Weltreligion Islam: Ist eine grundlegende Reform möglich?

Judentum, Islam, Hinduismus, Brahmanismus, Buddhismus,
west-östliche Weisheitslehre
Benutzeravatar
Andreas
Beiträge: 4270
Registriert: So 21. Apr 2013, 19:15

Re: Weltreligion Islam: Ist eine grundlegende Reform möglich?

Beitrag von Andreas »

Was "uns" das sagt weiß ich nicht. Für mich sind das nur Beispiele dafür, dass jede Idee, welche die Würde des Menschen antastet schon Gewalt ist. Die Würde des Menschen fängt bei der Gesundheit jedes einzelnen an und Gesundheit ist kein statistischer Wert sondern ein tatsächlicher Wert. Das heißt konkret mindestens: Deckung der primären Grundbedürfnisse Luft, Wärme (Kleidung, Obdach und Energie), Wasser, Nahrung - und das nicht nur als ein moralisch-ethisches "Recht" darauf, als "Chance" oder "prinzipielle Möglichkeit" die jedem zustehen "Würde", sondern als bereits verwirklichte, eben menschenwürdige Tatsache. Dazu braucht es das, was man "kritische Infrastrukturen" nennt. Zu den kritischen Infrastrukturen gehören noch ein paar andere Dinge, aber zu kompliziert will ich es hier nicht machen.

Es gibt leider eine Menge von Ideen, welche die Würde des Menschen antasten indem sie die Deckung der oben genannten Grundbedürfnisse vieler Menschen verhindern: Eigentum und Grundbesitz im weitesten Sinne, nicht nur beim Großreich Israel, Gods old Country ("Amerika first") oder Deutsch-Land, Patriotismus ist so eine Idee. Kapitalismus (exponentielles Wirtschaftswachstum zur Sicherung meines Wohlstands gegen die "Würde" der Notleidenden, meine Konkurrenzfähig auf dem Weltmarkt und damit die Konkurrenz-UN-Fähigkeit der anderen, exponentieller Zinseszins, Schuldgeldsystem sind auch solche menschenunwürdigen Ideen - weil all diese Ideen die kritischen Infrastrukturen "Privatisieren" (Privat von lat. privatus, PPP von privare, "abgesondert, beraubt, getrennt"). Der einzig legitime Profit (Profit von lat. profectus „Fortgang, Zunahme, Vorteil“) aus kritischen Infrastrukturen darf nichts als die Menschenwürde in Form gedeckter Grundbedürfnisse von Menschen sein - kein Shareholder Value, kein Marktwert eines Unternehmens oder sonstiger geldlicher Vorteil von einigen.

Das sind die Minimalstforderungen menschlicher Liebe, der jede Religionsform, jede Ideologie, jede Philosophie und jede Staatsform genügen sollte. Wer ohne die Sünde unverwirklichter Liebe ist, der werfe den ersten Stein auf "die Anderen".
Benutzeravatar
fin
Beiträge: 1153
Registriert: So 16. Okt 2016, 13:49

Re: Weltreligion Islam: Ist eine grundlegende Reform möglich?

Beitrag von fin »

Andreas hat geschrieben:Was "uns" das sagt weiß ich nicht. Für mich sind das nur Beispiele dafür, dass jede Idee, welche die Würde des Menschen antastet schon Gewalt ist.
Darin stimme ich mit dir überein.

Jetzt fehlt nur noch ein Schritt: der Abgleich!
Entsprechen die relevanten Schriften der abrahamitischen Religionen deinem Ansatz?
Spoiler: anzeigen
Wohl kaum, es sei denn, du betreibst wie Novalis einen Rosinenhandel. :idea:
Benutzeravatar
Andreas
Beiträge: 4270
Registriert: So 21. Apr 2013, 19:15

Re: Weltreligion Islam: Ist eine grundlegende Reform möglich?

Beitrag von Andreas »

Teilweise nicht und teilweise durchaus - ist halt auch Auslegungssache.
Haben irgendwelche anderen Schriften, Verordnungen, Gesetzgebungen, Verträge das Antasten der Menschenwürde, die Minimalstanforderungen der Liebe für alle Menschen und damit den Frieden bis heute verwirklicht?

"Wir" Menschen berufen uns andauernd auf irgendwelche "Schriften" um Ausbeutung, Unterdrückung, den Entzug kritischer Infrastrukturen und Kriege zu "legitimieren" und machen immer weiter so, rüsten immer weiter auf, bauen Mauern und Zäune und säen Gewalt.

