"Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

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stereotyp
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Re: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

Beitrag von stereotyp »

Spice hat geschrieben: Mi 8. Jan 2025, 07:59Christlicher Glaube IST Esoterik!
Was und für wen wäre dann eigentlich der exoterische Teil des "christlichen Glaubens"?
Kein Gefallen hat der Tor an Einsicht, sondern nur an der Entblößung seines Herzens.
Sprüche 18,2 (Elb)
rudolfer
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Re: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

Beitrag von rudolfer »

oTp hat geschrieben: Mi 8. Jan 2025, 15:41 Darüber, dass der Weg zu Gott sehr leidvoll dargestellt wird, darüber muss ich noch mehr nachdenken.
Du kannst Bücher zum Thema katholische Mystik aufschlagen bis hin zum 19. Jahrhundert. Auch wenn es sehr viele Variationen gibt, ist das Thema Leid, das Brechen des Eigentwillens und der geistliche Kampf das grundlegende Thema.
Du aber, Herr, bist ein Schild um mich herum, du erhebst mein Haupt, du richtest mich auf. Psalm 3,4.
rudolfer
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Re: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

Beitrag von rudolfer »

renato23 hat geschrieben: Mi 8. Jan 2025, 12:41 .Spice seine (die ich oft klar nachvollziehen kann und gewiss nicht abfällig als esoterisch benennen würde)
und die Ausführungen von Johncom finde ich meist sehr ähnlich mit meinen Empfindungen...
In meiner Wahrnehmung lebt ihr ja auch die moderne Esoterik. Gewiss mit manchem gnostischen Einschlang. Auch wenn es dir nicht passt, aber keinen von euch dreien würde ich als katholischen (christlichen) Mystiker identifiezieren. Und ich weis nicht was daran so schlimm ist.
Die Mystik war in der Zeit der Reformation identisch mit katholisch und wurde von der lutherischen Orthodoxie, der reformierten Kirche und deren Entwicklungen (Brüdergemeinden, Freikirchen u.a.) abgelehnt und als "mittelalterlich" wahrgenommen. Das war und ist christliche Mystik.

Warum musst du deine Mystik als christlich bezeichnen? Warum kannst du nicht mit der Bezeichnung Esoteriker leben?
Du aber, Herr, bist ein Schild um mich herum, du erhebst mein Haupt, du richtest mich auf. Psalm 3,4.
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Johncom
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Re: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

Beitrag von Johncom »

renato23 hat geschrieben: Mi 8. Jan 2025, 06:40
Ich schätze die Bücher von Anselm Grün sehr. "Das kleine Buch vom wahren Glück" "Einfach Leben" usw. Neu in der Sammlung ist "Jesus als Therapeut" Hier habe ich noch einen Link, passend zum Eingangsthema. Anselm Grün: Einführung in die christliche Mystik

https://www.sonntagsblatt.de/artikel/sp ... che-mystik

Aus Anselm Grüns Artikel:
Für Rahner bedeutet Mystik letztlich: Gott, das unbegreifliche Geheimnis erfahren. Ich erfahre Gott in den alltäglichen Begegnungen mit Menschen, in der Treue des Alltags, aber auch in besonderen Transzendenzerlebnissen, die ich in der Stille, in der Meditation, im Gottesdienst, in der Natur machen darf.

Und ich erfahre Gott nicht nur außen, sondern auch innen. Gott ist mir innerlicher als ich selbst, hat Augustinus gesagt. Für die Kirchenväter der frühen Kirche ist es klar, dass Gott in uns wohnt. Und dort, wo Gott in uns wohnt, kommen wir in Berührung mit dem wahren Selbst.
Moment mal, ein wahres Selbst? In der Sprache des Mittelalters war das Wort nicht so gebräulich. Aber Gottesfunke wurde verstanden. Es gibt also auch "in mir" ein wahres Selbst. Und Gott wohnt in uns. In der strengen Bibel-Auslegung wird die Unschuld des Menschen meistens überdeckt von der furchtbaren Sündhaftigkeit. Aber die wird meines Wissens nach in der Mystik nicht ignoriert, sondern durchaus erkannt. Es kommt zur Reue und der Bitte, dass sie genommen wird. Wer Gott vertraut, weiß dass besonders dieser Bitte nachgekommen wird.

Der Begriff der Gelassenheit war zentral in Eckharts Predigten. Aus dem wahren Selbst leben, die Sünde erkennen und lassen.
rudolfer
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Re: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

Beitrag von rudolfer »

Johncom hat geschrieben: Do 9. Jan 2025, 00:24 Aber Gottesfunke wurde verstanden
Von wem?

Anselm Grün und seine Benediktiner Abtei, Hugo Lasalle und seine katholische Zen-Lehre (und viele andere) sind natürlich vorhanden, aber eben nicht "mittelalterlich" - warum dieses Bedürfnis unbedingt christlich zu sein, wenn man doch eigentlich einfach nur ein moderner Esoteriker ist?

