hervor, aber hat seine Herrschaft zunächst noch nicht endgültig angetreten (siehe auch Hebräer 2,8). Sie wird ihm dann gegeben, allerdings nach 1. Korinther 15,24-28 auch nur vorübergehend.
Sinnbildlich für das weltliche Patriarchat, dass Gott für Israel eingeschränkt hat, steht auch der Oikodespotes, im hebräischen wörtlich übersetzt mit Beel-Zebul, der Hausherr (Matthäus 10,25), Haustyrann oder feudalistische Großgrundeigentümer (die gab es auch in der Antike schon, wie man auch in Nehemia 5 lesen kann) im Gegensatz zur reinen Erbverwalterschaft des israelitischen Stammeseigentums.