Travis hat geschrieben: ↑Di 5. Nov 2019, 14:48
Die erste Version, also eine positive Betrachtung von Esaus Verhalten und Einstellung, müsste zunächst biblisch belegbar sein.
So weit bin ich hier noch nicht - ich versuche lediglich, Esau aus sich selber heraus und nicht über äußere Urteile zu verstehen.
Rembremerding hat geschrieben: ↑Di 5. Nov 2019, 15:03
Hier wird also klar der Verkauf des Erstgeburtsrechts als Unzucht und Gottlosigkeit gewertet (ich will nicht näher darauf eingehen warum).
Und es wird auch gesagt, dass er nicht deswegen verworfen wurde, sondern weil er nicht umkehren wollte. Dies, obwohl er unter Tränen war. Das erinnert an den reichen Jüngling, der traurig wegging, obwohl in Jesus in seine Nachfolge rief. Esau hing also an etwas materiellem, das ihn hinderte zu Gott zu gelangen.
Das wäre die übliche Interpretation von außen her. --- Aber jetzt geh mal in Esaus Seele hinein - er kennt das NT noch nicht.
Gehen wir mal weiter:
27,10 Damit er Dich vor Deinem Tod segnet.
Rebekka geht mit ihrem Vorgehen eine Komplizenschaft mit Jakob ein, der sich im Innenverhältnis zu seinem Bruder Esau bereits das Erstgeburtsrecht erschlichen hat. Rebecca will diesen ersten Schritt ergänzen durch einen zweiten Schritt der Besiegelung dieses Erstgeburtsrechtes für Jakob durch Isaak, indem sie ihren Mann Isaak täuschen will.
27,12f Dann könnte er <Isaak> meinen, ich hielt ihn zum besten <Schlachter: „ich <würde> … als ein Betrüger erscheinen“>, und ich brächte Fluch über mich <Jakob> statt Segen. Seine Mutter antwortete: Dein Fluch komme auf mich <Hoffnung für alle: „Dann soll der Fluch mich treffen“>
Die kriminelle Energie Rebekkas ist also noch höher als bei Jakob, der immerhin fürchtet, dass ihn ein „Fluch“ treffen könne, was ja ein göttlicher Fluch wäre, was aber von Rebekka damit weggewischt wird, dass sie diesen Fluch auf sich nehmen würde. Rebecca wird dadurch zur Schlange (vgl. zu 3,4f), die göttliche Gesetzgebung durch eigene Gesetzgebung (sie lenkt eben mal einen göttlichen Fluch locker auf sich) ersetzt. – Somit wird das göttlich eingesetzte Erstgeburtsrecht missbraucht – denn spirituell gesehen ist ein durch Betrug erschlichenes Erstgeburtsrecht gegen den Willen des Familienoberhauptes gleichzeitig ein Betrug gegen diese von Gott eingesetzte Nachkommens-Ordnung.
27,24 Bist Du mein Sohn Esau? Ja, entgegnete er <Jakob>
Bis zu dieser Frage Isaaks ist ein Feuerwerk an Täuschungen abgelaufen, die den Begriff der Familen-Bande zwischen Rebekka und Jakob in scheitanischer Sinnbrechung zu „Banden-Kriminalität“ werden lässt. Selbst die abschließende, letztabsichernde Frage Isaaks, ob sein Gegenüber Esau sei, wird von Jakob glatt lügend bejaht. – Substantiell sind Isaak, Rebecca und Jacob mit Adam, Eva und Kain vergleichbar: Rebecca ist die der Schlange Ausgelieferte, der keine List zu schade ist, ihre Ziele zu erreichen – sogar den göttlichen Fluch ist sie bereit auf sich zu nehmen. Das „Weil Du das getan hast, bist Du verflucht“ (3,14), scheint sie nicht zu beunruhigen. – Jakob ist der Kain, der seinen Bruder Abel zwar nicht um sein Leben bringt, jedoch um sein Erstgeburtsrecht. – Isaak ist der Adam, der seine Nachfolge durch Nicht-Eingreifen kontaminiert. Zwar will er eingreifen, jedoch kann er nicht eingreifen, weil „seine Augen erloschen waren“ (27,1).
Wie gesagt: Das ist aus dem interpretiert, was passiert, und nicht aus rezeptions-traditioneller Sicht des NT.