Re: Logik und Erkenntnis
Verfasst: Mo 16. Jan 2023, 13:38
"Ursprung und Ziel" ist offenbar gerade keine gute Quelle für " wissenschaftliche u. philosophische Auseinandersetzungen", denn dieses Zitat behauptet leicht durchschaubaren, unterkomplexen Quatsch. Wenn meine Meinungen das Ergebnis der in meinem Hirn ablaufenden neurochemischen Prozesse und komplexer Informationsprozesse in den Neuronen und der diversen Hirnarreale untereinander sind, dann handelt es sich zunächt einmal nicht nur um chemische, sondern auch um neuronale und informationsverarbeitende Prozesse, die nicht einfach auf Chemie und Elektrik zurückführbar sind. Dieser Gedanke ist so unsinnig wie die Behauptung, was ein Computer an Daten ausgibt sei allein bestimmt durch seine Elektrik und das Material, aus dem seine Leitungen und seine CPU/GPU besteht, was offenkundig falsch ist.Spice hat geschrieben: ↑Mo 16. Jan 2023, 07:57 Kleiner Einwurf für alle Beteiligten
Ich denke hier oder anderswo von Hiob gelesen zu haben, man treffe einen Vorentscheid und dann erst beginne die Arbeit des logischen Denkens und Argumentierens. Das ist aber überhaupt nicht nötig!
Beim nochmaligen Lesen von "Ursprung und Ziel" - eine gute Quelle für wissenschaftliche u. philosophische Auseinandersetzungen - bin ich auf ein Zitat von J.B.S Haldane gestoßen, der sagte
„...wenn der Materialismus wahr ist, dann, so scheint mir, können wir nicht wissen, ob er wahr ist. Wenn meine Meinungen das Ergebnis der in meinem Gehirn ablaufenden chemischen Prozesse sind, dann sind sie durch die Gesetze der Chemie und nicht der Logik determiniert.“
Wer wissen möchte, wie komplex unser Gehirn arbeitet, sollte wenigstens Gehirn und Geist - Wie aus Materie Bewusstsein entsteht von dem renommierten Arzt und Neurowissenschaftler Giulio Tononi und Gerald Edelman lesen.
Ich bin im Übrigen dezidiert NICHT der Ansicht, dass unsere Gedanken, unser Bewusstsein und unser Geist im Allgemeinen, mit neuronalen Prozessen in unserem Gehirn IDENTISCH sind! Markus Gabriel hat das lesenswerte Buch GEIST IST NICHT GEHIRN zum Thema verfasst.
Nein, übersinnliches Erleben ist kein Fakt. Fakt ist, dass es unwissenschaftlich und unphilosophisch denkende Menschen gibt, die bestimmte Erlebnise von Personen oder von sich selbst, als übersinnlich interpretieren.
Und damit hat Jaspers auch recht. Wissenschaftlichkeit ist gut, Wissenschaftsglaube aber ist schlecht. Wie jeder Glaube ist auch der an die Wissenschaft dadurch geprägt, dass er dem Objekt des Glaubens viel zu viel Erklärungspotenzial zutraut. Wissenschaftlichkeit ist eine Methode, nicht der Inhalt irgend eines Glaubens. Das geht schon darum nicht, weil zu Wissenschaftlichkeit immer auch die kritische Sicht auf die eigenen Ergebnisse und Grundlagen gehört. Diese grundsätzlich kritische Sicht auf sich selbst wird durch den methodischen Atheismus ihrer Arbeitsweise abgesichert. Gott, Engel, Dschinns, der Teufel oder Waldfeen und andere übersinnliche Spukwesen oder magische Objekte dürfen nicht für Erklärungen wissenschaftlicher Zusammenhänge herangezogen werden, denn sie widersprechen unmittelbar wissenschaftlichem Denken und der großen Errungenschaft der Wissenschaft selbst.Spice hat geschrieben: ↑Mo 16. Jan 2023, 07:57 Deshalb sagte bereits Karl Japers
"Das Unheil menschlicher Existenz beginnt, wenn das wissenschaftlich Gewußte für das Sein selbst gehalten wirdund wenn alles, was nicht wissenschaftlich messbar ist, als nicht existent gilt. Wissenschaft wird zum Wissenschaftsaberglauben, und dieser stellt im Gewande von Scheinwissenschaft den Haufen von Torheiten hin, indenen weder Wissenschaft noch Philosophie noch Glauben ist."
Wahr ist am Jasperszitat, dass mit Naturwissenschaft die existenziellen Probleme des Menschen nicht vollständig zu lösen sind. Möglicherweise auch nicht mit den Geisteswissenschaften, obwohl die Philosophie genau hier ihren Ansatzpunkt hat. Deswegen ist Philosophie auch mehr als Wissenschaft, sie ist darüber hinaus eine Lebensweise, eine Weise, die Welt denkend zu begreifen und in ihr zu leben, aber eben nicht glaubend.