Umgang mit der Todesstrafe z.B. in Saudi-Arabien
Verfasst: Fr 10. Okt 2014, 12:05
Sorry, es ist etwas viel Text zu lesen.
Einerseits:
Die Polizei ermittelt (Korruption gibt es leider überall, aber setzen wir in dieser Diskussion bitte voraus, die Beamten arbeiten reell und unvoreingenommen). Dann werden die Ermittlungsergebnisse von einem Gericht beurteilt und bewertet UND danach noch weiteren Instanzen vorgelegt, die vermutlich alle ein Veto einlegen können. --
Die Angehörigen eines Mordopfers werden in den Entscheidungsprozeß mit einbezogen. Sie können verhandeln und Entschädigung verlangen- das erinnert an "Auge um Auge"- ... sie können den Täter sogar begnadigen.
Und wie ist es hier?
Nach einem Mordfall nehmen Polizei und Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf, welche zu einer Anklage des Straftäters führen. Die Angehörigen können als Nebenkläger auftreten, aber ihre persönliche Meinung hat keinen Einfluß auf das Urteil. Sie erhalten auch keine Entschädigung, soweit ich weiß. Oftmals werden die Täter mit einem hohen finanziellen Aufwand betuttelt, begutachtet und teilweise oder komplett entschuldigt, und die Hinterbliebenen werden mit ihrem persönlichen und finanziellen Verlust und den sich daraus ergebenden Problemen schlicht und einfach alleine gelassen.
Mit Geld oder Sachleistungen kann man ein Menschenleben zwar nicht bezahlen. Aber wenn in Saudi- Arabien die gesamte Familie des Täters Stellung nehmen und eventuell löhnen muß, dann dürfte sie auf den Delinquenten einen entsprechenden psychischen Druck ausüben, was ihn eventuell zum Nachdenken bewegt. Außerdem wird er der Familie den Schaden ersetzen müssen, den sie seitenwegen hatte, was bedeutet, er muß eventuell ein Leben lang für seine Straftat bezahlen, um das Vermögen der Familie wieder aufzufüllen.
Der Familie des Opfers allerdings wird eine große Verantwortung aufgebürdet, nämlich die Entscheidung darüber, ob der Mörder ebenfalls sterben muß.
Wenn sie sich dazu durchringt, einem reuigen Täter zu vergeben, dann empfinde ich den Umgang mit dem Verbrechen eigentlich als "christlicher" als das, was hier im Westen abgeht.
Ein Mißbrauch des Gesetzes durch arrogante oder gar korrupte Beamte, wie das leider überall vorkommt, ob es sich nun um die Scharia handelt oder um das BGB, muß nicht den ursprünglichen Gedanken negieren: "Wir stellen Rache/ Vergeltung NICHT über den Willen der Geschädigten- selbst ein Mörder, der laut Gesetz sein Leben verwirkt hat, gibt es eine Chance, ein neues Leben anzufangen und aktiv Wiedergutmachung anzustreben".
LG
Einerseits:
Der Artikel ist ziemlich emotional gehalten; der Autor polemisiert... inhaltlich liegt er aber nicht unbedingt falsch, denn die FAZ bestätigt (Artikel vom 23. 09. 2014):Haben die Regierungen der westlichen Staaten – und damit letztlich deren Wähler – eigentlich ein Problem damit, wenn vermummte Männer irgendwo in der arabischen Wüste im Namen Gottes anderen Menschen den Kopf abschneiden? Richtige Antwort: Kommt darauf an! Wenn etwa die Herrschaften vom Islamischen Staat (IS) wieder einmal ein Köpfungsvideo online stellen, kennt die Empörung keine Grenzen. Da ist dann schnell von einem „Krebsgeschwür“ die Rede, „das ausgemerzt werden muss“ (Barack Obama) oder werden die IS-Leute zu „Monstern“ erklärt (Britenpremier David Cameron).
Wenn hingegen ein paar Ecken weiter, im saudiarabischen Riad zum Beispiel, jemand enthauptet wird, so ist die Empörung in den westlichen Staatskanzleien eher überschaubar. Die Aufregung der meisten Medien hält sich in Grenzen, das Ganze wird eher als Teil der lokalen Folklore verstanden. Dabei köpfen die Saudis derzeit möglicherweise sogar fleißiger als der IS. Allein seit Anfang August hieß es über 40 Mal: „Rübe ab“ – und zwar nicht nur bei Drogendelikten. Vermeintlicher Hochverrat an den regierenden Wahabiten reicht da völlig.
Klar, im Vergleich zu den übermütigen Herrschaften vom Islamischen Staat köpfen die Saudis weniger spontan. Doch der Unterschied zwischen dem „Krebsgeschwür“ IS und den im Westen hofierten Saudis ist eher ein stilistischer und quantitativer denn ein irgendwie grundsätzlicher.
diepresse.com
Andererseits...Mindestens vierzig Menschen wurden nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International seit Anfang August enthauptet. Es ist ein krasser Anstieg selbst für saudische Verhältnisse: 17 waren es in der ersten Jahreshälfte; im Jahr 2013 waren es insgesamt 79.
faz.net
Was haltet ihr von diesem System?Saudi Arabien hat kein Strafgesetzbuch und keine Strafprozeßordnung, doch ist der Weg von der Verhaftung bis zur Hinrichtung klar vorgeschrieben.
