Pluto hat geschrieben:
Im Mittelalter gab es wenig Erbauliches, doch mit der Aufklärung kam der Positivismus. Später gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurden die Regeln der modernen wissenschaftlichen Methodik von Karl Popper sauber formuliert. Sie basieren auf dem von Poppers Freund und Mitstreiter
Hans Albert formulierten
Münchhausen Trilemma (weshalb nichts beweisbar ist), und sind in Folgendem zusammengefasst:
Im Gegensatz zu den Positivisten fordert Popper dazu auf, Theorien nicht zu verifizieren, sondern zu falsifizieren. Wenn wir eine Theorie beweisen wollen, dann würden wir das erkennen, was diese Theorie stütze, was ihr widerspreche, würden wir ausblenden. Dies führe im Extremfall zum Dogmatismus. Deshalb sollten wir versuchen, unsere Theorien zu widerlegen. ....
Die heutige wissenschaftliche Methode baut vornehmlich auf der Arbeit von Popper und Albert.
Genau genommen ist der Neopositivismus (Popper u Co) tendenziell selbst eine Ideologie! Dann gibt es zudem keine "heutige wissenschaftliche Methode". Was soll das konkret sein? Ansonsten....
Popper & Co sind eigentlich eine Metaebene oberhalb des Threadthemas. Popper formulierte seine Vorstellungen auf dem HIntergrund der politischen Umtriebe des letzten Jahrhunderts mit diktatorischen Systemen (Faschismus, Kommunismus, Militärdiktaturen). Die Neopositivisten neigten aber dazu, anderen die Wissenschaftlichkeit abzusprechen, wenn sie nicht in ihr Denksystem passten. Und das betraf in der deutschen Soziologie nicht nur den unmittelbaren Gegner des Neopositivsten, namentlich die Frankfurter Schule, sondern teils auch ganz andere "Opfer" (z.B. Diziplinen wie die "Theologie").
Das Problem war, dass die diktatorischen Systeme selbst auch die Wissenschaften für ihre Zwecke zu instrumentalisieren suchten. Popper erkannte ganz korrekt, dass "Ideologien" sich bereits in ihrem eigenen Denksystem gegen Kritik immunisieren. Hier hat er meiner Ansicht nach bleibende Lorbeeren verdient. Er trieb es aber zu weit. Nämlich dann, wenn man anderen abspricht wissenschaftlich zu arbeiten, weil sie in einem nicht falsifierbaren gedanklichen Raum arbeiten. Für die Naturwissenschaftler ist dies auch völlig unproblematisch. Anders schaut es jedoch in den Geisteswissenschaften aus. Krassestes Beispiel ist die Theologie. Theo kann nicht im Labor untersucht werden, Theo kann weder verifiziert noch falsifziert werden von der Struktur der Disziplin her. Also ist Theologie auch keine Wissenschaft. Das ist natürlicher blanker Humbug. Die können sogar extrem wissenschaftlich arbeiten, sogar unter zur Hilfe nahme von Archäologie, Geschichtswissenschaften, Hermeneutische Verfahren die in ihrer eigenen "Fakultät" entwickelt wurden, usw. Solange man sauber erklärt, welche Axiome man wie und warum gesetzt hat, ist dies auch unproblematisch (und diese Axiome selbstredend falsifizierbar hält).
Der andere Punkt ist, dass die "Positivisten" wie die "Neopositivsten" mit unglaublicher Sicherheit zu wahrscheinlich korrekten Aussagen kommen, aber diese Aussagen sich auf recht wenige Belange beschränken. Deswegen auch der Begriff "Positivist", das ist so wie bei einem Diapositiv. Es bildet nur das ab, WAS MAN EH SCHON EINDEUTIG sieht. Genau dafür braucht man die Wissenschaften aber nicht wirklich.
Die Vertreter der "Kritischen Theorie" (Frankfurter Schule) widerum monierten m.E. nicht ganz grundlos, dass jeder Wissenschaftlichen Denkarbeit eine Idee zugrunde liegt, die eben nicht über deduktive Verfahren entstehen, aber gleichsam ungeheuer wichtig sind. Das man in den Wissenschaftlichen Disziplinen "grundsätzlich falsifzieren können muss" ist eigentlich allgemein anerkannt und nicht das Verdienst der Positivsten.
Die Krux liegt mehr im Detail, wie oftmals unerkannt - unterhalb der Oberfläche des Offensichtlichen - die Falsifizierbarkeit minimiert oder sogar ausgeschlossen wird.
Sir Popper war da auf seine Art zu radikal. Aber man muss ihn da auch auf dem geschichtlichen Hintergrund der Abwehr von Ideologien verstehen.