Die Konsequenzen moderner Physik für die Weltanschauung
Verfasst: Do 27. Nov 2014, 11:17
Da Pluto angeregt hat, dazu mal einen thread zu eröffnen, tue ich das hiermit.
Um klar zu machen, worum es mir geht, hole ich ein wenig aus. Ich schildere zuerst den Zustand der Physik im Rahmen der klassischen Physik.
Mit der klassischen Physik meine ich die klassische Mechanik (Newton, Lagrange, Hamilton) und die klassische Elektrodynamik (Maxwell).
Die genaue mathematische Begründung dieser Modelle spielt hier jetzt keine allzu große Rolle, der wesentliche Punkt ist, dass es die folgenden Grundsätze gibt.
- Es gibt die Größen Ort (3 Dimensionen) und Impuls (Geschwindigkeit) für die Beschreibung der klassische Massen
- Es gibt jeweils ein Feld, das vom Ort abhängig ist für die Beschreibung der elektrischen Kraft und magnetischen Kraft
- Die Gleichungen, die diese Größen miteinander zu den dynamischen Gleichungen verbanden, waren Gleichungen der ersten Ordnung in der Zeit
Wir haben es hier also mit einer direkten physikalischen Beschreibung der wahrnehmbaren Größen (Masse, elektromagnetische Kraft) zu tun, die auch auf direkte Messungen von Ort und Geschwindigkeit beruhen. Die Modelle sind also eine unmittelbare Beschreibung der Erfahrung.
Die Tatsache, dass die Gleichungen in der ersten Ordnung der Zeit sind, hat eine bedeutsame Konsequenz.
- Kennt man den Zustand des Universums zu einem Zeitpunkt vollständig (alle Massen, alle elektromagnetischen Felder), dann kann man jeden Zustand des Universum in alle Zukunft 100% genau berechnen.
Zwar gibt es in dieser Modellierung auch so etwas wie Zufall (Boltzmanns statistische Mechanik), dieser Zufall ist aber nicht prinzipieller Natur, sondern eine Konsequenz der praktischen Unfähigkeit, einen Zustand beliebig genau festzustellen.
Eine solche Modellierung der Realität hat keinen Platz für Gott. Man kann vielleicht noch sagen, dass irgendjemand diesen ominösen Anfangszustand hergestellt haben muss, aber danach wird Gott überflüssig, denn alles verläuft wie eine Maschine, die vor sich hin schnurrt. Es gibt kein Schicksal und keinen freien Willen, alles ist festgelegt. Sogar ein Eingreifen Gottes ist nicht möglich, denn jedes Eingreifen wäre ein Widerspruch zu den physikalischen Gesetzen.
Das alles änderte sich mit der Entwicklung der Quantenmechanik, die 1925 begann. Die wesentliche Änderung, die diese Modellierung mit sich brachte, ist die Erkenntnis, dass eine direkte Beschreibung der beobachtbaren Größen (Ort, Impuls, Kraft, etc) nicht möglich ist. Die Grundsätze der Modellierung sind nun:
- Die Grundgröße der Modellierung ist die Wellenfunktion. Die Wellenfunktion ist nicht direkt beobachtbar. Sie beschreibt die beobachtbaren Größen indirekt, indem man mit ihrer Hilfe Wahrscheinlichkeiten der Größe von Ort, Impuls, Kraft etc ausrechnen kann.
- Die dynamische Gleichung ist immer noch erster Ordnung in der Zeit (Kleiner Hinweis: Eigentlich zweiter Ordnung, aber es ist nur eine Lösung physikalisch sinnvoll), aber die Entwicklung ist jetzt in der Wellenfunktion.
Die Aussage von oben verändert sich daher fundamental. Sie lautet jetzt.
- Kennt man den Wahrscheinlichkeitszustand des Universums komplett, dann kann man die Entwicklung der Wahrscheinlichkeiten bis in alle Zukunft ausrechnen.
Daran zeigt sich, dass die physikalische Beschreibung der Realität sich gewandelt hat von der Beschreibung des Ist in eine Beschreibung der Möglichkeiten. Welche der Möglichkeiten jetzt tatsächlich zu einem Zeitpunkt eintritt ist unbekannt. Dies wird durch die Physik nicht bestimmt, die Zukunft ist offen.
Dazu gibt es noch die Entdeckung des Chaos bzw. der Konsequenzen der nichtlinearen Dynamik. Die Tatsache, dass klassische Gleichungen hochgradig nicht-linear sind, hat zur Konsequenz, dass sich die Unfähigkeit zur Vorhersage der Zukunft von den mikroskopischen Systemen in das ganze Universum verbreitet. Typisches Beispiel ist die Unfähigkeit, das Wetter auf längere Zeiträume vorherzusagen. Diese Unfähigkeit ist jetzt nicht mehr praktischer Natur, sondern prinzipiell.
Daher bin ich auch davon überzeugt, dass die Eigenschaften quantemechanischer Systeme übertragbar sind auf recht große Gebilde, wie Zellen, Neuronen, Menschen. Prinzipiell sind das klassische Gebilde, aber sie werden beeinflusst von Zustandsänderungen, die sich klassisch nicht mehr erfassen lassen.
Die Konsequenz für die Weltanschauung ist fundamental. Gott wird wieder zu einer Denkmöglichkeit.
Wichtig ist: Das ist kein Beweis Gottes, das ist keine Methode, um Gott zu messen.
