Andreas hat geschrieben:Mt 7,1-5 hat geschrieben:Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden. Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! - und dabei steckt in deinem Auge ein Balken? Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du versuchen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen.
Joh 8,7 hat geschrieben:Wer unter euch ohne Lüge ist, der werfe den ersten Stein auf sie.
Alle Religionen lehren, dass wir einander lieben und unsere eigenen Fehler herausfinden sollten, bevor wir uns erkühnen, die Fehler anderer zu verdammen. Die Lüge (oder etwas diplomatischer gesprochen Unwissenheit oder Denkfehler) beginnt schon damit, dass verallgemeinernd von „dem“ Islam und „den“ Muslimen gesprochen wird, denn es gibt verschiedene Strömungen und Auslegungen. Wir haben es hier mit keiner homogenen Gruppe von gleichgeschalteten Menschen zu tun. Manche denken sehr fortschrittlich und legen ihren Glauben auf der Höhe der Zeit aus. Das ist erst mal die Basis, wenn man sich wirklich konstruktiv über diese Religion unterhalten möchte. Ich erinnere immer wieder gerne daran, dass der Koran mit diesen Worten beginnt:
24:1 Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen
Wenn das Buch so beginnt, dann ist auch klar, welche theologische Prämisse diesem Werk zugrunde liegt. Noch deutlicher wird das, wenn man bedenkt, dass in der islamischen Theologie Gott als Allbarmherziger [ar-rahim, الرحيم] verstanden wird (ein ganz wichtiger Bestandteil der Lehre der schönsten Namen, arabisch „Asmāʾu ’llāhi ’l-ḥusnā“). Seine Barmherzigkeit bezieht sich also nicht nur auf eine kleine Gruppe von Menschen, ein auserwähltes Volk oder eine kleine christliche Sekte, während alles andere verschmäht wird, sondern die göttliche Barmherzigkeit umfasst die gesamte Schöpfung, alle menschlichen Wesen und nichtmenschlichen Lebensformen, sie ist absolut:
„Und meine Barmherzigkeit umfaßt alle Dinge“ (Koran 7,156)
Alle Dinge im sichtbaren und unsichtbaren Bereich. Wenn es in anderen Sonnensystemen Lebensformen und Evolution gibt, was für uns heute noch nicht sichtbar ist, aber dennoch eine Realität sein kann und von vielen modernen Wissenschaftlern für sehr wahrscheinlich gehalten wird, dann partizipieren auch diese an der allumfassenden und immerwährenden Liebe des einen unendlichen Schöpfers. Das ist eine vernünftige Grundlage für jede Theologie, weil sie nichts und niemanden ausgrenzt. Sie ist universal. Gleich in der ersten Sure al-Fatiha (Die Eröffnende) heißt es:
(Alles) Lob gehört Allah, dem Herrn der Welten
Das ist schon eine bemerkenswerte Aussage, dass hier sofort in der Mehrzahl gesprochen wird. Der Koran hat also von vornherein das gesamte Universum (von lateinisch universus „
gesamt“) im Blick, das große Ganze, nicht nur einen fragmentarischen Ausschnitt. Ich wage zu behaupten, dass dieser Blick ins Universale in der Zeit der Globalisierung, einer zunehmenden planetarischen Vernetzung und Vereinheitlichung, mit all ihren Licht- und Schattenseiten immer wichtiger wird. Was ist das Verbindende und Gemeinsame? Das ist eine relevante Frage. Es gibt Menschen, die diese Frage stellen und dann solche Bücher schreiben:
God of Love: A Guide to the Heart of Judaism, Christianity and Islam
Gott der Liebe ist Mirabai Starrs leidenschaftliche und persönliche Erforschung der zusammenhängenden Weisheit der drei abrahamitischen Glaubensrichtungen. Sie teilt einen Überblick über wesentliche Lehren, Geschichten von Heiligen und spirituellen Meistern, prophetische Forderungen nach Frieden und Gerechtigkeit und zum ersten Mal im Druck tiefgreifende Erzählungen aus ihren eigenen spirituellen Erfahrungen. Sie leitet die Leser, um die Lehren und Praktiken zu erkennen, welche die drei Religionen teilen, die interspirituale Perspektive beleuchten, die das Göttliche auf allen Wegen feiert. Es ist Mirabais Hoffnung, dass dieses Buch als Erinnerung dienen wird, dass eine Widmung für die Liebeskindheit der höchste Ausdruck des Glaubens für alle drei Religionen ist.
