Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Philosophisches zum Nachdenken
Spice
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Spice »

Claymore hat geschrieben: Do 24. Feb 2022, 20:50
Spice hat geschrieben: Do 24. Feb 2022, 08:19Weshalb sollte der Skeptizismus nicht widerlegbar sein? Der Skeptizismus ist doch keine objektive Realität, sondern eine subjektive Haltung der objektiven Welt gegenüber. Der Skeptiker drückt nur sein ganz persönliches Unvermögen aus existentiell Relevantes erkennen zu können.
Das problematische am Skeptizismus ist, dass er einen Zustand “so wie die Dinge tatsächlich sind” postuliert.

Der Skeptiker gibt sich also als Freund der Realität; was nun aber so “handfest” gegeben ist, ist “leider” grundsätzlich nicht erkennbar für uns. Das ist das zentrale Paradox, dass das “einzig echte” ausgerechnet das für uns gänzlich unerkennbare und damit irrelevante sein soll.

Der Skeptizismus ist darauf hin konstruiert, dass es sich bei dieser “echten”, “handfesten”, “ontischen”, “wirklichen” (oder was auch immer sonst noch für Adjektive angehäuft werden, mit denen der Skeptiker den nüchternen, no-nonsense-Typen vorspielt) “Realität” …… am Ende nur um ein abstraktes, menschliches Gedankenkonstrukt handelt.

Ein Planet Lichtjahre entfernt – der soll doch unabhängig von Menschen existieren! Aber den kann man sich ja eben doch nicht “an sich” vorstellen, sondern nur über erfundene Szenarien. Es steckt doch schon in der Beschreibung drin “wenn man mit Überlichtgeschwindigkeit fliegen könnte, dann könnte man den Planeten zu Gesicht bekommen”.

Ein Objekt frei von allen derartigen Relationen, die es für uns verständlich machen, ist ein Widerspruch in sich selbst.

Wäre man in einer Situation wie in dem Videospiel Returnal, gestrandet auf einem fremden Planeten, der sich in seiner Umgebung traumhaft verändert, gefangen in einem ewigen Zyklus, der auf eigenartige Art die Biographie der Protagonistin reflektiert, Objekte aus ihrer Erinnerung erschafft, würden wir da zweifeln dass er “echt” ist?

Er ist sicher anders als die Erde – aber was sollen wir schon tun? Als Spieler ist dieser Unterschied jedenfalls irrelevant. ;-)
Ich weiß nicht, ob ich dich richtig verstehe. Nach der Definition von Skeptizismus sind es Menschen, die prinzipiell die Erkennbarkeit der Welt hinterfragen. Du scheinst aber damit mehr solche Menschen damit zu meinen, die eine naturalistische Auffassung für die einzig reale halten und alles was auf etwas anderes hindeutet ständig bezweifeln, ohne sich auch nur auf ein Argument, das sie eines Besseren belehren könnte, einzulassen.

Jede Umgebung zwingt uns sich auf sie einzulassen. Allein dadurch ist sie echt – was ich im Übrigen nicht als harte Dichotomie verstehe. Ein Traum ist das Paradebeispiel des unechten, aber doch wohl aufgrund seines extrem niedrigen Detailgrads und der starken Trübung des vernünftigen Denkens! Daher ist diese Einlassung nur sehr oberflächlich. Jedoch mag vielleicht sogar jemand im Traum etwas bedeutendes geleistet haben, wer weiß das schon (August Kekulé?).
Die Umgebung ist die objektive Realität, die damit für alle gilt und an der man sich deshalb immer wieder korrigieren kann.
Träume sind subjektive Realität, d.h. das innere Traumgeschehen wird durch die Vorlieben und Abneigungen der Menschen gesteuert.
Wenn der Mensch - Bsp. Kerkule - ein starkes Interesse hat, etwas Bestimmtes zu erkennen, kann ihm das gerade im Traum offenbar werden, weil nicht sein bewusstes Denken eingreift. Aber es hat ihn in die richtige Richtung gebracht.

Es handelt sich doch also wohl eher um die Frage, ob wir aus dieser “äußersten” Welt, die wir kennen, entfliehen können.
Weshalb willst du unserer Welt entfliehen? Das ist so, dass man einfach woanders hingeht, nicht möglich. Aber man kann dieser Welt "entfliehen" indem man sie erkennt und so transzendiert, bzw. überwindet, indem man immer unabhängiger von äußeren Einflüssen wird.