Aber: Es gibt die Freiheit, die Existenz und das Handeln Gottes in unserer Welt anzunehmen, ohne den physikalischen Beschreibungen zu widersprechen.
Gruß
Thomas
Um klar zu machen, worum es mir geht, hole ich ein wenig aus. Ich schildere zuerst den Zustand der Physik im Rahmen der klassischen Physik.
Mit der klassischen Physik meine ich die klassische Mechanik (Newton, Lagrange, Hamilton) und die klassische Elektrodynamik (Maxwell).
Die genaue mathematische Begründung dieser Modelle spielt hier jetzt keine allzu große Rolle, der wesentliche Punkt ist, dass es die folgenden Grundsätze gibt.
- Es gibt die Größen Ort (3 Dimensionen) und Impuls (Geschwindigkeit) für die Beschreibung der klassische Massen
- Es gibt jeweils ein Feld, das vom Ort abhängig ist für die Beschreibung der elektrischen Kraft und magnetischen Kraft
- Die Gleichungen, die diese Größen miteinander zu den dynamischen Gleichungen verbanden, waren Gleichungen der ersten Ordnung in der Zeit
Wir haben es hier also mit einer direkten physikalischen Beschreibung der wahrnehmbaren Größen (Masse, elektromagnetische Kraft) zu tun, die auch auf direkte Messungen von Ort und Geschwindigkeit beruhen. Die Modelle sind also eine unmittelbare Beschreibung der Erfahrung.
Die Tatsache, dass die Gleichungen in der ersten Ordnung der Zeit sind, hat eine bedeutsame Konsequenz.
- Kennt man den Zustand des Universums zu einem Zeitpunkt vollständig (alle Massen, alle elektromagnetischen Felder), dann kann man jeden Zustand des Universum in alle Zukunft 100% genau berechnen.
Zwar gibt es in dieser Modellierung auch so etwas wie Zufall (Boltzmanns statistische Mechanik), dieser Zufall ist aber nicht prinzipieller Natur, sondern eine Konsequenz der praktischen Unfähigkeit, einen Zustand beliebig genau festzustellen.
Eine solche Modellierung der Realität hat keinen Platz für Gott. Man kann vielleicht noch sagen, dass irgendjemand diesen ominösen Anfangszustand hergestellt haben muss, aber danach wird Gott überflüssig, denn alles verläuft wie eine Maschine, die vor sich hin schnurrt. Es gibt kein Schicksal und keinen freien Willen, alles ist festgelegt. Sogar ein Eingreifen Gottes ist nicht möglich, denn jedes Eingreifen wäre ein Widerspruch zu den physikalischen Gesetzen.
Das alles änderte sich mit der Entwicklung der Quantenmechanik, die 1925 begann. Die wesentliche Änderung, die diese Modellierung mit sich brachte, ist die Erkenntnis, dass eine direkte Beschreibung der beobachtbaren Größen (Ort, Impuls, Kraft, etc) nicht möglich ist. Die Grundsätze der Modellierung sind nun:
- Die Grundgröße der Modellierung ist die Wellenfunktion. Die Wellenfunktion ist nicht direkt beobachtbar. Sie beschreibt die beobachtbaren Größen indirekt, indem man mit ihrer Hilfe Wahrscheinlichkeiten der Größe von Ort, Impuls, Kraft etc ausrechnen kann.
- Die dynamische Gleichung ist immer noch erster Ordnung in der Zeit (Kleiner Hinweis: Eigentlich zweiter Ordnung, aber es ist nur eine Lösung physikalisch sinnvoll), aber die Entwicklung ist jetzt in der Wellenfunktion.
Die Aussage von oben verändert sich daher fundamental. Sie lautet jetzt.
- Kennt man den Wahrscheinlichkeitszustand des Universums komplett, dann kann man die Entwicklung der Wahrscheinlichkeiten bis in alle Zukunft ausrechnen.
Daran zeigt sich, dass die physikalische Beschreibung der Realität sich gewandelt hat von der Beschreibung des Ist in eine Beschreibung der Möglichkeiten. Welche der Möglichkeiten jetzt tatsächlich zu einem Zeitpunkt eintritt ist unbekannt. Dies wird durch die Physik nicht bestimmt, die Zukunft ist offen.
Dazu gibt es noch die Entdeckung des Chaos bzw. der Konsequenzen der nichtlinearen Dynamik. Die Tatsache, dass klassische Gleichungen hochgradig nicht-linear sind, hat zur Konsequenz, dass sich die Unfähigkeit zur Vorhersage der Zukunft von den mikroskopischen Systemen in das ganze Universum verbreitet. Typisches Beispiel ist die Unfähigkeit, das Wetter auf längere Zeiträume vorherzusagen. Diese Unfähigkeit ist jetzt nicht mehr praktischer Natur, sondern prinzipiell.
Daher bin ich auch davon überzeugt, dass die Eigenschaften quantemechanischer Systeme übertragbar sind auf recht große Gebilde, wie Zellen, Neuronen, Menschen. Prinzipiell sind das klassische Gebilde, aber sie werden beeinflusst von Zustandsänderungen, die sich klassisch nicht mehr erfassen lassen.
Die Konsequenz für die Weltanschauung ist fundamental. Gott wird wieder zu einer Denkmöglichkeit.
Wichtig ist: Das ist kein Beweis Gottes, das ist keine Methode, um Gott zu messen.
Aber: Es gibt die Freiheit, die Existenz und das Handeln Gottes in unserer Welt anzunehmen, ohne den physikalischen Beschreibungen zu widersprechen.
Gruß
Thomas