Wir haben in den katholische Orden und deren Öffnung für die östliche Mystik ein Phänomen dass sich vor allem aus Erhaltung und Einnahmen rechtfertigt und völlig in Ordnung ist.
Ignatische Exerzitien sind nicht so Publikumswirksam wir die Seminare von Anselm Grün oder christlichen Zen. Sie gehören zur Neuzeit und sind ein Teil der Öffnung für das reale Bedürfnis nach Transendenz - aber es sind eben Öffnungen bedingt durch den Zeitgeist
Du aber, Herr, bist ein Schild um mich herum, du erhebst mein Haupt, du richtest mich auf. Psalm 3,4.
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Johncom
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Re: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

Beitrag von Johncom »

Wer einen Geschmack bekommen will von mystisch ausgerichteter Liturgie und meditativem Gottesdienst, der kann in Taize, Frankreich, ein paar Tage verbringen. Eine Bruderschaft, Mönche mit katholischer, anglikanischer und evangelischer Herkunft.
:arrow: https://www.taize.fr/de

Das Teilnehmen ist jedem gestattet, aber besonders Jugendgruppen kommen zu riesigen Zeltlagern, und für alle "über 30" gibt es weitere Übernachtungsmöglichkeiten in der Gegend.
War selber dort, ewig lang her. Kirche ist 3 mal täglich, es gibt auch Bibel-Gespräche, die Laien anbieten können. Die Brüder dieses Ordens gestalten die Messen, stehen zur Beichte zur Verfügung, jede Teilnahme ist freiwillig.

Eine kleine Zusammenstellung der in Taize entstandenen Lieder (lateinisch, englisch ... alle Sprachen) ist hier




hochgeladen worden. Eins nach dem anderen, zwischendurch immer wieder Minuten der Stille.
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Re: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

Beitrag von Johncom »

rudolfer hat geschrieben: Mi 8. Jan 2025, 10:38
Johncom hat geschrieben: Mi 8. Jan 2025, 00:15 Auch Jesus war nicht konform mit der jüdischen Lehre. Die Katholische Kirche ist in vielem nicht konform mit der evangelischen Lehre.
Falls es mal jemanden auffällt: Ich argumentiere in Normalfall immer aus Sicht eines Katholiken
Ist ja ganz in Ordnung so.
Nur dass sich Gott nie als Katholik geoutet hätte. Auch nicht als lutheranisch. Die Mystik überschreitet Grenzen, auch die der Konfessionen. Ja sicher gibt es eine katholische Mystik, also im katholischen Umfeld Raum entsprungen. Und die hatte immer den unfassbaren Gott vor Augen. Nicht die gerade klerikal definierte Vorstellung. In vielen Fällen erlebten katholische Mystiker den Konflikt mit der Glaubens-Obrigkeit.

Jesus verstarb unter dem Konflikt mit der Obrigkeit seiner Zeit. Er und die Lehre sind wieder auferstanden. Alle Obrigkeiten gehen, die Wahrheit bleibt. Auch das Katholische wird mal Geschichte sein. Das Wahre lässt sich nicht "auf ewig" ans Kreuz nageln. Es wieder-aufersteht jedesmal neu.
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Re: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

Beitrag von Johncom »

renato23 hat geschrieben: Mi 8. Jan 2025, 06:40
Im Zusammenhang mit dem Evangelium vom Reich Gottes machte Jesus die Gültigkeit bisheriger Gesetze und Propheten von nurmehr gelebter Liebe abhängig.
Mt 22,40 In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.
Er kam nicht um "aufzulösen" sondern im göttlichem Auftrag, sie zu relativieren zu Gunsten mehr Menschlichkeit reformieren

Wobei dieses "mehr Menschlichkeit" vielleicht auch meint "mehr Göttlichkeit". Der andere und ich sind im inneren Wesen derselbe: was ich ihm antue, das tue ich mir selber an. Im Guten wie im Bösen.

Im Grunde lehrte der Buddha sehr ähnlich, was erst in der Neuzeit erkannt wird, in der jeder alle Schriften nachlesen kann. Mystiker dort, hier, auch im Islam sind mit beschränktem Schrift-Zugang immer wieder zu ähnlicher Erkenntnis gekommen. Was die religiös Herrschenden in Verlegenheit brachte. Denn ihr Auftrag war das Verkünden: nur hier bei uns ist das Heil.

Das Beispiel eines (islamischen) Erkenners:
Ich versuchte, ihn zu finden am Kreuz der Christen, aber er war nicht dort. Ich ging zu den Tempeln der Hindus und zu den alten Pagoden, aber ich konnte nirgendwo eine Spur von ihm finden. Ich suchte ihn in den Bergen und Tälern, aber weder in der Höhe noch in der Tiefe sah ich mich imstande, ihn zu finden. Ich ging zur Kaaba in Mekka, aber dort war er auch nicht. Ich befragte die Gelehrten und Philosophen, aber er war jenseits ihres Verstehens. Ich prüfte mein Herz, und dort verweilte er, als ich ihn sah. Er ist nirgends sonst zu finden.
https://www.aphorismen.de/suche?f_autor=3231_Rumi
Gott finden, da müssen wir ins selbst suchen, so fand es Rumi. (Mittelalter, mittlerer Osten)
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Re: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

Beitrag von oTp »

Manches was sich toll anhört, ist eigentlich eine Binsenweisheit.

Unser Geist ist nun mal innen. Was wir wahrnehmen von Gott, nehmen wir in uns wahr.
Du darfst nicht alles glauben, was du denkst
Spice
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Re: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

Beitrag von Spice »

stereotyp hat geschrieben: Mi 8. Jan 2025, 19:21
Spice hat geschrieben: Mi 8. Jan 2025, 07:59Christlicher Glaube IST Esoterik!
Was und für wen wäre dann eigentlich der exoterische Teil des "christlichen Glaubens"?
Für die naturgemäss in spiritueller Hinsicht ungebildeten Bibelleser, also die Anfänger im Glauben, die solche bleiben, wenn sie nicht richtig unterwiesen werden.
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