Wo also bleibt dein Abgleich mit den abrahamitischen Religionen? Womit willst du sie ver- oder abgleichen? Mit dem System in dem Du lebst, oder was? Pickst du dir da nicht auch "abrahamitische" Rosinen aus dem großen Kuchen der Unmenschlichkeit?
Benutzeravatar
Novas
Beiträge: 8032
Registriert: Mi 20. Jun 2018, 21:23

Re: Weltreligion Islam: Ist eine grundlegende Reform möglich?

Beitrag von Novas »

fin hat geschrieben:Gläubige Juden, Christen und Muslime sind an ihre Schriften gebunden. Die jeweiligen Schriften geben die Glaubensinhalte vor und ihre Differenzen treiben die Fundamentalisten in Konflikte


Der Maßstab von Fundamentalisten ist für mich nicht relevant, weil ich einem höheren Maßstab folge. Selbstverständlich gibt es Differenzen, aber weshalb sollte das ein Problem sein? Die Evolution ist bekannt dafür, dass sie eine große Vielfalt hervor bringt. Nicht nur im materiellen, sondern auch im spirituellen Bereich. Auf allen Ebenen. Das ist also vollkommen natürlich. Das geistige Leben kommt sehr vielfältig zum Ausdruck. Wer damit ein Problem hat, der hat in Wahrheit ein Problem mit dem Leben. :)
Wohl kaum, es sei denn, du betreibst wie Novalis einen Rosinenhandel. :idea:
Du hast vollkommen Recht. Ich will nur das Beste vom Besten: die Edelsteine der Weisheit. Ausnahmslos alle Heiligen Schriften der Menschheitsgeschichte sind Weisheitstexte und so behandle ich sie.
Denn der HERR gibt Weisheit,
und aus seinem Munde kommt Erkenntnis und Einsicht.
Sprüche 2:6
Ich bin davon überzeugt, dass dieser „Geist des Herrn“ („Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“) zu allen Zeiten, in allen Kulturen, Völkern und Religionen gewirkt hat (und auch außerhalb der Religionen, denn es gibt sicher auch weise Atheisten :thumbup: )Das Einzige, was mir hier vorgeworfen werden kann, ist meine große Toleranz oder Achtsamkeit im Umgang mit dem Anderen oder Fremden, was bei genauerer Untersuchung gar nicht so anders und fremdartig ist. Das Wort islām bedeutet übersetzt - dem reinen Wortsinne nach - Gottergebenheit. Juden, Christen und Muslime streben alle nach einem gottergebenen Leben. Das Wort weist also eher auf eine universelle Gemeinsamkeit, als eine Differenz hin. Darum sagte Goethe: „Wenn Islam »Gott ergeben« heißt, In Islam leben und sterben wir alle.“

Selbst alle hier anwesenden Atheisten leben und sterben gottergeben, aber widerwillig :P
Zuletzt geändert von Novas am Mo 1. Mai 2017, 13:27, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
fin
Beiträge: 1153
Registriert: So 16. Okt 2016, 13:49

Re: Weltreligion Islam: Ist eine grundlegende Reform möglich?

Beitrag von fin »

Andreas hat geschrieben:
fin hat geschrieben:
Andreas hat geschrieben:Was "uns" das sagt weiß ich nicht. Für mich sind das nur Beispiele dafür, dass jede Idee, welche die Würde des Menschen antastet schon Gewalt ist.
Darin stimme ich mit dir überein.

Jetzt fehlt nur noch ein Schritt: der Abgleich!
Entsprechen die relevanten Schriften der abrahamitischen Religionen deinem Ansatz?
Teilweise nicht und teilweise durchaus - ist halt auch Auslegungssache.
Das sagen die Taliban auch. Was folgt daraus?

Sobald besagte Schriften deinem Grundsatz nicht entsprechen, verletzten sie die Würde des Menschen. Besagte Schriften üben also eine ständige Bedrohung der Gewaltausübung aus!

Andreas, warum versuchst du deinen eigenen Grundsatz (nur einen Beitrag später) zu relativieren? Um das letzte Wort zu behalten? Dadurch verrätst du nicht nur deinen eigenen Grundsatz, sondern auch die Gestalt der Würde, die uns alle angeht. Du stellst zuerst d/eine Idee vor und zersetzt sie danach durch deine Rhetorik. Glaubst du nicht, daß es Einfluß auf die Menschen hat, die hier mitlesen.

Alles hat eine Wirkung, viele werden deine Rede (evtl.) einfach hinnehmen und schlucken.

Hier gehen diese Automatismen möglicherweise nicht so leicht von statten, weil durch meine Schreibe Reibung entsteht. Ich bin allerdings auch kein Heiliger. Wir wachsen alle in einer Welt auf, die uns in Prozesse involviert und zu Mittätern macht. Das muß der Mensch erkennen und sich daraus befreien. Ein erster Schritt ist die Artikulation!

