Re: Weltreligion Islam: Ist eine grundlegende Reform möglich?
Verfasst: Fr 2. Jun 2017, 15:54
Ja, das ist wohl so. Auch wenn ich eher sagen würde: wahre Liebe kennt kein Gegenteil, weil sie allumfassend und grenzenlos ist (sie ist Gott selbst 1Joh 4,16 und das Göttliche ist allgegenwärtig und unendlich ) das mag der Grund sein, weshalb Christus davon sprach, dass wir unsre Feinde lieben sollen. Denn Liebe hat keine Feinde, das ist der Witz dabei. Wenn wir beginnen unsre Feinde zu lieben, werden sie aufhören unsre Feinde zu sein: sie werden zu unsren Brüdern und Schwestern mit denen wir schicksalhaft verbunden sind in Einheit und Verschiedenheit, was nur ein anderes Wort für "Liebe" ist, denn Liebe bejaht die Pluralität und betreibt keine Gleichschaltung. Ich sehe es so: ein Gott, der nicht in allem ist, ist ein kleiner Gott, der unsres Glaubens nicht würdig ist. Wenn wir ihn jedoch in allem erblicken, dann gibt es keine Feinde mehr. Falls sich manche über meine positive Haltung gegenüber anderen Religionen wundern, inklusive dem Glauben der Muslime, so verweise ich sie auf das Johannes-Evangelium, welches uns ein solch großartiges Verständnis von Gott offenbart. Das habe nicht ich mir ausgedacht, sondern das geht auf Jesus und das Neue Testament zurück.Flavius hat geschrieben:Und ich will noch etwas dazu fügen: Das Gegenteil von Liebe ist nicht (nur) der Hass.. sondern die Gleichgültigkeit.!
Der Koran spricht ebenfalls von der Allgegenwart Gottes:
Die Wahrheit bleibt wahr, die Schönheit bleibt schön, das Gute bleibt gut, ob wir es nun durch die Bibel, den Koran oder irgendeine andere Heilige Schrift vermittelt bekommen. Für den wahrhaft Gläubigen ist der Geliebte (Gott) überall und er erblickt in jedem Wesen und Ding eine Reflexion von ihm. Das sind die Gottesfreunde (awliyāʾ), die den geraden Weg gehen, den die Propheten aller Zeiten vermitteln wollten. Das sind Menschen wie Ibn al-ʿArabī (der Frieden und Segen Gottes seien auf ihm ) er lehrte die „Einheit des Seins“, die „Einheit der Existenz“ (waḥdat al-wuǧūd) und damit ist ein ausreichender Beweis dafür erbracht, dass er eine edle und erhabene Seele war, die erfüllt war von wahrer Einsicht, Weisheit und Liebe zu allen Geschöpfen. Das ist für mich das Einzige, was wirklich entscheidend und wichtig ist."Gott (arabisch Allāh, al-ilāh = ‚der Gott') gehört der Osten und der Westen; wohin ihr euch auch immer wendet, dort ist Gottes Angesicht. Gott ist Allumfassend und Allwissend." (Sura Albaqara. Vers 142).
Chodkiewicz merkt an, dass es nicht weit her geholt wäre zu sagen, dass Ibn al-ʿArabī nie über etwas anderes als Heiligkeit, ihre Pfade und Ziele schreibt.[1] Die Heiligen, ein Begriff der hier in seiner wortwörtlichen Bedeutung als „Freunde Gottes“ übersetzt wird, haben Gott in diesem Leben gefunden und verweilen in Seiner Gegenwart. Ibn al-ʿArabī bezieht sich oft auf sie als die „Gnostiker“ (ʿārifūn). Sie sehen und erkennen Gott wo immer sie auch hin blicken. Der koranische Vers: „Wohin Du dich auch wendest, dort ist das Antlitz Gottes“ (Koran 2:115) ist die Beschreibung ihres spirituellen Zustandes. Andere sind von der Schau Seiner verhindert aufgrund der Schleier, doch die Freunde Gottes wissen, dass Er sowohl der Schleier als auch die anderen ist. Die Freunde sind aber nicht etwa konfus. Sie sagen nicht: „Er ist alles“[2], und belassen es dabei. Sie sagen: „Er ist alles, alles ist nicht Er“, und dann stellen sie unterschiedlichen Gesichtspunkte dar, aus der die Situation wahrgenommen werden kann. Gehören sie zu den Freunden, welche Ibn al-ʿArabī als jene des höchsten Ranges ansieht – den Verifizierenden (al-muḥaqqiqūn) – so werden sie die Wahrheit ihrer Schau Gottes auf jeder Stufe des Seins und Findens verifiziert haben. Das heißt, sie werden die Schau Gottes nicht nur auf der Stufe der reinen Rede und des Intellekts verifiziert haben, welche die Eigenheiten des Menschseins darstellen. Somit werden sie – und speziell Ibn al-ʿArabī – die durchdachten Darlegungen der genauen Natur der ontologischen und epistemologischen Ambiguität anführen, welche die Leere füllt. Diese Leere wird gewöhnlich als „Welt“ bezeichnet. Die Fassungslosigkeit der Verifizierenden hinsichtlich Gott, so wie Er in Sich Selbst ist, verhindert sie niemals, Ihn als Licht und Weisheit zu finden und die Früchte dieser göttlichen Eigenschaften zu verwenden, um die Natur der Dinge zu durchleuchten und alle Dinge an ihren rechten Platz zu setzen.
