Guten Abend!
sonja-marion hat geschrieben:
Der allmächtige Gott, an den Juden, Christen und Muslime glauben, braucht nicht uns Menschen, um seine Macht, Weisheit und Wahrheit durchzusetzen. Und: wenn er denn allmächtig ist – und daran glauben wir, dann gibt es auch die jeweils anderen Religionen nicht ohne, dass er das zulässt. Also können wir mit einer gewissen Gelassenheit damit umgehen, dass es neben unserem Glauben noch andere Religionen gibt – ebenfalls mit dem Anspruch, die Wahrheit Gottes zu besitzen.
Und so können wir auch im respektvollen und toleranten Umgang miteinander Gemeinsamkeiten entdecken und vieles am anderen Glauben würdigen und kennenlernen – ich spreche hier ausdrücklich nicht von annehmen.
Weise Worte!
Ich würde sogar soweit gehen, zu sagen, dass allein Gott Anspruch darauf hat, die "Wahrheit Gottes" zu besitzen.
Uns Menschen bleibt nur, im Sinne der Lessingschen Ringparabel, "die Kraft des Steins in seinem Ring an Tag zu legen".
Wie du ja schriebst:
, dass wir zusammen für ein friedliches Zusammenleben eintreten und friedlich miteinander um die Wahrheit und die Liebe wetteifern, bis Gott einmal endgültig die letzte Wahrheit enthüllen wird.
sonja-marion hat geschrieben: mit dem sufistischen dhikir??/zikr?? (Hilfe @novalis, wie heißt es nun genau)
Beides ist richtig, beides sind Versuche, das Wort ذكر aus dem arabischen Alphabet ins lateinische zu transkribieren. Das arabische Alphabet hat allerdings ein paar mehr Konsonanten als das lateinische, und einen internationalen Standard der Transkription gibt es nicht, dadurch die Abweichungen.
Auf deutsch lässt sich das Wort am ehesten als "si-kr" transkribieren. Das "s" ist ein ganz weiches, summendes, stimmhaftes "sss", man lässt die Zungen ganz nah hinter den Zähnen, wie beim "d". Das "i" ist kurz, wie im deutschen Wort "Mitte". Die zweite Silbe, "kr", könnte man auch mit "kir" oder "ker" transkribieren, aber der Vokal ist so kurz und unbetont, dass man ihn kaum hört.
Ich denke übrigens auch, dass in den Namen Gottes eine Kraft innewohnt, und dass wir diese Kraft im Gebet erfahren können. Ein Name ist ein starkes Symbol, ein Fokus, eine "Anrufung" im ganz wörtlichen Sinne. Selbst wenn diese Anrufung von Gott nicht direkt beantwortet wird, so hat sie dennoch einen unmittelbaren Effekt im Geist der Gläubigen, der sich durch den Namen konzentriert, sammelt, auf die Gottheit hinwendet.
Sowohl das Jesusgebet als auch das sikr der Sufis würde ich als eine Art dieser Hinwendung verstehen, die sich in eine Art Meditation oder Trance steigert... allerdings muss ich zugeben, dass ich von keinem von beiden wirklich Ahnung habe, das ist nur mein Eindruck.
In meiner Tradition würde ich weniger die ständige Wiederholung des Namens nutzen, sondern eher eine der Hymnen, welche die Namen, Ehrentitel und Eigenschaften der Gottheit in vielen Facetten aufzählen. Aber das ist eine spezifische Eigenschaft meiner Religion, die sich dem Göttlichen über eine möglichst weite und vielfältige Palette von Namen anzunähern versucht.
Andererseits, die Vielzahl der Namen Gottes gibt es im Koran ja auch, oder Novalis?
Würdet ihr hier im Christentum ebenfalls Parallelen sehen? Gibt es hier auch eine gewisse Bandbreite an Beinamen und Anredeformen für Gott? Ich komme auf Herr, Vater, guter Hirte... allerdings gehen mir dann schon die Ideen aus.
Und dann gibt es bei Christen und Juden ja noch die Frage, ob man Gott überhaupt bei einem Namen nennen darf (Jahwe, Jehova).
Wie siehst du das mit den Namen, Sonia-Marion? Eine gute und legitime Art der Anrufung und Annäherung an Gott? Oder eine Anmaßung, da der Name Gottes zu heilig ist, oder weil Gott zu groß ist, um sich in einem Namen erfassen zu lassen?
sonja-marion hat geschrieben: Glauben ist eine „Abenteuerreise“ von der Erde zum Himmel und wieder zurück in die tiefsten Tiefen unserer Seele um dort den eigenen Zufluchtsort und Ausgangspunkt zu finden und daheim zu sein -
und am Ende der Reise zu erkennen, dass Startpunkt und Ziel identisch sind.
Dazu gehört der Mut, die zartesten Antennen der Seele auszufahren, der Mut zu religiöser Empfindsamkeit und Empfänglichkeit - der Spaß und die Lust daran subjektive Erfahrungen zu machen und das eigene Leben und die eigenen Glaubenserfahrungen durcheinander zu wirbeln. Erfahrungen, die zur Fülle und Befreiung der Kinder des Einen führen. Erfahrungen, die inspirieren und zu einem vollen, freien und weisen Leben verhelfen. Erfahrungen, die Menschen wachsen lassen und dazu helfen, die Liebe des Einen in Gnade anzunehmen und weiterzugeben.
Das hast du wunderschön gesagt
Genau so ist es. Ich glaube zwar nicht an den "Einen", aber vielleicht ist das am Ende auch nur ein oberflächlicher Unterschied. Denn ja, es gehört Mut dazu, wenn man sich hinaus wagt aus der Sicherheit und Bequemlichkeit des Alltags, um sich auf diese Abenteuerreise zu begeben.
Es braucht Mut und eine Art unstillbarer Neugier, eines religiösen "Forscherdrangs", wenn man ernsthaft nach dem Sinn des Lebens fragt, nach dem woher und wohin des Menschen. Denn man könnte an dem Leid in der Welt, und an der eigenen Schwäche und den eigenen Fehlern nur allzu leicht verzweifeln, oder nicht?
Doch wenn man sich trotzdem hinaus wagt - und den Menschen scheint dieser Drang angeboren - so findet man sich vielleicht ganz unerwartet tief und sicher geborgen in der Hand des Gottes.
Und dann ist da noch die Herausforderung, die Antworten, die man erhält, auch ernst zu nehmen und anzunehmen im eigenen Leben. Auch wenn sie manchmal unbequem sind und dich fordern dich zu ändern, zu streben, zu wachsen.
liebe Grüße
Mirjam