Ja, es gibt verschiedene Annäherungen an die eine Wahrheit. Schon im Rigveda können wir diesen Satz lesen: „Das Sein der Wahrheit ist eines. Die Weisen benennen es nur mit verschiedenen Namen.“Spice hat geschrieben: ↑Fr 7. Jun 2019, 16:24Ja, kommen wir wieder zum Thema.
Da es nur eine Wahrheit gibt, müssen alle Religionen in einem gewissen Sinne, zumindest wenn sie zeitgeschichtlich einem bestimmten Entwicklungsstand der Menschheit entsprechen, miteinander übereinstimmen. Bei den ganz alten Religionen wird sich das schwer erweisen lassen. Aber bei denen der "neueren Zeit" ist das durchaus feststellbar. Zum Beispiel sind die Grundlagen, auf denen der Yoga betrieben wird, oder die Lehren des Buddhismus voll im Einklang mit dem christlichen Glauben, wie er von Jesus und den Aposteln verstanden wurde.
Ja sogar frühe Kirchenväter waren noch dieser Ansicht. Zum Beispiel Augustinus:
"Was man gegenwärtig die christliche Religion nennt, bestand schon bei den Alten und fehlte nicht in den Anfängen des Menschengeschlechtes und als Christus im Fleische erschien, erhielt die wahre Religion, die schon vorher vorhanden war, den Namen der christlichen." (Retractiones)

NOSTRA AETATEDie katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet. Unablässig aber verkündet sie und muß sie verkündigen Christus, der ist "der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh 14,6), in dem die Menschen die Fülle des religiösen Lebens finden, in dem Gott alles mit sich versöhnt hat
Die Intuition vieler Mensch, die Strahlen jener Wahrheit, die alle Menschen erleuchtet, auch in anderen Religionen erspürt, ist vollkommen richtig. Selbstverständlich! Jesus selbst sagte: „Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.“ (Mt 7,8) - weltweit haben die Menschen nach der Wahrheit gesucht und darum auch immer wieder Strahlen der Wahrheit empfangen. Ich wünsche mir ein Christentum, welches einerseits mutig genug ist an die Wahrheit der eigenen Religion zu glauben, aber andererseits auch demütig genug, um von den anderen Religionen zu lernen. Wahrheit ohne Liebe ist ebenso verkehrt, wie Liebe ohne Wahrheit. Das Besondere bei Christus ist für mich, dass in seiner Person Wahrheit und Liebe auf vollkommene Weise vereint sind. Durch ihn ist ein spiritueller Impuls in die Welt gekommen, der in der Zeit vor Christus noch nicht da war, auch wenn die Buddhisten und Hindus zweifellos einiges verstanden haben. Ich denke dabei an das Hohelied der Liebe.
Die Inder haben Jahrtausende nachgedacht, meditiert, die Wahrheit erforscht und sind dabei zu wichtigen Einsichten und Erkenntnissen gekommen, haben manchmal sogar eigene göttliche Offenbarungen empfangen, aber das ist eben nicht alles, nicht der Weisheit letzter Schluss. Vieles von dem, was der Buddhismus und Hinduismus lehren, sind nur „rätselhafte Umrisse“ und „Stückwerk“, aber noch nicht die Fülle der Wahrheit. Vor Christus sahen wir, die ganze Menschheit, selbst mit unsrer höchsten Weisheit nur rätselhafte Umrisse (wenngleich einiges davon schon sehr beachtlich istProphetisches Reden hat ein Ende,
Zungenrede verstummt,
Erkenntnis vergeht.
Denn Stückwerk ist unser Erkennen,
Stückwerk unser prophetisches Reden;
wenn aber das Vollendete kommt,
vergeht alles Stückwerk.
Als ich ein Kind war,
redete ich wie ein Kind,
dachte wie ein Kind
und urteilte wie ein Kind.
Als ich ein Mann wurde,
legte ich ab, was Kind an mir war.
Jetzt schauen wir in einen Spiegel
und sehen nur rätselhafte Umrisse,
dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht.
Jetzt erkenne ich unvollkommen,
dann aber werde ich durch und durch erkennen,
so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin.

Es ist ein Erwachen in den tiefsten Tiefen der Seele. Es ist eine Idee, die den Geist des Menschen überfällt und seinen Blick öffnet, so dass er das Leben anders sieht. (Die Stürme II, 264)