„Wie finde ich Gott?“ Diese Frage bedeutet: Wie kann ich die Schleier heben, die mich hindern Gott zu sehen? Wir befinden uns momentan in der Situation, dass wir das Nicht Er in allen Dingen sehen. Doch wie können wir ebenfalls das Universum als Er sehen?
Wir selbst gehören zu den „Dingen“ des Universums. Das heißt: „Wie finde ich Gott?“, bedeutet auch: Wie kann ich jene Schleier heben, die mich davor hindern, Gott zu sein und zwar in dem Sinne, dass das „Er“ [in mir] bestätigt werden muss [während ich momentan einzig das Nicht-Er in mir bestätige]. „Finden“, so muss wiederholt werden, ist nicht nur rein erkenntnistheoretisch. Es ist grundlegend ontologisch. Sein geht dem Wissen Gottes vor, wie es auch in der Welt ist. Nichts kann ohne Sein wissen. Und wie es die oft zitierten Worte der Sufis ausdrücken: „Keiner außer Gott weiß Gott.“ Beides, Wissen und Sein, sind Finden.
– William C. Chittick, Sufi Path to Knowledge
qantara.de: Liebe und GotteserfahrungMuhyiddin Ibn Arabi ist eine der tiefsinnigsten und interessantesten Persönlichkeiten der islamischen Kultur. Wegen ihrer Bedeutungstiefe sind Ibn Arabis Werke bisher selten ins Deutsche übersetzt worden – und das trotz der historischen Bedeutung ihres Verfassers. Außerdem ist Ibn Arabis Werk ungeheuer umfangreich und gilt als für den Laien schwer verständlich; jedenfalls haben dies Kommentatoren seiner Sufi-Traktate aus Ost und West über die Jahrhunderte betont.
Stefan Weidner, Kölner Islamwissenschaftler und Chefredakteur der Kulturzeitschrift „Fikrun wa Fann“, sieht das anders, zumindest was Ibn Arabis berühmte Gedichtsammlung, den „Tarjuman al-Ashwaq“ (Übersetzer der Sehnsüchte), angeht. Weidner, der für seine Übersetzungen aus dem Arabischen unter anderem von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ausgezeichnet wurde, hat jetzt zum ersten Mal Ibn Arabis Gedichte vollständig ins Deutsche übertragen.
Die Verse, erklärt Weidner, hätten einen modernen und freizügigen Charakter und könnten unmittelbar zu uns sprechen, ohne vom Leser ein besonderes Vorwissen zu verlangen. Geleitet von dieser Überzeugung ist eine interessante Übersetzung entstanden: Sprachlich modern und von literarischem Regelwerk befreit, in Kleinschreibung und ohne Satzzeichen. So bleibt beim Lesen der Gedichte maximaler Raum für die eigene Interpretation, auch wenn die Lektüre einiges an Gewöhnung braucht; um nicht doch zu sagen: Vorwissen.
Erotische Anspielungen
Der „Übersetzer der Sehnsüchte“ besteht aus 61 Liebesgedichten, zu denen Ibn Arabi durch eine schicksalshafte Begegnung inspiriert wurde. Während seiner ersten Pilgerfahrt nach Mekka machte er Bekanntschaft mit Nizam, der schönen und talentierten Tochter eines Gelehrten aus Isfahan. So kommt es, dass die Verse des „Übersetzers“ mit zweideutigen, manchmal ins Erotische reichenden Anspielungen gespickt sind, die Weidner in seiner knappen Einführung zu Recht als für die arabische Dichtung revolutionär beschreibt.
Weidner setzt sich dafür ein, die Gedichte als das zu lesen was sie sind, nämlich Literatur, und sie aus sich selbst sprechen zu lassen. Er kritisiert, dass viele Übersetzer Ibn Arabis Verse aus einer sufischen Haltung heraus interpretiert hätten. Dies habe die Gedichte bisher vor allem im geistigen Licht der islamischen Spiritualität erscheinen lassen. Doch wie sehr lässt sich jemand wie Ibn Arabi, der durch seine Biografie wie kein anderer für die geistigen Höhen der islamischen Erlebnismystik steht, überhaupt „entmystifizieren“?
Wer Ibn Arabis Welt kennt, weiß, dass all sein Schreiben auf das Erkennen der göttlichen Essenz gerichtet ist. Ibn Arabi verstand es, die widersprüchlichen Phänomene der Welt zu einem Ganzen zusammenzufügen, in dem alles Erlebte zu einer Manifestation des Göttlichen wird. In seinem eigenen Kommentar zu den Gedichten, einer Reaktion auf die entrüstete Kritik der Orthodoxie, macht Ibn Arabi dann auch selbst deutlich: Seine Verse handeln von spirituellen Wahrheiten, auch wenn sie in die Metaphorik von profaner Liebe gekleidet sind. Ist das nur ein entschuldigender Rückzieher eines in die Enge getriebenen Schriftstellers? Wohl kaum.