Das (göttliche) Wort bildet den Anfang, denn es ist das konkrete Medium, um das 'Rechte' zu artikulieren.

Ich möchte jetzt nicht auf deinen restlichen Beitrag eingehen, wo du deine Relativierung zu begründen suchst, denn ich möchte noch ein wenig Sonne tanken. Dies noch als Hinweis in aller kürze ...
Andreas hat geschrieben:Haben irgendwelche anderen Schriften, Verordnungen, Gesetzgebungen, Verträge das Antasten der Menschenwürde, die Minimalstanforderungen der Liebe für alle Menschen und damit den Frieden bis heute verwirklicht?


Nein (auch hier stimme ich dir zu und das gilt es alles aufzuarbeiten, aber für den konkreten Kontext hier ist es zunächst nicht relevant), sie erheben allerdings auch keinen göttlichen Anspruch. Menschenkinder verbinden Gott (per se) mit den höchsten Tugenden. Wenn die Vorbilder - Religionsgemeinschaften - hier scheitern, dann korrumpieren sie die Seelen von Anfang an ...
Benutzeravatar
fin
Beiträge: 1153
Registriert: So 16. Okt 2016, 13:49

Re: Weltreligion Islam: Ist eine grundlegende Reform möglich?

Beitrag von fin »

Novalis hat geschrieben:
fin hat geschrieben:
Wohl kaum, es sei denn, du betreibst wie Novalis einen Rosinenhandel. :idea:
Du hast vollkommen Recht. Ich will nur das Beste vom Besten: die Edelsteine der Weisheit. Ausnahmslos alle Heiligen Schriften der Menschheitsgeschichte sind Weisheitstexte und so behandle ich sie.
Das ehrt dich, Novalis, aber nicht alle verfügen über deine unabhängige Sicht, denn viele Gläubige sind an Brauchtum und Schriften gebunden. 'Fundamentalisten' ist übrigens kein Schimpfwort, es kennzeichnet diejenigen, die voll und ganz den jeweiligen Schriften folgen!
Benutzeravatar
Novas
Beiträge: 8032
Registriert: Mi 20. Jun 2018, 21:23

Re: Weltreligion Islam: Ist eine grundlegende Reform möglich?

Beitrag von Novas »

Halman hat geschrieben:Falls Du irgendwann Interesse haben solltest, kannst Du ja in die hier verlinkte TV-Doku über ihn reinsehen.

Ja, Barino Barsoum war selbst ein Islamist und ist dann zum Christentum konvertiert. Nun argumentiert er extrem einseitig gegen seine frühere Religion, wie es viele Konvertiten zu tun pflegen. Es gibt auch Christen, die zum Islam konvertieren und dann sehr einseitig gegen das Christentum argumentieren. Das ist rein psychologisch ein verständliches Verhalten, denn man versucht vor sich selbst zu rechtfertigen, weshalb man einen anderen Glauben angenommen hat.
Zuletzt geändert von Novas am Mo 1. Mai 2017, 13:37, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
Pluto
V.I.P.
Beiträge: 43663
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

Re: Weltreligion Islam: Ist eine grundlegende Reform möglich?

Beitrag von Pluto »

Novalis hat geschrieben:Ja, Barino Barsoum war selbst ein Islamist und ist dann zum Christentum konvertiert. Nun argumentiert er extrem einseitig gegen seine frühere Religion, wie es viele Konvertiten zu tun pflegen.
Es ist wie beim Rauchen...
Die schlimmsten Kritiker des Rauchens sind i.d.R. die Ex-Raucher.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
Benutzeravatar
Novas
Beiträge: 8032
Registriert: Mi 20. Jun 2018, 21:23

Re: Weltreligion Islam: Ist eine grundlegende Reform möglich?

Beitrag von Novas »

