Ruben Habito: Zen leben - Christ bleiben

Judentum, Islam, Hinduismus, Brahmanismus, Buddhismus,
west-östliche Weisheitslehre
Salome23
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Re: Ruben Habito: Zen leben - Christ bleiben

Beitrag von Salome23 »

Demian hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Sollte wir nicht vielmehr innehalten, und uns kein Urteil über die Person "Gott" erlauben?
Darum sollten wir es einfach bleiben lassen Gott rational verstehen zu wollen - wie soll das denn gehen? Es wird zwar in unsrem sehr mentalen Zeitalter viele Menschen geben, die bestreiten werden, dass es eine über das personale und rationale Bewusstsein hinausgehende Erfahrung geben kann, aber das eben ist die Essenz des Zen. :)

Im Buddhismus unterscheidet man in etwa acht Bewusstseinsarten. Ganz vereinfacht können wir sie auf zwei reduzieren: das Verstandes- und das Fühlbewusstsein.
Der Verstand ist eine konditionierte Rechenmaschine, die sich für bestimmte Aufgaben eignet. Umsetzung von Architektur, Lösung mathematischer Probleme, das Verstehen eines Kaffeemaschinen-Bauplans. Er ist m.E. ein guter Kompass, mehr aber auch nicht.
In der Meditation erlebt man eine ganz andere Art von Bewusstsein.
8 Bewusstseinsarten? Das ist echt interessant...
Wie heissen sie und wozu sind die dienlich?

Welche Art von Bewusstsein erlebt man in einer Meditation? Kannst du es ansatzweise beschreiben?
Demian
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Re: Ruben Habito: Zen leben - Christ bleiben

Beitrag von Demian »

barbara hat geschrieben:
Demian hat geschrieben: Der Verstand kann Gott schlicht und ergreifend nicht definieren. Wozu sollte ich das aber wollen?
Für manche Moderne mag es eine schwierige Vorstellung sein, dass es Dinge gibt, die der Verstand nicht fassen kann - und zwar aus Prinzip nicht fassen kann. :angel:

gruss, barbara
Mehr noch: es ist ein regelrechter Kulturschock, wenn man feststellt, dass der Verstand das WESENtliche überhaupt nicht fassen kann. ;)
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Pluto
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Re: Ruben Habito: Zen leben - Christ bleiben

Beitrag von Pluto »

Demian hat geschrieben:...es ist ein regelrechter Kulturschock, wenn man feststellt, dass der Verstand das WESENtliche überhaupt nicht fassen kann. ;)
Von wegen, Kulturschock.
Wenn man etwas Attribute zuordnet (Allmacht, Allwiessenheit, ohne Lüge, usw.), dann sollte man schon wissen wovon man überhaupt redet, sonst wird das gesamte Konzept (Wesen) in Frage gestellt, bzw. falsifiziert.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
Demian
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Re: Ruben Habito: Zen leben - Christ bleiben

Beitrag von Demian »

Pluto hat geschrieben:Von wegen, Kulturschock.
Wenn man etwas Attribute zuordnet (Allmacht, Allwiessenheit, ohne Lüge, usw.), dann sollte man schon wissen wovon man überhaupt redet, sonst wird das gesamte Konzept (Wesen) in Frage gestellt, bzw. falsifiziert.
Kann man das Lebendige kontrollieren und definieren? Das Tote kann man zweifellos definieren und auseinander nehmen, einen Leichnam oder eine Maschine zum Beispiel - und aus der Liebe kann ich eine Philosophie machen oder eine Religion der Nächstenliebe. Weiß ich deswegen was Liebe ist - Liebe ich dadurch? Nein. Der Verstand kann zu der Erkenntnis kommen, dass das Absolute zwingend logisch der „Zusammenfall der Gegensätze“ ist, Einheit mit allem Widerspruch. So definierte Nikolaus von Kues Gott. Damit weiß ich aber immer noch nicht was gemeint ist und ich komme auch nicht in die Erfahrung von Sein. Sein kann ich nur erfahren, wenn ich vom Verstand ins Fühlbewusstsein komme, wenn ich alle Vorstellungen und Konzepte loslasse und einfach BIN. Nichts weiter. Thats the beautiful and simple truth of Zen. :thumbup:
Salome23
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Re: Ruben Habito: Zen leben - Christ bleiben

Beitrag von Salome23 »

