frank hat geschrieben: ↑Mo 24. Okt 2022, 10:49
Ich habe auch eine Menge an Fachliteratur - und das man heute (mit Fachliteratur) noch der Meinung sein kann, das Jesus nicht aramäisch sprach ist mir ein Rätzel.
Die Frage ist nicht, ob Jesus aramäisch sprach oder nicht. Indizien dafür gibt es im NT schon, wenn seine Aussagen von einer semitischen Sprache griechisch transkribiert werden. Da sehe ich persönlich noch keine Beweise dafür, dass es sich hier um Aramäisch handeln muss und entsprechend keinesfalls um Hebräisch handeln kann. Die Transkribierung des
Gehörten könnte hier für eine Lautverschiebung gesorgt haben. Und wie ich schon erwähnte, explizit wird die Benutzung des Aramäischen im NT nirgendwo bestätigt, die des Hebräischen dagegen schon. Daher ist es schon zweifelhaft, dass es sich bei Jesu semitische Worten tatsächlich um Aramäisch und nicht doch um Hebräisch handelt.
Und noch mal zur Wiederholung : Da Aramäisch und Hebräisch keine zwei völlig verschiedenen Sprachen sind, sondern es sich nur um unterschiedliche Dialekte einer semitischen Sprache handelt, könnte man meinen, dass die Autoren, wenn sie die Verwendung des Hebräischen explizit hervor heben, es synonym für Aramäisch meinen. Dass dies so sei, kann aber deswegen bezweifelt werden, weil auch im AT zwischen hebräischer und aramäischer Mundart unterschieden wird : Siehe 2. Könige 18,26 ; Jesaja 36,11 ; Esra 4,7 ; Daniel 2,4
Der Unterschiede aber auch der Gemeinsamkeiten war man sich immer bewusst, und dass dies zu Missverständnissen führen konnte.
Aber angenommen, dass es sich um Aramäisch handelt. Das sagt doch noch lange nichts darüber aus, dass er nur, zu jeder Zeit und an jedem Ort, aramäisch sprach und nie griechisch oder hebräisch. Dass er zum gewöhnlichen Volk im galiläischen Raum aramäisch oder griechisch sprach, kann ich mir sogar sehr gut vorstellen. Zu den Gelehrten und vor allem in Jerusalem wird er aber mit Sicherheit hebräisch gesprochen haben.
Also noch mal : Die Frage ist nicht so sehr, ob er überhaupt aramäisch sprach, sondern eigentlich die : Wieso soll er kein hebräisch gesprochen haben ? Wieso wollen einige das so kategorisch ausschließen ? Wir müssen also deine mit dem Vorwurf der Ideologie konnotierte Frage viel mehr umkehren.
Und auch wiederholt : Von der aramäischen Mundart hin zu einer durch und durch aramäischen charakterlichen und kulturellen Prägung einer Person, ist es ein sehr weiter Weg.
Der Bezug zur aramäischen Sprache dient hier lediglich als Vorwand, einer neuartigen als quasi subversiv zu verstehen wollenden Interpretation von Jesu Worten eine Legitimation mit dem Argument des Althergebrachten zu geben.
frank hat geschrieben: ↑Mo 24. Okt 2022, 10:49Auf welche Fachliteratur beziehen sich deine Aussagen?
U.A.
Victor, Thiede, Stingelin - Antike Kultur und Neues Testament, S.191
Aland, Aland - Der Text des Neuen Testaments, S.61
Martin Heide - Der einzig wahre Bibeltext S.117 ff
Da steht allerdings nirgendwo, dass Jesus kein Aramäisch sprach. Wie gesagt, das ist nicht der Punkt.
