Hiob hat geschrieben: ↑Fr 5. Jan 2024, 00:04
Das ist ein merkwürdiges Unterscheidungskriterium. Geh vielleicht davon aus, dass es Teil des professionellen Handwerks ist, Dinge offen zu lassen, weil man zu einem Zeitpunkt x, an dem man ein Papier präsentieren möchte, nicht alle Punkte einvernehmlich klären kann.
Milliarden € flossen ... nun tut man so, als wäre man über den Tisch gezogen worden. Das ist "merkwürdig"
Hiob hat geschrieben: ↑Fr 5. Jan 2024, 00:04
Unter "Kolonie" versteht man eigentlich Besitzungen, die nicht mit dem Kernland verbunden sind. Als Karl der Große die Sachsen besiegt hat, war Sachsen für ihn keine Kolonie, sondern Teil seines Reiches. Sind für Dich New Mexiko und Texas kolonisierte Länder der USA? Was ist der Unterschied zwischen Tartaren und Sibiren im Osten und Spaniern im Süden? Einverleibt ist einverleibt.
Es geht einmal um die riesige Größe der Gebiete. Und um die frappanten Ähnlichkeiten der russischen Binnenkolonisierung und dem Verhalten der klassischen Kolonialmächte wie England, Spanien und Portugal - z. B. dass private Kompanien gegründet wurden, die im Auftrag der Krone diese Länder und deren Bevölkerung ausplünderten, denen auch nie rechtliche Gleichstellung gewährt wurde. Dafür muss man sich ein wenig mit russischer Geschichte auskennen.
All das wird - wie üblich - geleugnet. Putin stellt sich gar - das ist der Gipfel der Ironie - als anti-kolonialistischer Held dar.
Extra-Erklärung für die Schwerfälligen: das ist eine Ironie, weil Russland sogar so weit geht, seine eigene Kolonialvergangenheit zu leugnen.
Hiob hat geschrieben: ↑Fr 5. Jan 2024, 00:04
So gut kenne ich Russland nicht. Ich höre nur von meinem (deutsch-)russischen Umfeld, dass man in der Sowjetunion (und so viel ich weiß, auch noch heute in Russland) im Ausweis/Pass eine ethnische Zugehörigkeit hat. Also "Russischer Staatsbürger/Russe oder Tartar oder Deutscher oder Jude". Ob dies automatisch als diskriminierend zu verstehen ist, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls halte ich es eher für unwahrscheinlich, dass ein Durchschnitts-Tartar/Deutsche/Jude in Russland mehr diskriminiert wird als ein Durchschnitts-Schwarzer in den USA.
Ja, das ist erstmal nicht ganz so leicht zu beurteilen. Aber nach dem, was man von außen beobachten kann, ist es so.
Putin hat Memorial International verboten. Hab ich doch geschrieben. Etwa schon wieder vergessen ...?
Das wäre so ähnlich wie, wenn man in den USA das Southern Poverty Law Center verbieten würde. Selbst Trump kommt nicht auf solche Ideen. Und es wäre auch unmöglich, sie durchzusetzen.
Das Ausmaß zeigt sich darin, dass die stalinistischen Verbrechen einfach geleugnet werden. Putin hält den Holodmor z. B. für ukrainische Nazi-Propaganda. Der Rest wird heruntergespielt. Es ist so die Sprachregelung: ja, Stalin konnte nicht anders handeln. Er musste hart durchgreifen. Hätte er es nicht getan, wär's nur viel schlimmer gekommen. Die Tartaren, Inguschen, Kalmücken, Tschetschenen sollen sich mal nicht so haben!
Letztlich legitimiert man die Lügen von Stalin selbst, also dass es Kooperationen der nicht-ethnisch-russischen Völker mit der Deutschen Wehrmacht gab. Zumindest implizit.
Natürlich gab es in den USA auch einige Knallchargen und Total-Ausfälle, wie Christopher Hitchens, die z. B. meinten, die "Indianerpopulation wäre
aus Versehen reduziert worden".
Hierzu: Es stimmt, dass unbekannte Krankheitserreger wie die Pocken eingeschleppt, aber darauf beschränkt sich die Sache nicht. Außerdem, wenn man den Berichten glaubt, fanden viele Siedler die Pocken eine tolle Sache.
aerzteblatt.de hat geschrieben:Als biologische Waffe wurden die Pocken eingesetzt, seit sie einigermaßen beherrschbar waren und dagegen geimpft werden konnte. Bereits 1763, während des britisch-französischen Krieges um die nordamerikanischen Kolonien von 1754 bis 1767, ließ Sir Geoffrey Amherst zwei Decken und ein Halstuch von Pockenkranken aus seinem Pocken-Armeehospital den mit den Franzosen verbündeten Indianerstämmen in die Hände spielen, um sie gezielt zu dezimieren. Die englischen Truppen waren dagegen geimpft (18
18. Oldstone MB: Viruses, plagues, and history. Oxford University Press, Oxford/New York 1998.).
Aber Leute wie Hitchens sind eine winzige Minderheit. Und jetzt auch 30 Jahre her. Die Toleranz für solchen Unfug ist deutlich gesunken.
Generell kann man sagen, dass die USA ihre Verbrechen in Gegensatz zu Russland nicht systematisch leugnen und entschuldigen. Da leugnet niemand die Zwangsumsiedlung, Tod durch Zwangsarbeit und Hunger, Sklaverei etc.