Das ist eine völlig verständliche und auch sehr angebrachte Frage, allerdings wird man da bei Naturalisten, Materialisten auf taube Ohren stoßen. Daher wird sie unehrlich als skeptisches Problem umformuliert.
Ja, das ist klar. Sie sind durch eigenes Bewirken blind.
Ich habe dafür kein Verständnis. Es ist einfach ein erbärmliches Manöver, wenn einem bzgl. der wahren Frage nichts einfällt.
Ja, Leute, die meinen, sie haben mit ihrem Naturalismus/Materialismus die Weisheit gefressen, wird man nicht überzeugen können. Die muss man ihrem Schicksal überlassen.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 09:01 Der echte Descartes vertritt hier gerade das Gegenteil zu deiner Philosophie.
Dann zwei Fragen:
1) Warum wird Descartes "Skeptizist" genannt?
2) Warum forciert er dann trotzdem die Wissenschaften?
Wenn Du diese beiden Fragen widerspruchsfrei beantworten kannst, wären wir einen SChritt weiter.
Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 09:01 für dein “oder” bei “Vorstellung oder Entität” gibt es nicht die geringste Rechtfertigung.
Du machst mich echt ratlos. - Siehst Du nicht die Unterschiedlichkeit der Aussagen:
1) "Die Welt ist nur meine Vorstellung", und
2) "Die Welt ist Entität, mit oder ohne meine Vorstellung"
???
Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 09:01 Du konntest nie erklären, wie “ontisch” losgelöst von jeglichem Kontext zu einer Bedeutung kommen soll, eine Bedeutung haben kann.
Stimmt doch nicht - vielleicht ist das Argument so einfach, dass es übersehen wird - nämlich:
Das, was ist, ist es auch dann, wenn wir es nicht wahrnehmen.
Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 09:01 Warum sollte mehr von Belang sein?
Weil es ein Unterschied ist, ob man die Welt als etwas von meiner Wahrnehmung Unabhängiges sieht oder als Ableitung von der eigenen Wahrnehmung.
Spice hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 10:04 Hiob hat geschrieben: ↑Do 24. Feb 2022, 21:14
Claymore hat geschrieben: ↑Do 24. Feb 2022, 20:50
Jede Umgebung zwingt uns sich auf sie einzulassen. Allein dadurch ist sie echt
Das ist jetzt Psychologie, aber nicht Ontologie.
Nein, Pragmatismus.
Pragmatisch sind wir uns einig. Aber dazu braucht man weder Philosophie noch Erkenntnis-Theorien.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

doch, braucht man :mrgreen:
der storch der sitzt am karpfenteich und hämmert alle karpfen weich

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es gibt nichts gutes, außer man tut es

https://www.youtube.com/watch?v=ItZyaOlrb7E

das huhn ist im auftrag des herren unterwegs 8-)
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 15:46
Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 09:01 Der echte Descartes vertritt hier gerade das Gegenteil zu deiner Philosophie.
Dann zwei Fragen:
1) Warum wird Descartes "Skeptizist" genannt?
2) Warum forciert er dann trotzdem die Wissenschaften?
Wenn Du diese beiden Fragen widerspruchsfrei beantworten kannst, wären wir einen SChritt weiter.
1) Weil er den Skeptizismus respektiert indem er radikalskeptische Szenarien entwickelt, die seiner Meinung nach einer Widerlegung bedürfen.
2) Weil er ausgehend vom Cogito über einen Gottesbeweis zeigt, dass es eine Methode gibt, mit der der Mensch absolute Sicherheit in seiner Erkenntnis erlangen kann.
Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 09:01 für dein “oder” bei “Vorstellung oder Entität” gibt es nicht die geringste Rechtfertigung.
Du machst mich echt ratlos. - Siehst Du nicht die Unterschiedlichkeit der Aussagen:
1) "Die Welt ist nur meine Vorstellung", und
2) "Die Welt ist Entität, mit oder ohne meine Vorstellung"
???
Was hat das bitte mit der Aussage zu tun? Natürlich sehe ich die Unterschiedlichkeit.

Aber ich sehe auch die Unterschiedlichkeit zwischen den Aussagen:
1) “Die Ampel zeigt gerade Rot”, und
2) “Die Ampel zeigt gerade Grün”.

