Die Begrifflichkeit “Physikalisch” bedeutet: die Physik betreffend, Forschungsgegenstand der Physik, nach den Gesetzen der Physik ablaufend.
D. h. “physikalisch” ist nur bekannt / verständlich im Kontext eines bestehenden Physik-Betriebs. Kurz: du verwendest jetzt bereits Wissen, das dir angeblich erst später zur Verfügung stehen kann – nachdem die Zweifel überwunden sind, nachdem “der Weg frei ist” für die Naturwissenschaft.
Die These, dass eine Entität entweder physikalisch oder “geistlich” ist, wird von dir hier einfach so vorausgesetzt – ohne das geringste Argument.Er könnte auch eine entitäre geistliche Größe sein, die NICHT Produkt unserer Vorstellung ist - richtig. - Aber darum ging es bei Descartes nicht, weil die Zielrichtung seiner Fragestellung anders war.
Stattdessen haben wir am Beispiel des Unbewussten gesehen wie fragwürdig die Begriffsbestimmung auch nur von res cogitans ist.
Und was “physikalisch” ist – das haben wir uns unrechtmäßig aus der Zukunft, in der der Zweifel bereits überwunden ist, ausgeborgt.
Auch die erneute Wiederholung dieses hohlen “Gedanken”gangs bringt gar nichts und beantwortet auch nichts.Weil Descartes damit sagt:
1) Wir haben letztlich nur die Res cogitans als Maßstab für Wahrnehmung.
2) Die Res extensa können wir nur deshalb als "echt" bezeichnen, weil wir einen wohlwollenden Gott annehmen, der uns nicht verarscht.
Wie gesagt: wenn alles auf das Endresultat “Zu bizarre Weltanschauungen kann man ausschließen, da wir an einen wohlwollenden Gott glauben wollen” hinauslaufen soll, kann man sich diese seltsamen Konstruktion von res extensae (die ja eh unsinnig ist – man denke an qualitative Eigenschaften. Vergessen?) und die Frage ob jene “echt” (die Formulierung “res extensae sind ‘echt’” bleibt kompletter Unfug, selbst wenn man echt in Anführungszeichen setzt) sind, sparen. Es ist egal ob sie “echt” (??) sind – das schließt immer noch nicht Last-Thursdayism aus.
Genauso wenig ist interessant, ob es irgendein sicheres Wissen gibt. Was hilft z.B. das (angeblich) sichere Wissen, dass man selbst existiert, solange sonst alles in Frage gestellt werden kann? Nichts, rein gar nichts.
Kurz gesagt: 1) und 2) stehen in keinem Zusammenhang und liefern auch keine Begründung für das Endresultat: “Zu bizarre Weltanschauungen kann man ausschließen, da …”.
Ich sehe da überhaupt keine Einsicht. Nur Wortgeklingel. Descartes reiht völlig unzusammenhängende Ideen und Begriffsbildungen aneinander, in der Hoffnung, dass das ganze am Ende wie eine tatsächliche Argumentation aussieht.Descartes ist mit dieser seiner Einsicht weiter als viele heutige Erkenntnis-Theorien.
Nun müsste man aber die Brücke schlagen vom sicheren (?) Wissen des “Cogito ergo sum” zum Endresultat:Das "Cogito ego sum" ist doch die Antwort auf JEGLICHEN Zweifel (im Grunde dasselbe wie das augustinische "Si fallor, sum".
“Zu bizarre Weltanschauungen kann man ausschließen, da wir an einen wohlwollenden Gott glauben wollen.”
Genau das passiert aber nicht. Also kann dieser ganze Exkurs mit dem Cogito ersatzlos gestrichen werden.
Abgesehen davon ist “Cogito ergo sum” nur deshalb jenseits aller (möglichen, theoretischen) Zweifel, weil Descartes den Wahnsinn ausschließt. Unter Wahnsinn erscheint einem so allerlei als selbstevident – was einem bei geistiger Gesundheit als zweifelhaft erscheinen würde. Genauso könnte die Selbstevidenz von “Ich denke, also bin ich” also eine Illusion sein.
Du hast hier genau den wesentlichen Punkt ignoriert.Descartes hat sich (vor allem in seinen physikalischen Äußerungen) gelegentlich geirrt. Aber das relativiert nicht das, was er an Richtigem geschrieben hat. Man muss lesen und verstehen, was richtig und was falsch ist.1.Thess. 5,21
Prüfet alles und behaltet das Gute
Das Problem ist doch nicht, dass er sich geirrt hat. Irren ist menschlich.
Sondern, dass uns seine Philosophie eben verspricht, den “Weg frei zu machen für die Naturwissenschaft”. D. h. uns zu erlauben, die Sorge von schwerwiegenden Irrtümern, in denen wir uns radikal über die Wirklichkeit täuschen, getrost in die Ecke stellen zu können.
Aber nun sind Descartes selbst solche Irrtümer unterlaufen. Er war absolut von einer bizarren Weltanschauung überzeugt, in der (a) Vakuum UNMÖGLICH ist, (b) Tiere DEFINITIV nicht fühlen (c) Wechselwirkung UNBEDINGT Kontakt benötigt und (d) Ausdehnung ESSENTIELLES Merkmal der Materie ist.
