ProfDrVonUndZu hat geschrieben: ↑Di 23. Apr 2024, 13:52
Das hebräische
hāyâ ist eine Mischform aus unserem deutschen
sein und
werden.
Dazu mal klar nein, aber nochmals, ob du es hören willst oder nicht: Es existiert auf Hebräisch keine Präsensform des Verbs "sein" (Infinitiv "li-hijot"), egal was du vermischt sehen willst. Es stehen die anderen Temporalformen hier gar nicht zur Disposition.
Der springende Punkt bleibt nämlich der: Ein "Ich bin" (Präsens!) gibt es nicht, aber auf Griechisch steht es so übersetzt. Was war nun die eigentliche Aussage Jesu auf Hebräisch?
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: ↑Di 23. Apr 2024, 13:52
Das stimmt, aber jeder Rückschluss auf eine vermeintliche Form einer Urfassung kann nur hochgradig spekulativ bleiben.
Daher muss man kontextuell lesen, besonders wenn einem die Grammatik einen Streich spielen will. Eines meiner Hauptargumente ist, dass der Kontext auf keine Temporalaussage hinweist, sondern eindeutig auf Jesu Vorrangstellung.
Wer das ignoriert weiß weiter nicht, was Jesus den Juden sagen wollte und folgt nur dogmatischer Interpretation. Jesus sagt aber sinngemäß: "Ich bin mehr als Abraham." So auch an weiteren Stellen wie z.B. an dieser:
Lk 11,32 hat geschrieben: Männer von Ninive werden aufstehen im Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; denn sie taten Buße auf die Predigt Jonas hin; und siehe, mehr als Jona ist hier.
Der Kontext zeigt, dass Jesus auf sich hinweist, wenn er sagt:
"Siehe, mehr als Jona ist hier". Hier merkt man, dass sich die ÜS mehr an die hebräische Sprechweise anlehnt, denn an sich ist das so übersetzt auch kein verständlicher Satz, aber durch den Kontext wird das klar.
Auf Hebräisch ist es aber verständlich, wiewohl der Satz dann kein Verb enthält, weil es eben keine Präsensformen von "sein" gibt (d.h. es gibt auch kein "ist", "sind" oder "seid" für die anderen Personalformen).
Auf Deutsch klingt es verstümmelt, wenn man sagt: "Siehe, mehr als Jona", wenn ein "ich bin" dabei komplett fehlt. Solches gilt auch für das Verb "haben" (als Hauptzeitwort im Sinne von besitzen) Die Sprachstrukur ist eben anders als wir das gewohnt sind.
Also die Aussagen "Ich bin mehr" (im Sinne von höhergestellt) oder "Ich habe mehr Vollmacht" ("haben" als Besitzform) kann man auf Hebräisch den Worten nach nicht 1:1 übertragen, weil dazu die Worte auf Hebräisch fehlen.
Es steht da nun auf Hebräisch rekonstruiert, wie ich meine, dass Jesus Folgendes gesagt hatte: "
Siehe, hier mehr (als) Jona". Das versteht man auf Deutsch so nicht, auf Hebräisch schon.
Zurück nun zu Johannes 8. Auch dort macht der Kontext klar, dass Jesus nichts anderes behandelt, als dass er sagen wollte: "Schon seit Abraham steht fest, dass ich mehr (höhergestellt) bin als er. Das reine "ich bin" ist also eine unvollständige ÜS. Und es fragten ihn ja zuvor auch die Juden:
Joh 8,53 hat geschrieben: Bist du etwa größer als unser Vater Abraham, der gestorben ist? Und die Propheten sind gestorben. Was machst du aus dir selbst?
Sieht man hier nicht klar, dass die Juden sehr wohl verstanden haben um was es geht? Es grenzt an Ironie, dass sie im folgenden Gesprächesverlauf daraus eine Altersfrage gemacht haben, weil sie Jesu eigentlicher Aussage nicht glauben wollten und ihn sogar für dämonisiert hielten.
Man liest, dass sie unverständig geblieben sind und den Sinn in dieselbe Richtung drehen wie es Christen tun, welche den Kontext wiederum ignorieren, nur mit dem Unterschied, dass Juden nicht an eine Präexistenz eines Menschen glauben.
Das aber ist das einzige, was sie richtig verstehen und solches hatte Jesus auch nie bestätigt, sondern diesen Schuh macht die Theologie daraus. Die Theologie der Christen zeigt damit, dass sie nicht nur ignorant, sondern auch dumm ist.
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: ↑Di 23. Apr 2024, 13:52
Wir haben es bei den Evangelien in keiner Weise mit der Abbildung objektiver historischer Tatsachen zu tun.
Das trifft sehr für das Jh-Ev und Mt-Ev zu, weniger für das Mk-Ev und so gut wie nicht für das Lk-Ev. Lukas zeichnet sich gerade unter den Autoren im NT als hervorragender Historiker aus. Aus dem Grund suche ich gerne parallele Hinweise in seinem Evangelium, wie oben dargestellt.