Pluto hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Ja, Barino Barsoum war selbst ein Islamist und ist dann zum Christentum konvertiert. Nun argumentiert er extrem einseitig gegen seine frühere Religion, wie es viele Konvertiten zu tun pflegen.
Es ist wie beim Rauchen...
Die schlimmsten Kritiker des Rauchens sind i.d.R. die Ex-Raucher.
Ja, das ist ein passendes Beispiel. Hamed Abdel Samad zum Beispiel war früher ein Mitglied der Muslimbrüder. Kaum zu glauben, aber wahr. Das erklärt, weshalb er so energisch Islamkritik betreibt, denn er musste sich von einer fundamentalistischen Auslegung lösen. Für mich gibt es dieses Problem so nicht, denn ich war nie involviert. Ich kann ein Buch von Ibn Arabi genießen ohne deshalb innere Konflikte zu verspüren. Davon abgesehen ist seine Kritik des islamischen Faschismus durchaus berechtigt, denn es gibt eine faschistoide Auslegung des Islam, die von den Wahhabiten kommt und leider viel zu großen Einfluss hat.
Die Anhänger Ibn Abd al-Wahhabs nehmen für sich in Anspruch, als einzige heute die islamische Lehre authentisch zu vertreten. Glaubensauffassungen, die mit dem Wahhabismus nicht vereinbar sind, werden von ihnen in der Regel als unislamisch deklariert.[1] Die meisten Wahhabiten leben heute in Saudi-Arabien, wo ihre Lehre staatliche Förderung genießt und etwa durch die Islamische Weltliga global verbreitet werden soll. Daneben dominieren Anhänger der wahhabitischen Lehre auch in Katar, sie finden sich aber auch in Indien, Pakistan und Westafrika. Die Bezeichnung "Wahhabiten" wird nur von Gegnern dieser Gruppierung verwendet. Sie selbst bezeichnen sich in der Regel nicht so, sondern als Salafis oder einfach als "Sunniten" (ahl as-sunna)

Die in Asien verbreitete Gruppe der Ahl-i Hadîth sowie das Al-Qaida-Netzwerk stehen den Wahhabiten nahe. Auch die Ideologie der Taliban weist Ähnlichkeiten mit dem Wahhabismus auf, allerdings sind die Taliban Anhänger der hanafitischen Rechtsschule. In seinem Herrschaftsgebiet führte der Islamische Staat einen auf der Scharia und dem Wahhabismus basierenden 16-Punkte-Katalog ein, der das öffentliche und private Leben massiv normiert und einschränkt.[8]
https://de.wikipedia.org/wiki/Wahhabiten


Ich habe die entscheidende Passage extra in braun hervor gehoben. Da ist religiöser Faschismus das passende Wort ;) die Tatsache, dass Hamed unter Polizeischutz steht und keinen festen Wohnsitz hat, weil er von Islamisten bedroht wird, spricht außerdem für sich.
Ich bin Humanist in allererster Linie, ein Mensch. Und zum Humanismus gehört Religionskritik, zur Aufklärung gehört Religionskritik. Das Judentum und das Christentum mussten durch diesen Weg gehen, und dieser Kelch geht auch an Muslime nicht vorbei ~ Hamed Abdel Samad
Quelle

Das sehen Reza Aslan, Navid Kermani und Kerem Adıgüzel genau so. Mit einem Unterschied: sie sind immer noch gläubige Muslime, aber eben eher aufklärerisch gesinnt und befähigt ihre Religion, die Traditionen und Bräuche kritisch zu hinterfragen. Das bringt ihnen nicht bei allen Glaubensbrüdern Sympathien ein. Ich weiß wovon ich spreche, denn ich wurde schon mehrfach von christlichen Fundamentalisten verdammt, weil ich nicht den vorgeschriebenen Gedankenbahnen folge. Hier im Forum hat Lovetrail mal angedeutet, dass ich auf dem Weg in die Verdammnis bin. Natürlich nur aus „Liebe“ und Sorge um mein Seelenheil. Da wird mir richtig warm ums Herz. Sagen wir es so: manchmal wird die Liebesbotschaft Christi sehr eigenwillig interpretiert. :lol:
Benutzeravatar
Novas
Beiträge: 8032
Registriert: Mi 20. Jun 2018, 21:23

Re: Weltreligion Islam: Ist eine grundlegende Reform möglich?

Beitrag von Novas »

fin hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:
fin hat geschrieben:
Wohl kaum, es sei denn, du betreibst wie Novalis einen Rosinenhandel. :idea:
Du hast vollkommen Recht. Ich will nur das Beste vom Besten: die Edelsteine der Weisheit. Ausnahmslos alle Heiligen Schriften der Menschheitsgeschichte sind Weisheitstexte und so behandle ich sie.
Das ehrt dich, Novalis, aber nicht alle verfügen über deine unabhängige Sicht, denn viele Gläubige sind an Brauchtum und Schriften gebunden. 'Fundamentalisten' ist übrigens kein Schimpfwort, es kennzeichnet diejenigen, die voll und ganz den jeweiligen Schriften folgen!
Dann haben diese Gläubigen noch nicht verstanden, dass Religion wesentlich mehr ist, als naiver Buchstabenglaube.


Zuletzt geändert von Novas am Mo 1. Mai 2017, 14:53, insgesamt 1-mal geändert.
Antworten