Demian hat geschrieben:
Kann man das Lebendige kontrollieren und definieren? Das Tote kann man zweifellos definieren und auseinander nehmen, einen Leichnam oder eine Maschine zum Beispiel - und aus der Liebe kann ich eine Philosophie machen oder eine Religion der Nächstenliebe. Weiß ich deswegen was Liebe ist - Liebe ich dadurch? Nein. Der Verstand kann zu der Erkenntnis kommen, dass das Absolute zwingend logisch der „Zusammenfall der Gegensätze“ ist, Einheit mit allem Widerspruch. So definierte Nikolaus von Kues Gott. Damit weiß ich aber immer noch nicht was gemeint ist und ich komme auch nicht in die Erfahrung von Sein. Sein kann ich nur erfahren, wenn ich vom Verstand ins Fühlbewusstsein komme, wenn ich alle Vorstellungen und Konzepte loslasse und einfach BIN. Nichts weiter. Thats the beautiful and simple truth of Zen. :thumbup:
Sein kann ich nur erfahren, wenn ich vom Verstand ins Fühlbewusstsein komme, wenn ich alle Vorstellungen und Konzepte loslasse und einfach BIN.
Kann einem das im Alltagsleben denn gelingen?
Hat man denn nicht immer Vorstellungen von irgendwas-verwendet seinen Verstand(=verstehen)? Gewinnt durch ihn etwas oder blockiert etwas
Ist man denn deswegen nicht im Sein-mit allem was wir tun, denken und fühlen -das ist doch sein-jetzt..in dem(und in jedem) ) Moment...
Demian
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Re: Ruben Habito: Zen leben - Christ bleiben

Beitrag von Demian »

Salome23 hat geschrieben:Kann einem das im Alltagsleben denn gelingen? Hat man denn nicht immer Vorstellungen von irgendwas-verwendet seinen Verstand(=verstehen)?
Der Verstand ist nur ein Bruchteil unsres Bewusstseins. Wir sind aber nicht der Verstand und seine Vorstellungen. Gedanken kommen und vergehen. Haben keine Permanenz. Schon deshalb können wir das nicht sein. Sein ist das, was bleibt, aus dem die Gefühle und Gedanken kommen und in das sie zurückgehen. Im Grunde sind wir dieses Sein, das sich in diesem Moment durch uns ausdrückt. Das kann man in der Meditation erfahren. Aber in der Meditation geht es nicht darum, dauerhaft in der Versenkung zu bleiben. Auch ein Satori kann und soll nicht dauerhaft sein, sondern in den ALLtag führen.

Im Zen wird der „Anfängergeist“ geübt, die Vereinfachung des Lebens auf das Wesentliche hin, spontanes und klares Handeln aus dem gesammelten Bewusstsein. Der Verstand hingegen plant, berechnet und manipuliert. Wir kommen durch ihn nicht in Einklang. Es geht nicht darum den Verstand abzuschaffen. Das geht nicht, denn er ist ein Programm unsres Ichbewusstseins. Es geht aber darum die Aufmerksamkeit vom konzeptuellen Denken in Ideen, Begriffen und Kategorien in den Moment zu holen. Pures, waches Dasein. Wir können in den Verstand und wieder heraus gehen. In der Meditation erkennt und übt man einfach, sich nicht mehr damit zu identifizieren. Dann kann ich ihn viel sinnvoller, bewusster gebrauchen, wo er hilfreich ist – ohne mich von den von außen aufgeprägten Konditionierungen und Vorstellungen leben zu lassen.
Gewinnt durch ihn etwas oder blockiert etwas
Ist man denn deswegen nicht im Sein-mit allem was wir tun, denken und fühlen -das ist doch sein-jetzt..in dem(und in jedem) ) Moment...
In der Regel erfolgt die Verstandesfixierung, weil Menschen einseitig „angenehme“ Gefühle zulassen, während sie unangenehme Gefühle unterdrücken. Oder sie haben ein bestimmtes, einseitig gutes Selbstbild, das sie aufrecht erhalten wollen, das vielleicht kaum mit der Realität übereinstimmt. Dann helfen die vielen Vorstellungen dabei die wahren und eben auch schmerzlichen Gefühle zu überdecken. Dann ist ihr Leben, wie ein angenehmer Schlaf, aber sie erleben ihr Leben nicht wirklich wach und bewusst. Dann fehlt einiges an Tiefe und Intensität. Dann bist du nicht wirklich in deiner Kraft. Überspitzt gesagt: wir können unser Leben durch den Verstand so simulieren, als sei es eine Mauer von perfekten Momenten. Kann dann aber noch richtige Schönheit wachsen und aufblühen?
Demian
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Re: Ruben Habito: Zen leben - Christ bleiben

Beitrag von Demian »

Mia hat geschrieben: Der Glaube, egal welcher, spaltet die Menschheit in gut und schlecht und macht ein Urteil freies Leben unmöglich.
Richtig. Aber der Spaß geht noch weiter: nicht nur der Glaube, sondern auch der Nichtglaube spaltet. Was ist die Alternative? Für mich der radikale Weg der Mitte oder Liebe, die nicht mehr eine Grenze zwischen Du und Ich, irgendeinem Glauben oder Nichtglauben, zwischen Mensch und Natur macht, sondern das ganze Sein in einer Beziehung erkennt und ....... genießt. :)
Zuletzt geändert von Demian am Di 14. Jan 2014, 07:10, insgesamt 1-mal geändert.
Babs
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Re: Ruben Habito: Zen leben - Christ bleiben

