Magdalena61 hat geschrieben: ↑Di 18. Feb 2025, 17:22
Ja, das ist die entscheidende Frage.
SilverBullet hat geschrieben:
Auf den ersten Blick ist man verleitet, sich eine historische "Jesus"-Person vorzustellen (mir wurde das auch so vermittelt, keine Frage).
Auf den zweiten Blick gibt es Probleme und man kann als Reaktion darauf schliessen, dass "Jesus" eine Art "literarische Zusammenfassung der Geschehnisse rund um die frühe Messias-Bewegung" sein müsste, so eine Art "Personifizierung".
Auf den dritten Blick findet man dann "ihr seid der Leib des Messias", also die Gemeinschaft ist der Messias (das ist eine klare Personifizierung).
Auf den vierten Blick findet man "wo zwei oder drei sich in meinem Namen versammeln, bin ich unter euch", was eine Bestätigung für die Gemeinschaftsrelevanz und die Personifizierung darstellt.
Das ist die logische Schlußfolgerung, wenn man davon ausgeht, dass Jesus Christus (zwar einmal gelebt hatte, aber letztlich heute nur noch) eine Idee ist.
"Idee" trifft es aus meiner Sicht nicht so richtig, weil dies nicht beinhaltet, dass es ein "Gegenüber" gab/gibt.
Ich sehe die Möglichkeit, dass es bei der literarischen "Jesus"-Figur um die Personifizierung der frühen Messias-Bewegung geht.
"Jesus" wäre damit "der erste Leib", den die Juden aus ihrer Sicht (vermutlich ab dem Jahr 0/1) durch den Zusammenschluss zu einer Messias-Bewegung formten -
ganz ohne Messias-Person.
Die Idee (und hier ist es wirklich eine Idee), dass die Bewegung den Messias darstellt, könnte der zündende Funke im 1.Jhd. gewesen sein, durch den die Juden den (bekannten) Aufstand gegen ROM wagten.
Sieht man das 1.Jhd. aus dieser Perspektive, dann bekommt "der Glaube an die christliche Kirche, an die Gemeinschaft der Heiligen" einen ganz anderen Stellenwert.
Nimmt man hingegen eine historische "Jesus"-Person an, dann stellt die Gemeinschaft lediglich "eine Nachfolgerschaft" dar und es ist reichlich sonderbar, dass man an die Gemeinschaft glauben soll (du hast ja einen Text verlinkt in dem "Ich glaube an die christliche Kirche" zu "Ich glaube die Kirche" werden soll, damit die Glaubensauflage "das Ziel darf nur Gott sein" nicht verletzt wird).
Gab es aber nie eine historische "Jesus"-Person, sondern immer nur "wir sind der Leib des Messias" (Personifizierung der Bewegung), dann bekommt der Glaube an die Gemeinschaft einen ganz anderen Stellenrang.
Diesen Stellenrang sieht man auch im Glaubensbekenntnis, denn der Glaube an "Vergebung der Sünden" und "Auferstehung von den Toten" steht direkt hinter dem Glauben an die Gemeinschaft - die Reihenfolge ist hier vermutlich nicht zufällig.
Bei "wo zwei oder drei sich in meinem Namen versammeln, bin ich unter euch" steht dieses "in meinem Namen" bestimmt für den Glauben an die Gemeinschaft.
Einfach nur Gemeinschaft bringt es aus Sicht der Christen nicht, sondern man muss an den Effekt der Gemeinschaft glauben - erst dann ist "in meinem Namen" erfüllt - erst dann "wird es ein Leib".
Wichtig ist, dass man für diese Denkweise keine Messias-Person benötigt. Das können die Juden des 1.Jhd. einfach aus dem Judentum heraus entwickelt und sich dann (im Glauben an die Unterstützung ihres Gottes) gegen ROM gestellt haben.
Da es bei diesem "Leib"-Denken, von vorn herein um eine Personifizierung geht, ist es ein kleiner Schritt, die Geschehnisse der ersten Bewegungs-Welle literarisch als "Jesus"-Person darzustellen.