https://www.amazon.de/God-Love-Guide-Ju ... od+is+love
Ich sehe es so, dass die Zukunft aller Weltreligionen in der verbindenden Botschaft liegt. In der universalen Blickrichtung, wie sie die verschiedenen Propheten, Mystiker und Heiligen immer wieder gewagt haben. Mit dem Unterschied aber, dass heute davon das Überleben der Menschheit abhängt. In einer Zeit, in der Medientheoretiker wie Marshall McLuhan die Welt als Globales Dorf bezeichnen (Global Village) wird das immer wichtiger. Jede Religion, die sich dem verschließt und stattdessen ins Fundamentalistische verfällt und unnötige Trennwände errichtet, wird von der geistig vorwärts schreitenden Menschheit abgeschüttelt werden. Das ist meine Prognose für die nahe Zukunft. Da ich mir eine Zukunft ohne Religion aber nicht vorstellen kann, gehe ich davon aus, dass sich die Menschheit zunehmend zu einer
interspiritualen Perspektive durchringen wird. Ich glaube inzwischen, dass die Menschheit diese Lektion lernt oder sich selbst vernichten wird. Das ist übrigens auch meine persönliche Motivation, weshalb ich nach einem tieferen Verständnis des Anderen strebe.
Nicht utopistische Sozialromantik, sondern glasklarer Realismus leitet mich:
Bewusstseinssprung oder Selbstvernichtung
das sind die Optionen der Menschheit. Ich habe mich entschieden, welche Option ich bevorzuge
ein wirklich schönes Buch zu diesem Thema:
Eine neue Erde: Bewusstseinssprung oder Selbstzerstörung von Eckhart Tolle. Das ist wohl schon ein Klassiker der modernen Weisheitsliteratur. Es ist an der Zeit, dass wir die Zeichen der Zeit erkennen und die bisherigen Grenzziehungen überschreiten. In der Vergangenheit mögen sie hilfreich gewesen sein, aber wir leben in einem vollkommen neuen Zeitalter. Hier und heute sind sie nur noch ein Klotz am Bein der Menschheit. So gesehen haben die New Atheists/Brights durchaus eine Teilwahrheit erkannt: die Religion muss sich weiter entwickeln, wenn sie mit der Wissenschaft auf Augenhöhe bleiben will. In dieser Hinsicht haben Richard Dawkins, Sam Harris und Christopher Hitchens vollkommen Recht. Leider bleiben sie dann bei einem Atheismus stehen, der ebenfalls unnötige Trennwände errichtet. Irgendwie ein Selbstwiderspruch, wenn sie „die“ Religion (die es als Abstraktion, als Ding an sich unabhängig vom menschlichen Leben und Bewusstsein gar nicht gibt) dafür kritisieren. Lange Rede kurzer Sinn:
eine Bewusstseinserweiterung ist notwendig.
Eine Bewusstseinserweiterung von solchem umfassenden, nie da gewesenen Ausmaße, dass ich wirklich unsicher bin ob ich daran glauben könnte, wenn ich nicht ein solch tiefgreifendes Gottvertrauen besitzen würde, wie es mir zum Glück gegeben ist. Dieses neue Bewusstsein beginnt bei der Sprache, denn die Sprache ist das Haus des Menschseins, wie mal Martin Heidegger richtig sagte. Warum trennen wir noch sprachlich „den Westen“ von „der islamischen Welt“, obwohl die Erde ein Land ist? Ein Land, welches wir im Zeitalter der Raumfahrt, als eine zusammenhängende Einheit überschauen können. Wir reden leider immer noch so, als wären der Orient und Okzident zwei verschiedene Welten.
Ich halte es mit diesem Ratschlag des West-Östlichen Diwan:
Wer sich selbst und andere kennt,: Wird auch hier erkennen: Orient und Okzident: Sind nicht mehr zu trennen.
~ Johann Wolfgang von Goethe