Als Teil eigener Interessenvertretung existiert diese Irreführung sehr wohl - aber das gilt für China und den USA genauso. Insofern kann man alle drei in einen Sack stecken und darauf einprügeln - man wird immer den Richtigen treffen.
Die Frage ist deshalb nicht, wer am "besten" irreführt, sondern was eigentlich die Interessen dahinter sind. In Bezug auf Europa sind die Interessen von USA und Russland recht ähnlich: Beide wollen Europa an ihrer Seite haben - jeweils aus machtpolitischen Gründen. In den 90ern sah es einmal gut für eine paneuropäische Lösung aus: Gorbatschows Vision eines freien Europas von Lissabon bis Wladiwostok fand viele Anhänger - darunter auch mich. Für mich deshalb, weil Russland zwar nicht politisch, aber kulturell den Europäern näher ist als die USA. Mit einer Demokratisierung Russlands hätten die verfassungs-politischen Unterschiede vermindert werden können und alle Beteiligten hätten davon etwas gehabt.
Allerdings wäre es ein Rückschlag für die USA gewesen, weshalb diese alles Mögliche getan hat, um eine paneuropäische Einigung zu verhindern - siehe die Forcierung der NATO-Osterweiterung oder den Widerstand gegen NS2. - Das durfte die USA, weil ja auch sie ein Recht auf eigene Interessen hat.
Der eigentlich Schuldige an der Misere ist in meinen Augen Europa, das den Braten hätte riechen müssen, der nun angebrannt ist. Denn als Putin 2001 vor dem Deutschen Bundestag sprach, hatte er nicht (auch nicht im Hinterstübchen) vor, die Ukraine zu überfallen und Europa vom Osten her zu bedrohen. Europa hat schlicht versäumt, in den 90er und 00er Jahren auf eine gesamt-europäische Friedensordnung zu bestehen, in der die eigenen langfristigen Interessen im Vordergrund stehen. Ich bin mir persönlich sicher, dass es keinen Ukraine-Krieg gäbe, wenn ein solches Projekt geglückt wäre.
Dass es NICHT geglückt ist, darf man meines Erachtens den Deutschen am wenigsten anlasten, die ständig versucht haben, über Strategien wie "Wandel durch Handel" sozusagen über die Hintertür diese Friedensordnung aufzubauen. Dabei stieß Deutschland auf inner-europäischen und vor allem amerikanischen Widerstand. Noch mehr: Das diesbezügliche Scheitern Deutschlands, das mit dem Überfall-Krieg Putins besiegelt war, hat Deutschland volle Kanne in die Arme der USA getrieben, über deren Existenz wir (auch ich) jetzt froh sind. Der Amerikaner schützt uns wieder.
Dies war der größte strategische Fehler Putins, den ich ihm persönlich sehr übel nehme. Denn damit hat er Deutschland wie Trottel aussehen lassen und deren gorbatschoweske, also russland-freundliche, Politik erdolcht. - Dies entschuldigt nichtsdestoweniger NICHT jetzt gängige Aussagen, wonach Putin immer Krieg gewollt habe, wir zu naiv gewesen seien und vieles mehr. Denn Putin hat (nach wie vor: unentschuldbarerweise) einen Krieg angezettelt, den es nicht geben würde, hätte Europa von 1990 bis 2010 auf seine langfristigen Interessen bestanden.