Die Polizei nimmt einen Verdächtigen fest, und untersucht die ihm vorgeworfene Straftat. Die Ermittlungen sind nicht öffentlich, und amnesty international wirft den saudischen Behörden seit vielen Jahren die Anwendung von Folter, die Verweigerung der Hinzuziehung von Anwälten und Dolmetschern und andere Benachteiligungen der Angeklagten vor.
Wenn die Polizeibehörden die Schuld des Verdächtigten ermittelt haben, wird die Strafsache einem Richter vorgelegt, der auf Grund der Scharia oder anderer Strafgesetze das Urteil fällt. Dieses Urteil wird dann dem Berufungsgericht, sodann dem Hohen Justizrat und schließlich dem König zur Bestätigung vorgelegt. In der Regel dauert dies zwei bis drei Jahre, Abweichungen um viele Jahre sind allerdings dann möglich, wenn ein Mordopfer minderjährige Erben hat.
Das saudische Recht räumt nämlich den Angehörigen von Opfern bestimmter Straftaten wie Mord und Vergewaltigung das Recht ein, dem Täter zu vergeben. Üblicherweise wird dafür ein Blutgeld (diya) bezahlt. Wenn die Kinder eines Mordopfers noch nicht volljährig, d. h. 18 Jahre alt sind, warten die Behörden solange, bis die Volljährigkeit erreicht ist, und fragen die nunmehr erwachsenen Kinder, ob sie dem Mörder ihres Vaters verzeihen wollen oder nicht.
Es sind eine ganze Reihe von Fällen bekannt, in denen die Täter bis zu fünfzehn Jahre auf ihre Hinrichtung warten mußten, und schließlich auch hingerichtet wurden.
Gnadenakte durch die Angehörigen sind sehr selten und zeugen von der großen Gläubigkeit der Menschen. Am 14. Juli 2000 sollte in Arar ein Mann enthauptet werden. Der Scharfrichter stand schon mit gezogenem Schwert neben ihm, als der Bruder des Mordopfers einschritt und den Täter begnadigte. Solche Begnadigungen erfolgen meist gerade angesichts des Todes, weil die Angehörigen kein weiteres Blutvergießen wünschen, dafür aber lieber eine gottgefällige Begnadigung vornehmen. Dieses Vorgehen wird von den Zuschauern der verhinderten Hinrichtung auch sehr begrüßt, sie loben die Angehörigen für ihre großmütige Tat, die nicht selbstverständlich ist, sondern große Überwindung kostet.
Ein Gnadenakt ist allerdings auch jederzeit zwischen der Festnahme und der Hinrichtung möglich. Am 11. September 1997 erhielt Mohamed Saleh Obaid Zainum die Verzeihung der Mutter seines Opfers, 24 Stunden bevor er vor Gericht erscheinen sollte. Mörder und Opfer waren Freunde, die in einen Streit um Fußballergebnisse gerieten, der tödlich endete.
todesstrafe.de
Die Polizei ermittelt (Korruption gibt es leider überall, aber setzen wir in dieser Diskussion bitte voraus, die Beamten arbeiten reell und unvoreingenommen). Dann werden die Ermittlungsergebnisse von einem Gericht beurteilt und bewertet UND danach noch weiteren Instanzen vorgelegt, die vermutlich alle ein Veto einlegen können. --
Die Angehörigen eines Mordopfers werden in den Entscheidungsprozeß mit einbezogen. Sie können verhandeln und Entschädigung verlangen- das erinnert an "Auge um Auge"- ... sie können den Täter sogar begnadigen.
Und wie ist es hier?
Nach einem Mordfall nehmen Polizei und Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf, welche zu einer Anklage des Straftäters führen. Die Angehörigen können als Nebenkläger auftreten, aber ihre persönliche Meinung hat keinen Einfluß auf das Urteil. Sie erhalten auch keine Entschädigung, soweit ich weiß. Oftmals werden die Täter mit einem hohen finanziellen Aufwand betuttelt, begutachtet und teilweise oder komplett entschuldigt, und die Hinterbliebenen werden mit ihrem persönlichen und finanziellen Verlust und den sich daraus ergebenden Problemen schlicht und einfach alleine gelassen.
Mit Geld oder Sachleistungen kann man ein Menschenleben zwar nicht bezahlen. Aber wenn in Saudi- Arabien die gesamte Familie des Täters Stellung nehmen und eventuell löhnen muß, dann dürfte sie auf den Delinquenten einen entsprechenden psychischen Druck ausüben, was ihn eventuell zum Nachdenken bewegt. Außerdem wird er der Familie den Schaden ersetzen müssen, den sie seitenwegen hatte, was bedeutet, er muß eventuell ein Leben lang für seine Straftat bezahlen, um das Vermögen der Familie wieder aufzufüllen.
Der Familie des Opfers allerdings wird eine große Verantwortung aufgebürdet, nämlich die Entscheidung darüber, ob der Mörder ebenfalls sterben muß.
Wenn sie sich dazu durchringt, einem reuigen Täter zu vergeben, dann empfinde ich den Umgang mit dem Verbrechen eigentlich als "christlicher" als das, was hier im Westen abgeht.
Ein Mißbrauch des Gesetzes durch arrogante oder gar korrupte Beamte, wie das leider überall vorkommt, ob es sich nun um die Scharia handelt oder um das BGB, muß nicht den ursprünglichen Gedanken negieren: "Wir stellen Rache/ Vergeltung NICHT über den Willen der Geschädigten- selbst ein Mörder, der laut Gesetz sein Leben verwirkt hat, gibt es eine Chance, ein neues Leben anzufangen und aktiv Wiedergutmachung anzustreben".
LG