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Muhammad Iqbal antwortet auf Goethe (A Message from the East)

Verfasst: Di 1. Mai 2018, 11:11
von Novas



An dieser Stelle möchte ich einen großen Denker vorstellen: Muhammad Iqbal (1877-1938) zählt zu den bedeutendsten islamischen Philosophen der Neuzeit. Das Besondere an ihm ist, dass er mit den islamischen Denktraditionen, aber auch mit der westlichen Kultur- und Geisteswelt, bestens vertraut war. Im englischen Cambridge studierte er Jura und Philosophie, danach vertiefte er seine Studien in Heidelberg und München.
Einer der wichtigsten islamischen Denker

Iqbal beschäftigte sich unter anderem mit den Philosophen Kant und Nietzsche, aber der französische Denker Henri Bergson beeinflusste Iqbals Philosophie am deutlichsten. Genau wie Bergson sah Iqbal in allem Lebendigen eine schöpferische Kraft. Der Mensch war für ihn der Gestalter der Welt. Dies kommt immer wieder in seinen Gedichten zum Ausdruck.

"Du schufst die Nacht, doch ich der Lampe Glanz;
Du schufst den Ton, ich den Pokal zum Tanz;
Du schufst die Wüsten, Steppen, Berge ganz-
Ich die Alleen und der Gärten Kranz..."

Nach seiner Rückkehr aus Europa veränderten sich Iqbals Gedichte. Die westlichen Eindrücke zeigten sich deutlich in seinem weiteren Schaffen. Johann Wolfgang von Goethe hatte ihn tief beeindruckt. 1924 erschien Iqbals Gedichtband "Botschaft des Ostens". Dies war die Antwort des Poeten auf Goethes "West-Östlichen Diwan". In den Gedichten verwendet Iqbal bereits bekannte Symbole – der Falke steht für den freien Menschen, der nicht um die Hilfe anderer bittet. Und der Glühwurm symbolisiert den Menschen, der aus eigener Kraft erstrahlt.

"Ich hörte einst, wie sich der Glühwurm rühmte:
Bin kein Insekt, das dich zum Klagen sticht!
Ich brenne, ohne anderer zu bedürfen -
Dass ich vom Stamme der Falter sei, denk nicht.
Sind Nächte dunkler als Gazellenaugen,
Entzünd' ich mich, bin selbst mein Wegeslicht!"

[...]

Muhammad Iqbal schrieb nicht nur Gedichte, sondern er hielt auch Vorträge. Berühmt geworden sind die sechs Vorlesungen über die "Wiederherstellung des religiösen Denkens im Islam", die er an indischen Universitäten hielt. Außerdem war Iqbal ein engagierter Politiker. Er gehörte unter anderem der "All India Muslim League" an, einer Vertretung indischer Muslime. Der politische Einfluss der Muslime in Indien wurde Anfang des 20. Jahrhunderts immer schwächer – dies beobachtete Iqbal mit wachsender Sorge. 1930 stellte er in einer Rede die Idee eines muslimischen Staates im Nordwesten Indiens vor:

"Ich möchte den Pandschab, die nordwestliche Grenzprovinz, Sind und Balochistan in einem einzigen Staat zusammengeschmolzen sehen. Selbstregierung innerhalb oder außerhalb des Britischen Empire, die Bildung eines konsolidierten nordwest-indischen muslimischen Staates scheint mir die endliche Bestimmung der Muslime, zumindest derer in Nordwest-Indien, zu sein." Mit der Gründung Pakistans wurde Iqbals Vorstellung von einem muslimischen Staat 1947 Wirklichkeit. Obwohl Muhammad Iqbal zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben war, betrachtet man ihn als den eigentlichen Staatsgründer Pakistans.
deutschlandfunk.de: Muhammad Iqbal und seine mystische Dichtung


Allama Muhammad Iqbal (1877-1938) war der erste muslimische Intellektuelle, dessen Schwerpunkt der Forschung westlich ausgerichtet war. Für ihn war der innere dynamische Geist der westlichen Kultur islamischen Ursprungs. Er argumentiert, dass die europäische Kultur auf ihrer intellektuellen Seite nichts als eine Fortentwicklung einiger der wichtigsten Phasen der Kultur des Islam ist. „Drei Reichen des Geistes gehört Sir Muhammad Iqbal an, drei Reiche des Geistes sind Quellen seines gewaltigen Werkes: die Welt Indiens, die Welt des Islam und die des abendländischen Denkes.“ (Hermann Hesse, Geleitwort zur deutschen Übersetzung des Javidname, 1957)

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Die Wiederbelebung des religiösen Denkens im Islam (Muhammad Iqbal)

Die Differenz zwischen „Westen“ und „Osten“ hat er in „Die Botschaft des Ostens“ 1924 folgendermaßen beschrieben:
„Der Ost sah Gott und hat die Welt vergessen;
Der West vergaß Gott und hat die Welt vermessen.“
Die große Frage am Anfang des 3. Jahrtausends lautet: wie bringen wir das Beste des „Westens“ und „Ostens“ zusammen im Sinne einer universalen, allumfassenden „Weltenschau“, wie es Iqbal nennt? Oder anders gefragt: wie bringen wir Gott und die Welt, die Wissenschaft und Religion wieder zusammen? Ein Riss geht durch die Welt und es ist Zeit ihn zu schließen, denn die Zukunft der Menschheit hängt davon ab.
Holder Sprosser, wilder Falke sind von Dir.
Licht und Glut im Weg des Lebens sind von Dir.
Waches Herz und Handvoll Erde, Weltenschau,
Nächt'ger Wandel dieses Mondes lind; von Dir.
Perle, noch im Meer, und Perle, schon ertaucht!
Was mein Mund sagt, was mein Herz noch sinnt – von Dir!
Ich bin eine Handvoll Staub nur, windverweht,
Tulpen sind von dir, Lenzregen rinnt von Dir.
Du der Maler, wir die Feder, die Du führst,
Bild des Jetzt und was die Zukunft spinnt; von Dir.

~ Muhammad Iqbal (übersetzt von Prof. Annemarie Schimmel)