Die eine Ausnahme ist Hiroshima und Nagasaki wo es noch eine "Diskussion" gibt, ob es ein Kriegsverbrechen war oder nicht. Ja, schlimm genug. Aber das Ausmaß und die Breite der Leugnung in Russland, ist eine andere. Wenn Putin den Westen das "Reich der Lügen" nennt, was ist dann er?
Hiob hat geschrieben: ↑Fr 5. Jan 2024, 00:04
Das ist medial auch nicht zu empfehlen. Aber de facto läuft es so. Dieses Thema ist Teil der großen Auseinandersetzung zwischen Republikanern und Demokraten in den USA.
Das ist das Grundproblem bei Dir. Du nivellierst und bagatellisierst alle wesentlichen Unterschiede und nennst das dann "differenziertes Denken".
Hiob hat geschrieben: ↑Fr 5. Jan 2024, 00:04
Man sollte im aktuellen Fall nicht übersehen, dass die russische Krim von einem ukrainischen Donbas-Präsidenten (Chrustschow) völlig ohne Not an die Ukrainer verschenkt wurde (da wollte er sich bei seinen Landsleuten wahrscheinlich unsterblich machen), was in Sowjetunion-Zeiten relaitv egal war.
Naja, die Population der Krim wurde massiv mit Siedlungspolitik Richtung "russisch" getrimmt. Hunderttausende Krimtataren wurden deportiert.
Das ändert nichts daran, dass die Krim nach wie vor weit mehrheitlich russisch ist, was auch für den Donbas gilt. Übertragen gesprochen ist dies vergleichbar mit Südtirol und Italien. Südtirol wurde völkerrechtlich Italien zugeschlagen, aber die Südtiroler waren keine Italiener. Hier haben die Ukrainer schwer wiegende Fehler gemacht, indem sie eine "Südtirolisierung" von Krim und Donbas nicht zugelassen, geschweige denn gefördert haben. Dies ging soweit, dass sogar in rein russischsprachigen Gebieten ukrainisch als einzige Sprache eingeführt werden sollte.
Das Gesetz ist von 2022, war also eine Reaktion auf die Invasion - und nicht mal das hat die russische Sprache irgendwie verboten. Oder meinst du, das Gesetz von 2012, das Russisch zur Minderheitensprache erheben sollte, aber dann kassiert wurde?
Du musst verstehen, dass ich die gesammelte Masse an Halbwahrheiten und Fakes, die Du irgendwo aufgeschnappt hast, hier nicht korrigieren kann. Außerdem: wenn Du korrigiert wirst, beharrst Du extrem hartnäckig auf dem "Körnchen" Wahrheit in der Aussage, die es natürlich meistens gibt, und meinst dann, das wesentliche sei nicht widerlegt worden.
Ich denke, an der Ukraine ist nix speziell, außer dem Symbolwert. Putin hat doch überall seine Finger drin. Georgien, Kasachstan, Moldawien. Oder schau Dir doch mal die Leaks bzgl. den Plänen für die baltischen Staaten an. Soll man das auch über "Südtirolisierung" lösen? Da hat man viel zu tun ...
Das ist nicht der nette Onkel, mit dem man eine vernünftige Einigung finden kann.
Man kann zu diesem Konflikt stehen, wie man will. Aber man soll sich bewusst sein, dass hier beide Seiten genug Dreck am Stecken haben, um nicht auf den anderen deuten zu dürfen.
"Genug Dreck am Stecken" ist eine schön banales Totschlagargument.
Die Krim wurde 2014 annektiert. Wo befinden sich denn die russischen Truppen jetzt? Was war denn die Hauptstoßrichtung Februar 2022?
Und dass jetzt nicht noch gleich die nächste Lüge nachgeschoben wird "das war eine Ablenkung". Für eine Ablenkung waren die Verluste etwas zu hoch.
Hiob hat geschrieben: ↑Fr 5. Jan 2024, 00:04NIEMAND kann entscheiden, wem er sich anschließt. Man kann seine Wünsche äußern, was wichtig ist. Aber entschieden wird bei denen, die Neue aufnehmen oder eben nicht aufnehmen. Hätte man ethnisch und historisch entschieden, hätte Europa auf jeden Fall die Baltenstaaten aufnehmen müssen. Von Belarus und der Ukraine hätte man die Finger lassen sollen und dies auch signalisieren müssen. Nicht dass es diese Länder nicht verdient hätten oder etwas falsch gemacht hätten, sondern aus übergeordnetem Interesse des Westens. Und da tickt der europäische Westen halt anders als die USA. Und somit haben wir wieder einen Eisernen Vorhang - Glückwunsch an alle, die ihn wollten.
Niemand kann beweisen, ob es dann besser gelaufen wäre. Aber Du versuchst es nicht einmal zu plausibilisieren.
Hiob hat geschrieben: ↑Fr 5. Jan 2024, 00:04Doch, natürlich. Trotzdem lohnt es sich hier, ins russische Denken einzusteigen, demnach sie von einer nicht verwestlichten Ukraine ausgingen. Da kann man natürlich sagen "Selber schuld, wenn Ihr davon ausgeht", aber dann sagt Russland "Wenn Ihr uns schon verarscht, können wir auch Verträge brechen".
Siehe Charta von Paris
"In diesem Zusammenhang bekennen wir uns zum Recht der Staaten, ihre sicherheitspolitischen Dispositionen frei zu treffen" - gezeichnet Sowjetunion.
Und nun Hiob: "Jaa neeeein, das haben die nur unter der impliziten Annahme unterschrieben, dass es doch nie ernst eingefordert wird ... das muss man doch verstehen!"
Klaro.