Der Punkt ist der, dass die vorhandenen Quelltexte allesamt in griechischer Sprache vorliegen. Die aramäische Version ist eine spätere Übersetzung. Und selbst wenn wir mal voraussetzen, dass die Evangelien tatsächlich ursprünglich in aramäischer Sprache geschrieben wurden, so wäre die Peschitta trotzdem eine Übersetzung von griechischen Vorlagen, die nicht mal im Detail einer unterstellten ursprünglichen aramäischen Version entsprechen müsste. Und laut Eusebius hatte Papias gesagt, dass das Matthäusevangelium ursprünglich hebräisch war.
frank hat geschrieben: ↑Mo 24. Okt 2022, 10:49
Als galiläischer Jude sprach Jesus im Alltag das westliche Aramäisch. Das bestätigen einige aramäische Jesuszitate im NT. Ob man griechische Ausdrücke und Redewendungen ins Aramäische zurück übersetzen kann, ist seit Joachim Jeremias ein wichtiges Kriterium, mögliche authentische Jesusworte von urchristlicher Deutung zu unterscheiden.[39]
Wenn du der Fußnote mal nachgehst, und das hat offenbart der Autor des Wikipedia Artikels hier nicht sorgfältig gemacht, dann gelangt man auf Seite 35 des Buches von Guido Balthes nicht nur zu den Aussagen von Joachim Jeremias, welcher sich der Ansicht von Birkland und (oder) Grintz anschloss,
"dass Aramäisch, und nur Aramäisch die Sprache Jesus gewesen sein kann, hält er für ein Forchungsergebnis, das „nicht mehr angezweifelt werden kann.“"
Der Autor Guido Balthes bezieht sich auf die Aussagen von Joachim Jeremias im Kontext einer ideengeschichtlichen Rekonstruktion. Er teilt aber seine Ansicht nicht, denn in Fußnot 97 auf der gleichen Seite widerspricht er ihm bezügliches eines Vorranges des Aramäischen explizit und erklärt das für unhaltbar.
frank hat geschrieben: ↑Mo 24. Okt 2022, 10:49
Das biblische Hebräisch wurde in Palästina zur Zeit Jesu kaum noch gesprochen. Er kann es dennoch beherrscht haben, da er den Tanach laut NT gut kannte und in den Synagogen Galiläas vorlas und auslegte. Er kann Bibeltexte auch aus aramäischen Übersetzungen (Targumim) kennengelernt haben.[40] Ob er die griechische Koine sprechen konnte, die damals Verkehrssprache im Osten des Römischen Reichs war, ist wegen fehlender direkter NT-Belege ungewiss.
https://de.wikipedia.org/wiki/Jesus_von_Nazaret
Palästina ist groß. Ein biblisches Hebräisch wird wahrscheinlich bezogen auf diesen Gesamtraum nie die vorherrschende Sprache gewesen sein. Es geht bei unserer Betrachtung vor allem um den judäischen Raum, den man noch mal vom galiläischen unterscheiden muss. Das mit den Targumim ist reine Spekulation. Die gab es zwar sehr wahrscheinlich zu der Zeit, aber ob sie in der offiziellen Liturgie auch verwendet wurden, kann durchaus angezweifelt werden. Weder die Priester, noch die Pharisäer und Schriftgelehrten kommen als ihre Befürworter in Frage (siehe Alexander Achilles Fischer - Der Text des Alten Testaments, S.159)
frank hat geschrieben: ↑Mo 24. Okt 2022, 10:49
Ich denke schon dass ein Jude seine heiligen Schriften durch seine jüdische Brille sehen darf - ohne dabei ideologisch auf Abwegen zu geraten oder oberflächlich zu sein
Natürlich darf ein Jude seine heiligen Schriften durch seine Brille lesen. Der jüdische Glauben bildet sich ja nicht auf Basis wissenschaftlicher Argumente und Erkenntnisse, sondern durch die gesamte überlieferte Tradition. Das ist beim christlichen Glauben ähnlich. Wissenschaftliche Betrachtungen sind da sehr viel differenzierter und kommen zu anderen Ergebnissen, die aber deswegen auch nicht über alle Zweifel erhaben sein müssen.