Er hat sich (nach heutiger Sicht) damit tiefgreifend und radikal über die Wirklichkeit getäuscht – d.h. all das Vertrauen in den wohlwollenden Gott hat nichts gebracht.
Damit ist das ganze Programm als 100% gescheitert enttarnt.
Nachdem es nun endlos um den “wohlwollenden Gott” ging, soll der auf einmal nicht mehr wichtig sein… es ist wohl etwas zu peinlich geworden?Das wäre auch der falsche Ansatz. - Der richtige Ansatz wäre: "Sei Dir der Vorannahmen bewusst, die Deinem Denken zugrunde liegen". - Ob man diese dann metaphysisch oder als persönliche Entscheidung begründet, ist egal. Suum cuique.
Das “Sei Dir der Vorannahmen bewusst, die Deinem Denken zugrunde liegen” ist auch grober Unfug. Wenn man im menschlichen Denken echte Vorannahmen (in deinem idiosynkratischen Verständnis) finden könnte, d.h. deren “Entstehen” vollkommen intransparent und nicht analysierbar ist, und damit in keinster Weise dem Argument zugänglich, dann sind diese statisch und unveränderlich bis evtl. der Zufall kapriziös eine Veränderung bewirkt. In diesem Fall ist es auch egal: ein “sich seiner Vorannahmen bewusster” Dogmatiker bleibt Dogmatiker.
Ist das jedoch nicht der Fall, dann gibt es etwas “unter” ihnen – einen begreifbaren Ursprung, ein teilweise nachvollziehbares Entstehen aus einer Quelle. Dann sind sie aber keine Vorannahmen mehr.
Kann ich mir nicht vorstellen. Wie sollen Spekulationen über die Verarschungstendenzen Gottes noch zu unterbieten sein? Descartes liefert damit den absoluten Niveau-Nullpunkt der Philosophie.Es ist philosophisch weiter als das heute Übliche
Was aber nicht funktionierte. Wie er selbst bewiesen hat.und ermöglicht es, Naturwissenschaft theoretisch zu rechtfertigen.
Das ist wieder so ein zusammenhanglos reingeworfenes Gedankenfragment, das den Zuhörer in Erstaunen versetzen soll. Aber rein gar nichts erkenntnismäßig beiträgt. Die ganze Zeit sollte es doch um Zweifel gehen. Wie soll sich daraus bitte “nicht-falsifizierbar” ableiten lassen? Meinst du nicht doch eher “nicht-verifizierbar”?- Nebenbei zeigt es, dass es kein Denksystem ohne nicht-falisifzierbare Vorannahmen gibt. Auch das ist mehr, als üblicherweise heute angeboten wird.
Was Descartes hier abliefert ist kein Gedanken-Modell, sondern ein Sammelsurium unzusammenhängender Gedankenfragmente und seltsamer Begriffsbildungen, welches schließlich im Niveau-Nullpunkt der westlichen Philosophie mündet: “Hey du, glaub an einen wohlwollenden Gott, damit du Naturwissenschaft betreiben kannst!”Wenn dies für Dich "nur nutzloses Geplänkel, heiße Luft" ist, kann dies nur deshalb sein, weil Du ein Gedanken-Modell in petto hast,
1) das besser ist als das von Descartes, und
2) das besser ist das, was heute üblicherweise angeboten wird.
Schlichtes Schweigen wäre schon ein sehr deutlicher Fortschritt!
Aber um eine Minimal-Alternative anzubieten: Ich würde mich mal hinsetzen, und fragen, was Zweifel denn nun wirklich bedeutet. Dass es sich hier immer noch um ein Zustand handelt, der gewohnheitsmäßige Handlungen blockiert: D.h. ein unangenehmer Zustand, der inhärent motiviert in einen Zustand ohne Zweifel zu gelangen. Ohne dieses Kriterium kann man munter jedes erdenkliche Konstrukt hypothetischen Zweifels den Leuten hinwerfen, damit sie sich daran abmühen.
Nur tatsächlicher Zweifel, den man auch im Herzen trägt, hat seinen Platz in der Philosophie. Cartesischer Zweifel ist unaufrichtig und – selbst-widersprüchlich: er wirkt sich nicht auf gewohnheitsmäßige Handlungen aus. Descartes bringt seinen Zweifel zu Papier, dass das Papier evtl. nicht echt ist. D.h. er fühlt sich von seinem Handeln her in der angeblich bezweifelten Realität so wohl und sicher wie der Fisch im Wasser.
Selbst wenn es echten radikalen Zweifel gäbe (wie Descartes ihn vorgibt): am Ende muss jeder Mensch irgendwie auf das, was er erlebt reagieren – denn Schmerzen sind selbst-motivierend. Auch der cartesische Zweifler: auch er wird am Ende auf Erlebtes reagieren. Selbst wenn er denkt, er wäre in sich gefangen und hinter seinem Erleben stecke nichts anderes als er selbst, keine äußere Welt oder sonst etwas… die Frage “Wie kann ich Schmerzen ausweichen” drängt sich auf, und ihre Lösung kann frei von Vorannahmen angegangen werden.