Nur weil es da einen klaren Unterschied gibt, ist ein “oder” jedoch noch lange nicht gerechtfertigt. In dem Beispiel also wäre “zeigt die Ampel gerade Rot oder Grün?” unsinnig, da sie bekanntlich auch gerade Gelb zeigen könnte und nur Gelb.

Woher kommt also diese harte Dichotomie? Warum hast du sie immer noch nicht begründet?
Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 09:01 Du konntest nie erklären, wie “ontisch” losgelöst von jeglichem Kontext zu einer Bedeutung kommen soll, eine Bedeutung haben kann.
Stimmt doch nicht - vielleicht ist das Argument so einfach, dass es übersehen wird - nämlich:
Das, was ist, ist es auch dann, wenn wir es nicht wahrnehmen.
Da ist überhaupt nichts einfach außer deiner Rhetorik.

“Das, was ist, ist …” ist auf logischer Ebene eine Tautologie. Dass du noch einen Zusatz anhängst, ist irrelevant.

Man müsste es schon umformulieren zu: Es gibt nichts, dessen Existenz von unserer Wahrnehmung abhängig ist.

Da wird der Fehler offensichtlich, nämlich dass hier “Existenz” / “ist” losgelöst von jedem Kontext verstanden werden soll, aber komplett unklar bleibt, was du damit überhaupt vermitteln willst.

Wenn man konkrete Beispiel bringt wie Zahlen, qualitative Eigenschaften (Süße), Abwesenheiten (Löchern), der Vergangenheit, platonische Ideen, übernatürliche Wesen, etc. pp. dann kommst du mit ad-hoc-Argumenten (“Kein Sein, sondern Chiffre für Sein”, “nur speculatio”, “Zwischenform” …).

Woher weißt du das alles, wenn doch deine Fragestellungen selbst voraussetzungsfrei und erst auf diese versteckten Setzungen hinweisen sollen? Die Riesenliste deiner versteckten Setzungen ist da schon seltsam.

Mathematisch gesehen ist der Satz “Da ist keine Primzahl zwischen 31398 und 31468” völlig korrekt, aber diese Art der Nicht-Existenz ist doch eine andere als dein “Zahlen existieren nicht, sie sind nur Chiffren für Sein”. Warum sollte man aber letzteres präferieren? Warum ist das das richtige, absolute “ist”?

