Larson hat geschrieben: ↑Di 9. Apr 2024, 08:19Wie du sagst, es ist „Glaubenssache“, aber diese Erwartung auf das zukünftige Heil ist auch ohne diese christliche Messias-Ideologie möglich, ja sie legt sich eigentlich so in der Tenach dar.
Ja klar, es ist Glaubenssache, aber hier übersiehst du, dass die damaligen Anhänger auf die Reaktion ihres Gottes abzielten.
Es gab also den nachhaltigen Bedarf einer unmittelbaren Reaktion und dass es keine Reaktion gab, muss für diese Leute vernichtend gewesen sein.
Dass es im Judentum nach der apokalyptischen Zeit zu einer gewissen Anpassung der Messias-Behauptungen/-Erwartungen kam, ist verständlich, aber das betraf nicht die fanatischen Messias-Anhänger, sondern eher die Juden, die nicht teilgenommen hatten.
Die hatten natürlich auch grosse Verluste (Tempel, heiliges Land) und wurden letztlich vertrieben, aber sie haben nicht ihren Bezug zu ihrem Gott verloren, sie erwarteten keine Reaktion - die Fanatiker schon.
Für die fanatischen Messias-Anhänger muss die Aufarbeitung viel grundsätzlicher ausfallen, denn ihnen fehlt die erhoffte Reaktion Gottes.
In dieser Phase sehe ich die "Idee einer Jesus-Messias-Legende" aufkommen, die in Andeutung die bekannte Vergangenheit
aber auch die Reaktion Gottes enthält.
Das Christentum wäre damit für eine bestimmte Zielgruppe die Erklärung/Aufarbeitung der Vergangenheit, und zwar samt Zukunftshoffnung.
Unter den Flüchtlingen im Mittelmeerraum und unter den als Sklaven verkauften Messias-Anhängern könnte das herumgegangen sein, wie ein Lauffeuer.
Es gab im Mittelmeerraum quasi einen verteilten Nährboden für den Jesus-Glauben und dass es dann im Mittelmeerraum zu einem verstreuten Aufkommen von christlichen Gruppen kam, ist kaum verwunderlich.
Die "Paulus"-Figur wird wohl als so eine Art "Abstimmung zwischen den Gemeinden" angesehen und wenn man den losen Zusammenhang der "Paulus"-Texte mit den Evangelien betrachtet ("gestartet durch eine Vision"), dann hat es im Grunde auch nie jemand versteckt, dass es eine ideologische Entwicklung gab.
Larson hat geschrieben: ↑Di 9. Apr 2024, 08:19Eigentlich sollte man kritisch aufmerken, wenn sich Menschen dermassen auf den Gottesgeist berufen um ihre Ansichten zu verteidigen.
In der Vergangenheit haben solche Kritiker gerne mal gebrannt.
Das zeigt, wie dramatisch und radikal dieses Denken ist.
Ich sage nicht umsonst "die Christen sind die Erben der Zeloten" - da geht es durchaus auch um die radikale Komponente.
Hier im Forum ist mir die Aussage "Unterscheidung der Geister" aufgefallen und es wird wohl religiös als "besondere Gabe" betrachtet, zu erkennen, wann eine "göttliche Idee, göttliche Lenkung" vorliegt.
Im Volksmund ist diese Strategie schon lange eingegangen als "wenn es niemand war, dann war es halt der heilige Geist".
Wenn du dich in meine Perspektive hineinversetzt, ich hänge keiner Religion an, dann ist bereits der Begriff "Gott" (insbesondere der jüdisch/christliche Gott) der Anspruch, eine ganz besondere Idee zu haben.
Wenn dieser Anspruch erweitert wird auf "die Jesus-Idee kommt von Gott und damit ist sie Gott", dann ist da für mich keinerlei Sensation mehr - Motto: das Prinzip wurde ja schon eingeführt.
Mit dem Glaubenssprung, etwas ganz besonderes über den Hintergrund der Welt zu wissen, startet ein Möglichkeitsraum für viele Variationen, die je nach Bedarf als "schlüssig" verwaltet werden.
Larson hat geschrieben: ↑Di 9. Apr 2024, 08:19Diese christliche Messias-Opfer/Leidens-Ideologie ist nicht zwingend.
Für diejenigen, die in den damaligen Radikal-, Qual- und Martyriumsvorstellungen steckten, sehe ich das durchaus als den naheliegenden Schritt an.
Es gibt glaube ich auch heutige Christen, die "das irdische Leben" als quälerische, leidensvolle Vorbereitung für die spätere Erlösung begreifen wollen.
Larson hat geschrieben: ↑Di 9. Apr 2024, 08:19Deshalb schreib ich, dass es nicht zwingend ist, aus dem Messias einen Gott zu machen.
Das ist ungefähr so, wie wenn ich dir sage "deine Religion ist nicht zwingend".
Wenn du Bedarf nach deiner Religion hast, dann verändert sich die Bereitschaft etwas als "zwingend" anzusehen.
Es gibt wohl die Glaubenshaltung "alles, was den Glauben stützt, ist richtig".
Die Messias-Anhänger des ersten/zweiten Jahrhunderts waren am Boden, wie man vermutlich nicht stärker am Boden sein kann.
Die Erklärung/Neueinordnung der desaströsen Vergangenheit durch die Jesus-Legende, stärkt den Glauben bzw. lässt den Glauben überhaupt erst wieder aufkommen und ist damit für die Gläubigen das ultimativ Richtige, quasi direkt "die göttliche Reaktion".