Esperanzia hat geschrieben:Maximiliansau - das ist ja grade hier um die Ecke!
Wir sind dort weggezogen, als ich sechs Jahre alt war. Tschüß Rhein. Leider. Ich mochte den Fluß; wir wohnten in der Nähe des Rheindammes, aber es war uns Kindern streng verboten, uns alleine in diese Richtung zu begeben. Manchmal gingen meine Eltern am Sonntag mit uns am Fluß entlang spazieren. Damals trug man Sonntagskleider.
Die durfte man nicht schmutzig machen. Also nicht buddeln, keine Steine oder Tiere aufheben und nicht vom Weg abweichen, sondern brav und gesittet den Eltern folgen. Und dann die weißen Lackschuhe, heiß geliebt-- der letzte Schrei, aber etwas unbequem.
Ich mochte die behäbigen Schiffe, die so leise auf dem Wasser dahinglitten. Sie erschienen mir riesig.
Es gab auch Schiffe, die Kohlen transportierten.
Zum Spielen wurden wir zwar nach draußen geschickt, ohne Aufsicht. Deshalb inspizierten wir ja auch, weil eines der Nachbarkinder die Idee hatte, das Neubaugrundstück nebenan, bis irgendjemand petzte und uns das verboten wurde. Aber wir mussten, wenn wir draußen waren, in der Nähe der beiden Mehrfamilienhäuser bleiben.
An der Straßenecke einige Häuser weiter wohnten "Zigeuner" (sagten die Leute). Ich weiß nicht, welche Nationalität sie hatten. Eigentlich sollten wir nicht mit den Kindern von denen spielen. Aber ein kleiner Junge von vielleicht fünf oder sechs Jahren kam manchmal zu uns. Ich hab's damals nicht gerafft, warum wir nicht mit dem spielen sollten.
Der Hof war nicht gepflastert. Noch nicht.
Steine und Geröll und hinten, wo es zum Damm ging, riesige Brennesseln, und dann barfuß laufen-- man hat die Kinder nicht verwöhnt.
Da fuhr ein VW- Bus herum, T2 oder so, der "Milchwagen". Er hielt auf der Straße zwischen den Häusern, dann öffnete der Fahrer hinten die Luke und bimmelte laut mit einer Glocke. Nun kamen alle Anwohner, die Milch kaufen wollten mit ihren Milchkannen. Man musste Schlange stehen.
Meine Mutter schickte mich auch manchmal hin. Drei Liter Milch sollte ich holen... ich war so klein, dass ich nicht über die Theke sehen konnte. Und ich hatte immer Angst, der Milchmann könne mich übersehen und wegfahren, ohne mir Milch zu geben.
Die Kanne musste ich dann in unsere Wohnung tragen, wo meine Mutter die Milch abkochte. (igitt, gekochte Milch... )
Der nächste Umzug führte uns nach Hinterweidenthal, falls du das auch kennst. Die Umzüge waren beruflich bedingt. Mein Vater sollte in Hinterweidenthal für seinen Boß den Aufbau einer Zweigstelle des bekannten und erfolgreichen Unternehmens leitend betreuen. Das war die Zeit des beginnenden Wirtschaftswunders. Die Menschen packten zu, man arbeitete viel und man verlangte viel... an so eine Null- Bock-- Resignation- Stimmung wie sie heute herrscht, kann ich mich nicht erinnern.
In Maximiliansau war ich gerade eingeschult worden, dann kamen der Umzug nach Hinterweidenthal und eine neue Grundschule bis Anfang der 3. Klasse, dann der nächste Umzug nach Weidenthal, 3. Klasse bis Anfang 5. Klasse (mittlerweile im Gymnasium in Neustadt a.d. Weinstraße), von Klasse 5 bis Klasse 7 an der Grenze zu Frankreich bei Rastatt, Tulla- Gymnasium, und mein geliebter Rhein war wieder da, vor allem der Altrheinarm, sumpfig und geheimnisvoll, wo ich im Alleingang mit dem Fahrrad hinfuhr, um Sumpfdotterblumen, Vergißmeinicht und die Schalen der Pfahlmuscheln zu sammeln. Dabei bekam ich schon manchmal nasse Füße.
Heute könnte ein Mädchen von 10-12 Jahren nicht mehr alleine mit dem Fahrrad in menschenleeren Gegenden herumtouren. Kinder können nicht mehr auf eigene Faust die Welt entdecken und Abenteuer spielen, es ist zu gefährlich. Lebensgefährlich, wenn sie den falschen Leuten begegnen.
Dann ging es ab Ende der 7. Klasse ins Schwabenland, und zwei Jahre später weigerte ich mich, für die 10. Klasse nochmals die Schule zu wechseln, nur, weil die Familie schon wieder umgezogen war, und wohnte deshalb bis zum Ende der Schulzeit bei meinen Stadt-Großeltern. Von dort aus fuhren Linienbusse zu meiner alten Schule in Bad Buchau, die ich bis dahin zu Fuß hatte erreichen können.
LG