Erkläre also einmal was “ist” / “Existenz” kontextbefreit bedeuten soll. Solange du das nicht kannst, ergeben deine ganzen Einlassungen nicht den geringsten Sinn.
Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 09:01 Warum sollte mehr von Belang sein?
Weil es ein Unterschied ist, ob man die Welt als etwas von meiner Wahrnehmung Unabhängiges sieht oder als Ableitung von der eigenen Wahrnehmung.
Ich denke nicht, dass wir diesen Unterschied absolut gedacht überhaupt verstehen können. Im übrigen beantwortet das nicht die Frage, inwiefern das von Belang ist.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 17:29 Weil er den Skeptizismus respektiert indem er radikalskeptische Szenarien entwickelt, die seiner Meinung nach einer Widerlegung bedürfen.
KANN er diese Szenarien widerlegen? Ich meine nein (aus prinzipiellen Gründen) - und Du?
Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 17:29 Weil er ausgehend vom Cogito über einen Gottesbeweis zeigt, dass es eine Methode gibt, mit der der Mensch absolute Sicherheit in seiner Erkenntnis erlangen kann.
Eben - über den Weg des Gottesbeweises. WEIL Gott aus seiner Sicht bewiesen sei, gäbe es diese Methodik, nicht wahr? - Falls ja: Dann wären wir gar nicht weit auseinander. Denn ich würde lediglich "Beweis" durch "Glaube" ersetzen (weil sein Beweis nicht anderes als Glaube war) und "absolute Sicherheit" durch "methodische Sicherheit" ("absolut" klänge unangebracht ontisch). - Und schon wären wir uns einig.
Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 17:29 Woher kommt also diese harte Dichotomie?
Weil mir noch niemand ein Drittes nennen konnte zwischen
1) Welt ist Vorstellung.
2) Welt ist Entität.
Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 17:29 Es gibt nichts, dessen Existenz von unserer Wahrnehmung abhängig ist.
Zunächst nicht schlecht. Allerdings stimmt dieser Satz quantenmechanisch gar nicht. - Das führt auch in Deinen nächsten Punkt:
Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 17:29 Erkläre also einmal was “ist” / “Existenz” kontextbefreit bedeuten soll. Solange du das nicht kannst, ergeben deine ganzen Einlassungen nicht den geringsten Sinn.
"Sein" meine ich ausschließlich ontisch. Also nicht methodisch und auch nicht in Ableitung. - Und jetzt merke, dass es schwierig wird. - Bevor ich mich jetzt erfolglos zermürbe: Was definierst DU als "Sein"? (Da meine ich mich zu erinnern, dass dies aus Deiner Sicht gar nicht ginge). - Vielleicht anders: Wie würdest den Status benennen von einer Sache, die nicht individuelle Vorstellung ist, sondern intersubjektiv wahrgenommen wird oder gar nicht wahrgenommen wird (bspw. eine von uns noch nicht entdeckte Galaxie)? - Sicherlich nicht als "Vorstellung". Als was dann?
Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 17:29 Ich denke nicht, dass wir diesen Unterschied absolut gedacht überhaupt verstehen können.
Müssen wir auch nicht. Es geht hier darum, dass wir diesen kategorialen Unterschied als solchen erkennen.
Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 17:29 Im übrigen beantwortet das nicht die Frage, inwiefern das von Belang ist.
Mmhh ... - vielleicht doch.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Spice hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 10:22Ich weiß nicht, ob ich dich richtig verstehe. Nach der Definition von Skeptizismus sind es Menschen, die prinzipiell die Erkennbarkeit der Welt hinterfragen. Du scheinst aber damit mehr solche Menschen damit zu meinen, die eine naturalistische Auffassung für die einzig reale halten und alles was auf etwas anderes hindeutet ständig bezweifeln, ohne sich auch nur auf ein Argument, das sie eines Besseren belehren könnte, einzulassen.
Ich meine es schon so wie im Sinne von Wikipedia. Ein Skeptiker bezweifelt die Erkennbarkeit der Welt. Nur wenn man morgens aufsteht, dann lässt man sich auf die Welt ein und kann gar nicht anders als das zu tun. Auch jeder Skeptiker (meist sogar ohne sonderliches Unbehagen dabei zu empfinden). Und damit hätte sich der Skeptizismus ja schon erledigt.

Also muss irgendetwas konstruiert, postuliert werden, was man prinzipiell nicht erkennen kann.

Hiob fragt: “Ist das wahrgenommene eigene Vorstellung oder Entität”. Aber wie sollte man diese Frage überhaupt verstehen können, wenn wir aus unserem Leben nicht “Vorstellung” (seltsame Wortwahl für Traumbilder und Halluzinationen) und “Entität” (Realität) kennen würden und auch trennen könnten? Wenn man meint, dass all das, was man für Entität hielt auch nur Vorstellung sein könnte, was hat dann noch Entität für eine Bedeutung?
Die Umgebung ist die objektive Realität, die damit für alle gilt und an der man sich deshalb immer wieder korrigieren kann.
Träume sind subjektive Realität, d.h. das innere Traumgeschehen wird durch die Vorlieben und Abneigungen der Menschen gesteuert.
Wenn der Mensch - Bsp. Kerkule - ein starkes Interesse hat, etwas Bestimmtes zu erkennen, kann ihm das gerade im Traum offenbar werden, weil nicht sein bewusstes Denken eingreift. Aber es hat ihn in die richtige Richtung gebracht.
Das wäre die gängige Einteilung. Allerdings gibt es da auch einiges, was sich nicht so leicht in dieses Schema subjektiv-objektiv pressen lässt. Ein einfachstes Beispiel wären die qualitativen Eigenschaften. Empfindet der Mistkäfer qualitative Eigenschaften anders als der Mensch?

Und das ist nur das offensichtlichste. Die Szenarien, die man da noch theoretisch konstruieren könnte sind zahllos.
Weshalb willst du unserer Welt entfliehen? Das ist so, dass man einfach woanders hingeht, nicht möglich. Aber man kann dieser Welt "entfliehen" indem man sie erkennt und so transzendiert, bzw. überwindet, indem man immer unabhängiger von äußeren Einflüssen wird.
Ich will unserer Welt gar nicht entfliehen, es ging ja nur um die Möglichkeit, dass man ihr entfliehen könnte.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 23:31 Wenn man meint, dass all das, was man für Entität hielt auch nur Vorstellung sein könnte, was hat dann noch Entität für eine Bedeutung?
Man MEINT es ja nicht, sondern weist damit auf den Umstand hin, dass Wissenschaft (= eine Disziplin, die die Welt und deren Erscheinungen programmatisch als Entität verstehen MUSS) Setzungen hat, die nicht falsifierbar sind. - Weitergedacht: Die Wurzel der Wissenschaft ist in der Metaphysik.