Beitrag von Babs »

Salome23 hat geschrieben:
Sein kann ich nur erfahren, wenn ich vom Verstand ins Fühlbewusstsein komme, wenn ich alle Vorstellungen und Konzepte loslasse und einfach BIN.
Kann einem das im Alltagsleben denn gelingen?
Hat man denn nicht immer Vorstellungen von irgendwas-verwendet seinen Verstand(=verstehen)?
Kann schon. Manuelle Tätigkeiten, die wenig intellektuelle Aufmerksamkeit erfordern aber Gefühl in den Händen, sind bestens geeignet dafür: Geschirr spülen, Gemüse schnippeln, stricken...Da kann man manchmal in das Stadium kommen wo "es" spült, schnippelt oder strickt - unabhängig vom Ego.

und dann - nur dann - können inspirierte Dinge entstehen wie diese Teeschale:
http://dawan-chawan-chassabal.blogspot. ... n-ido.html

gruss, barbara
Demian
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Re: Ruben Habito: Zen leben - Christ bleiben

Beitrag von Demian »

barbara hat geschrieben:
Kann schon. Manuelle Tätigkeiten, die wenig intellektuelle Aufmerksamkeit erfordern aber Gefühl in den Händen, sind bestens geeignet dafür: Geschirr spülen, Gemüse schnippeln, stricken...Da kann man manchmal in das Stadium kommen wo "es" spült, schnippelt oder strickt - unabhängig vom Ego.
Grundsätzlich geht das immer, in meinen Augen ... es ist eine Frage der Übung. Bewusstsein erfährt man in jeder Situation, in jedem Moment und jedem Beruf anders. Der Verstand ist nur ein Programm des personal Computers "Ego", aber nicht das Bewusstsein an sich. Im Vipassana betrachtet man die Gedanken beim Denken, woher sie kommen, wie sie entstehen und vergehen. Wohin sie vergehen. Es ist eigentlich eine sehr lustige Erfahrung, wenn man bemerkt, wie der kleine Mann im Kopf vor sich hin arbeitet. Von mir kenne ich das auch, dass ich dann während der Meditation in Stille plötzlich auflache. Wunderbar! ;)
Demian
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Re: Ruben Habito: Zen leben - Christ bleiben

Beitrag von Demian »

2Lena hat geschrieben: Von Jesus sind kaum Taten bekannt. Die Wunder sind nicht nachvollziehbar. Die Reden des NT sind für jeden genau arbeitenden Sprachwissenschaftler ein Rätsel. Andere Personen, die weniger kritisch auf die Worte achten, überbrücken die Texte mit viel Fantasie. Ein gelungenes Beispiel dafür (bitte nicht böse sein :-)
Du hast natürlich Recht - aus sprachwissenschaftlicher Sicht. Mein Jesusbild ist aber meditativ begründet in der Erfahrung von Einheit und Liebe. Für mich ist Jesus ein jüdischer Mystiker, der diese Liebe zum Ausdruck gebracht hat. Die objektiven Einzelheiten spielen für mich keine große Rolle. Ich habe kein rational definiertes oder sogar dogmatisches Jesusbild. Ich möchte daraus keine Religion machen - und für mich ist es auch kein Problem, wenn jemand behauptet, dass Jesus lediglich eine Fantasiefigur ist. All diese Fragen und Zweifel bedienen den rationalen Verstand. Mein Zugang ist aber die Meditation. Würde ich die Bibel wissenschaftlich lesen, dann wäre die Tiefenpsychologie mein bevorzugter Zugang.

Widersprechen muss ich dir aber, dass ich den biblischen Text mit viel Fantasie zu überbrücken versuche. Um es mal offen auszusprechen: die Bibel ist für mich eine Quelle von Weisheit, aus der ich schöpfe, wenn es mir richtig erscheint, aber nicht meine eigentliche Orientierungsgrundlage. Darum gibt es für mich da nichts zu überbrücken. In diesem Sinne bin ich also kein Christ, sofern man darunter einen bestimmten schriftlich-fixierten Glauben versteht. Ich greife die Impulse auf, die mir die christliche Spiritualität gibt, arbeite mit meinem Bild von Jesus, ohne je an ein Ende damit zu kommen ... es ist mir eine Freude. Darum kann ich eigentlich auch gar nicht sagen, was ich nun eigentlich bin ... bin ich ein Christ oder nicht? Keine Ahnung. Die Antwort finde ich eigentlich immer irrelevanter, während die Glut der Fragen immer wieder eine herzliche Weite entfacht. Glutenes Fragen entfachen, das ist für mich Christsein in der Essenz.
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