jesher hat geschrieben: ↑Di 21. Mai 2019, 10:09
Wobei es hier jederzeit möglich wäre, die HKM durch eine HBM (historisch-biblische Methoden) oder HTM (historisch-theologische Methoden) oder ähnliches zu ersetzen.
Seit den 1980ern wird eben eine in den USA entwickelte (in Europa wäre es unmöglich gewesen) kanonische Exegese gegenüber einer den Glauben zu widerlegen suchende HKM bevorzugt. Die kanonische Exegese fragt nicht nach einem isoliert dastehenden ursprünglichen Sinn eines Bibeltextes, so wie die Naturwissenschaft alles zu zerlegen und getrennt zu analysieren versucht, sondern nach der Rezeption des Textes in der Glaubensgemeinschaft. Der Adressat und der Absender erhält dadurch mehr Gewicht.
Die Katholische Lehre spricht seit jeher von einer Achtung auf die Einheit der ganzen Schrift als ein Grundprinzip theologischer Exegese.
Seit 1993 wird diese kanonische Exegese in katholischen Fakultäten (wie es bei evangelischen aussieht, kann ich nicht sagen) durch Ergebnisse der HKM ergänzt. Vielleicht ist die erwähnte HBM oder HTM nur ein anderes Wort dafür. Ratzinger schreibt dazu:
„»Kanonische Exegese« – Lesen der einzelnen Texte der Bibel in deren Ganzheit – ist eine wesentliche Dimension der Auslegung, die zur historisch-kritischen Methode nicht in Widerspruch steht, sondern sie organisch weiterführt und zu eigentlicher Theologie werden lässt.“
Die HKM untersucht die Entstehungsgeschichte und den Anfangssinn der Bibeltexte in seinem historischen Kontext. Das Ergebnis jedoch wird an die kanonische Exegese übergeben, denn dort wird die Frage nach der Inspiriertheit sowie Gegenwarts- und Zukunftsbezogenheit zugelassen, was bei einem Text von und für Gläubige unbedingt notwendig ist.
Der kanonische Zugang lässt quasi das göttliche durch das Menschenwort hindurchhören.
Dabei schenkt etwa die HKM dieser Exegese die Erkenntnis, wie schon früh ältere Texte in neuen Situationen neu aufgenommen wurden.
In der Geschichte dieser "Schriftwerdung" kann man die Spur des Hl. Geists erkennen und dessen "Hl. Geist-Methode" der Exegese dann fortführen - in Situationen und Herausforderungen zu allen Zeiten, auch heute.