Bei Descartes ist das genauso, weshalb er doch überhaupt erst den (um-) Weg über Gott gehen muss. - Warum sagt er nicht einfach: "Ich mache jetzt Wissenschaft - meine Objekte sind Entität" ---??? - Weil er weiß, dass er erkenntnis-theoretisch diesen Weg gehen muss. ----- Dass er dabei von "Gottesbeweis" spricht, was nichts anderes als "Glaube" ist, ist sekundär - es geht um den Umweg an sich, den ein Materialist gar nicht hätte, weil für diesen die Materie selber Gott ist.

Mit dieser (nolens-volens-) Erkenntnis ist Descartes weiter als viele heutige Erkenntnis-Theoretiker.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 18:01KANN er diese Szenarien widerlegen? Ich meine nein (aus prinzipiellen Gründen) - und Du?
Ich halte seine ganze Philosophie für fehlerhaft, sowohl die skeptischen Szenarien, die er entwickelt, als auch ihre Widerlegung.
Eben - über den Weg des Gottesbeweises. WEIL Gott aus seiner Sicht bewiesen sei, gäbe es diese Methodik, nicht wahr? - Falls ja: Dann wären wir gar nicht weit auseinander. Denn ich würde lediglich "Beweis" durch "Glaube" ersetzen (weil sein Beweis nicht anderes als Glaube war) und "absolute Sicherheit" durch "methodische Sicherheit" ("absolut" klänge unangebracht ontisch). - Und schon wären wir uns einig.
Was du als “lediglich” bezeichnest, ist eine 180°-Umdeutung.
Weil mir noch niemand ein Drittes nennen konnte zwischen
1) Welt ist Vorstellung.
2) Welt ist Entität.
Was wäre die Matrix? 1) oder 2) ?

Was wäre Maya, der zauberhafte, verhüllende Traum, mit dem Brahman die materielle Welt als Illusion erschafft?
Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 17:29 Es gibt nichts, dessen Existenz von unserer Wahrnehmung abhängig ist.
Zunächst nicht schlecht. Allerdings stimmt dieser Satz quantenmechanisch gar nicht.
Ja, ich verteidige dieses Konstrukt aber auch nicht.
- Das führt auch in Deinen nächsten Punkt:
Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 17:29 Erkläre also einmal was “ist” / “Existenz” kontextbefreit bedeuten soll. Solange du das nicht kannst, ergeben deine ganzen Einlassungen nicht den geringsten Sinn.
"Sein" meine ich ausschließlich ontisch. Also nicht methodisch und auch nicht in Ableitung. - Und jetzt merke, dass es schwierig wird. - Bevor ich mich jetzt erfolglos zermürbe: Was definierst DU als "Sein"? (Da meine ich mich zu erinnern, dass dies aus Deiner Sicht gar nicht ginge). - Vielleicht anders: Wie würdest den Status benennen von einer Sache, die nicht individuelle Vorstellung ist, sondern intersubjektiv wahrgenommen wird oder gar nicht wahrgenommen wird (bspw. eine von uns noch nicht entdeckte Galaxie)? - Sicherlich nicht als "Vorstellung". Als was dann?
Ich halte auch das für sehr kontextabhängig. Wenn es um diese Galaxie geht, ob sie nun schon entdeckt wurde oder nicht, da kann man vom beobachtbaren Universum sprechen. Jeder versteht, was damit gemeint ist, während “Sein” oder “ontisch” nur mysteriös bleibt.
Matrix (Morpheus) hat geschrieben:Was ist die Wirklichkeit? Wie definiert man das, Realität? Wenn Du darunter verstehst was Du fühlst, was Du riechen, schmecken oder sehen kannst, ist die Wirklichkeit nichts weiter als elektrische Signale interpretiert von Deinem Gehirn.
Also, ich versuche seit Wochen, ja Monaten, unsere Debatte über das Niveau von Hollywood-Blockbustern und Animes für 16-Jährige zu heben… so hartnäckig und optimistisch bin ich! Bis jetzt ist das noch nicht gelungen – versuche also auch mal deinen Teil dazu beizutragen!
Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 17:29 Ich denke nicht, dass wir diesen Unterschied absolut gedacht überhaupt verstehen können.
Müssen wir auch nicht. Es geht hier darum, dass wir diesen kategorialen Unterschied als solchen erkennen.
Warum immer diese harten Dichotomien? Warum schließt du Grautöne kategorisch aus, in deinem angeblichen “voraussetzungsfreien Prolegomenon zu jeder künftigen Philosophie”?
Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 17:29 Im übrigen beantwortet das nicht die Frage, inwiefern das von Belang ist.
Mmhh ... - vielleicht doch.
Dann hilf mir mal auf die Sprünge.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: Sa 26. Feb 2022, 00:06
Claymore hat geschrieben: Fr 25. Feb 2022, 23:31 Wenn man meint, dass all das, was man für Entität hielt auch nur Vorstellung sein könnte, was hat dann noch Entität für eine Bedeutung?
Man MEINT es ja nicht, sondern weist damit auf den Umstand hin, dass Wissenschaft (= eine Disziplin, die die Welt und deren Erscheinungen programmatisch als Entität verstehen MUSS) Setzungen hat, die nicht falsifierbar sind. - Weitergedacht: Die Wurzel der Wissenschaft ist in der Metaphysik.
IMHO lässt sich, bis jetzt, die Naturwissenschaft mit Materialismus, Dualismus und Idealismus vereinbaren. Widerspruch?