Die literarische Darstellung einer konkreten Person mit Erlebnissen und Aussagen ist dann nur noch eine Fortführung der Personifizierung und stellt keinen Ideen-Sprung mehr dar.
Magdalena61 hat geschrieben: ↑Di 18. Feb 2025, 17:22
SilverBullet hat geschrieben:
Wie erklärst du dir "den Glauben an die heilige christliche Kirche, an die Gemeinschaft der Heiligen"?
Worum geht es bei diesem Glauben, also was soll der einzelne Gläubige dabei machen?
Wie rechtfertigt sich dieser Glaube, wie leitet er sich her?
Das hier ist gemeint:
Wir bekennen nicht: „Ich glaube an die Kirche“. Vermutlich ist es nicht zuletzt dieser Irrtum, der mit diesem Satz so große Probleme erzeugt. Ich glaube nicht „an die Kirche“, wie ich „an Gott“, den Vater, „an Christus“ seinen Sohn und „an den Heiligen Geist“ glaube. Wir sagen im Bekenntnis: „Ich glaube die Kirche“. Das ist etwas sehr anderes, auch wenn da nur ein Wörtlein anders ist. Auf den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist setze ich meine Hoffnung. Der Gott Israels, Jesus Christus, und Gottes lebenspendender Geist sind der Grund meines Glaubens. Auf ihnen ruht er, an ihnen hängt er.
Das gilt nicht in gleicher Weise von der Kirche. Und doch darf sie aus dem Glaubensbekenntnis nicht verschwinden. Wir glauben die Kirche.
...
Wir glauben sie, weil sie ein Wirken Gottes ist. Nehmen wir die Kirche aus dem Glaubensbekenntnis heraus, dann hören wir auf, eine ganz entscheidende Wirkung des Heiligen Geistes in dieser Welt zu bekennen.
Die Kirche, so sagt es die Barmer Theologische Erklärung hat „mitten in der Welt der Sünde als die Kirche der begnadigten Sünder“ zu bezeugen, dass sie Christi eigen ist und von seinem Trost und seiner Weisung lebt und leben will und auf sein Kommen wartet. In der Kirche sammeln sich Sünder – gewiss begnadigte Sünder – aber eben keine Entrückten, keine besseren Menschen, sondern solche, die davon wissen, dass sie Christus brauchen, seine Gnade, seine Vergebung und seine Weisung.
Wir bekennen im Glaubensbekenntnis, dass der Heilige Geist sich eine Kirche schafft.
reformiert-info.de
Anstatt "Kirche" kann man auch "Gemeinde" sagen.
Naja, ich bin eigentlich nicht auf die Formulierung "Ich glaube die Kirche" gestossen, es klingt auch reichlich sonderbar und eher nach einer Ausrede.
Hier versucht ein Theologe im Bild einer historischen "Jesus"-Person zu bleiben und sich den Rest zusammenzureimen - Motto: "was nicht passt, wird passend gemacht".
Das ist eigentlich altbekannt.
Z.B. werden auch bei den Geburtsangaben zu "Jesus" die Unstimmigkeiten (die Lebenszeit Herodes und die römische Steuererhebung/Volkszählen bilden keinen Zeitpunkt - sprich: für die Geburt einer Person ist das untauglich) theologisch einfach übergangen, damit die eigene Vorstellung gerettet wird.
Ich habe kein Problem damit, dass die Christen den Glauben an die Gemeinschaft zentral verankern und zwar noch vor "Vergebung der Sünden" und "Auferstehung von den Toten", denn wenn sie es heute (ohne "Jesus"-Person) können, dann konnten es Juden auch im 1.Jhd. ohne "Jesus"-Person.
(genauso habe ich kein Problem mit den Geburtsangaben, denn eine Gemeinschaft kann sich über einen Zeitraum hinweg bilden/"geboren werden" - selbst "Auferstehung" hört sich in Bezug auf eine Gemeinschaft viel plausibler an)