Inwieweit ist die Metaphysik also Wurzel der Naturwissenschaft?
Bei Descartes ist das genauso, weshalb er doch überhaupt erst den (um-) Weg über Gott gehen muss. - Warum sagt er nicht einfach: "Ich mache jetzt Wissenschaft - meine Objekte sind Entität" ---??? - Weil er weiß, dass er erkenntnis-theoretisch diesen Weg gehen muss.
Und warum das?
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: Sa 26. Feb 2022, 00:16 Was du als “lediglich” bezeichnest, ist eine 180°-Umdeutung.
Eventuell subjektiv auf Descartes bezogen, aber doch nicht in der Sache selber.
Claymore hat geschrieben: Sa 26. Feb 2022, 00:16 Was wäre die Matrix? 1) oder 2) ?
Ist das wichtig für meine Frage?

Davon abgesehen: Man kann "Entität" semantisch so unterschiedlich besetzen, dass beides die MAtrix sein kann. - Wie definierst Du "Entität"?
Claymore hat geschrieben: Sa 26. Feb 2022, 00:16 Was wäre Maya, der zauberhafte, verhüllende Traum, mit dem Brahman die materielle Welt als Illusion erschafft?
Das sind erst mal Vorstellungsbilder des Menschen. - Könntest Du diesen Satz aufs Ontische konzentriert formulieren?
Claymore hat geschrieben: Sa 26. Feb 2022, 00:16 da kann man vom beobachtbaren Universum sprechen
Wieder machst Du menschliche Wahrnehmung zum Parameter für (ontisches) Sein. - Genau das ist die Frage: Darf dies zulässig sein?
Claymore hat geschrieben: Sa 26. Feb 2022, 00:16 Warum schließt du Grautöne kategorisch aus
Grautöne ergeben sich ständig in der Wahrnehmung (das ist voll ok). - Aber Abweichungen von schwarz und weiß (= Grautöne) gehen nur dann, wenn es etwas gibt, wovon man abweichen kann (= schwarz oder weiß).
Claymore hat geschrieben: Sa 26. Feb 2022, 00:19 IMHO lässt sich, bis jetzt, die Naturwissenschaft mit Materialismus, Dualismus und Idealismus vereinbaren. Widerspruch?
Kein Widerspruch. - Denn eine Naturwissenschaft wäre undiszipliniert, wenn sie überhaupt nach dieser Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit fragen würde. Den heideggersche Satz "Wissenschaft denkt nicht" darf man getrost AUCH als Schutz für die Disziplin der Wissenschaft verstehen.
Claymore hat geschrieben: Sa 26. Feb 2022, 00:19 Und warum das?
Weil er über das "Wissenschaft denkt nicht" hinausgeht und damit ganz andere Fragen stellen muss.
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