Humanismus vs Christentum?

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Rembremerding

Humanismus vs Christentum?

Beitrag von Rembremerding »

Sunbeam hat geschrieben: So 19. Jul 2020, 09:21 ... Menschen also, die das Wort Menschlichkeit als Weltanschauung sehen und auch leben , denn nichts anderes bedeutet der Humanismus.
Humanismus ist eigentlich eine tief christliche Strömung. Pico della Mirandola (1463 – 1494) wird gerne als letzter christlicher Humanist bezeichnet. Denn erst zu Anfang der Renaissance entwickelte sich ein Humanismus ohne Gott, d.h. der Mensch setzte sich selbst als Individuum zum Maßstab für Humanismus. Ab hier wurde Humanismus oftmals zum Feind des Christentums. Es entstanden beispielsweise die Freimaurer, die besonders in den Hochgraden aggressiv gegen Religion agieren, aber auch die Vorurteile und Feindbilder auf christlicher Seite. Was ist nun der Unterschied zwischen Humanismus und Christentum?

Ein Humanist setzt sich und den Menschen als Maßstab, ein Christ weiß davon, dass Gott der Maßstabgeber ist. Das ändert die Perspektiven.
Ein Humanist wird sich leichter tun, Menschenwürde zu graduieren, weil er den Maßstab selbst festlegt. Praktisch werden dann beispielsweise Menschenleben gegeneinander aufgerechnet, etwa der Wille der Mutter dem Lebensrecht des Ungeborenen vorgezogen und das mit zutiefst lauteren Absichten. Oder man setzt demokratisch Maßstäbe für Menschenwürde, in denen man per Gesetz festlegt, was Mensch bedeutet, was nicht. Auch biologische oder psychologische Maßstäbe werden verhandelbar. Das Wohl des Menschen bezieht sich auf die Freiheit des Einzelnen und weniger auf das absolute Wesen des Menschseins und seiner Würde.

Auch das Motiv, Menschen zu helfen, wird so ein anderes. In vielen Fällen wird man die Ergebnisse der Nächstenliebe eines Humanisten oder Christen nicht voneinander unterscheiden können. Die Selbstlosigkeit einer Tat wird bei einem Humanisten jedoch mehr gefährdet sein, weil er sein Menschsein immer in Bezug zur Tat setzen wird. Ein Christ setzt das “von Gott geliebt sein” in Bezug zur Tat. Für einen Christen und all seinen Mitmenschen ist die Menschenwürde von Gott gegeben, ein Humanist gibt sie sich und anderen selber. Ein praktisches Beispiel für diese unterschiedliche Perspektive: Als Aleppo/Syrien bombardiert wurde, zogen sich die meisten humanistischen Hilfswerke zurück, weil die Sicherheit der Mitarbeiter in Gefahr war. Dies war nicht verwerflich und legitim, die Franziskaner jedoch sandten sogar weitere Brüder in die Stadt, um den Menschen zu helfen.

Die Mehrdeutigkeit des Begriffs Humanismus führt dazu, dass er oft missverstanden wird. Humanismus wurde zum Kampfbegriff der Aufklärer ohne Gott gegen das Christentum und dessen Definition von Nächstenliebe etabliert. Es ist nicht allein die Schuld des Christentums, dass dieser Begriff oftmals “schlecht” besetzt wird.

Wenn jedoch ein Christ einen Humanisten gar als Feind sieht, dann ist das ein besonderer Grund ihn zu lieben: aus Feindesliebe, so wie auch Gott seine Feinde liebt. Ein Humanist hat eine bedeutende Gemeinsamkeit mit einem wahren Christen: die Sehnsucht nach dem Guten, Wahren und Schönem. Das Organ, das diese Sehnsucht spürt, ist die Liebe. Ein Christ weiß, woher diese Liebe kommt und die Sehnsucht gestillt wird, ein Humanist weiß, dass er eine Sehnsucht hat, und dass sie sich nach Stillung sehnt.

Eigentlich haben Christen und Humanisten also mehr Gemeinsamkeiten, als sie zugeben wollen (z.B. dieselben Gegner, dieselben Probleme in einer leistungsbezogenen, egoistischen Gesellschaft). Oftmals stehen Vorurteile und durch die Geschichte geschlagene Wunden als Hindernis im Weg, das gemeinsame Ziel gegen jene unmenschliche, egoistische Gesellschaft zu erreichen: eine geeinte, friedliche Menschenfamilie, die den ganzen Menschen im Blick behält.
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PeB
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Re: Humanismus vs Christentum?

Beitrag von PeB »

Es spricht also nichts dagegen, ein christlicher Humanist zu sein.
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Rembremerding

Re: Humanismus vs Christentum?

Beitrag von Rembremerding »

PeB hat geschrieben: So 19. Jul 2020, 10:15 Es spricht also nichts dagegen, ein christlicher Humanist zu sein.
Da Gott selbst Mensch geworden, ist christliche Humanität sogar eine Tautologie.
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Sunbeam
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Re: Humanismus vs Christentum?

Beitrag von Sunbeam »

Rembremerding hat geschrieben: So 19. Jul 2020, 10:10
Eigentlich haben Christen und Humanisten also mehr Gemeinsamkeiten, als sie zugeben wollen (z.B. dieselben Gegner, dieselben Probleme in einer leistungsbezogenen, egoistischen Gesellschaft). Oftmals stehen Vorurteile und durch die Geschichte geschlagene Wunden als Hindernis im Weg, das gemeinsame Ziel gegen jene unmenschliche, egoistische Gesellschaft zu erreichen: eine geeinte, friedliche Menschenfamilie, die den ganzen Menschen im Blick behält.

Genau das meinte ich, man sollte doch immer und zuallererst die Gemeinsamkeiten suchen, und auf dieser Basis dann weiterarbeiten und diskutieren, mit der nie endenden Hoffnung auf einen friedlichen Konsens.
Mit Ausgrenzungen und dem säen der Zwietracht ist den Menschen nicht geholfen. Humanismus sollte kein Wort sein, das bei bestimmten Menschen wahre Wellen von Hass hervorruft, Humanismus kann und sollte eine Brücke der Verständigung sein.
eine geeinte, friedliche Menschenfamilie, die den ganzen Menschen im Blick behält.[
So sei es.
Hiob
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Re: Humanismus vs Christentum?

Beitrag von Hiob »

Sunbeam hat geschrieben: So 19. Jul 2020, 10:24 Humanismus sollte kein Wort sein, das bei bestimmten Menschen wahre Wellen von Hass hervorruft, Humanismus kann und sollte eine Brücke der Verständigung sein.
Natürlich. - Aber dies wäre ein Denkwechsel insofern, dass man dann nicht mehr "guter, aufgeklärter Humanismus" vs. "böses, unaufgeklärtes Christentum" ausspielen kann - für manche wäre dies ein Opfer.
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Helmuth
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Re: Humanismus vs Christentum?

Beitrag von Helmuth »

PeB hat geschrieben: So 19. Jul 2020, 10:15 Es spricht also nichts dagegen, ein christlicher Humanist zu sein.
Es hängt davon ab, wie man Begriffe versteht. Der Humanismus war ein beherrschender Zeitgeist unserer säkularen Gesellschaft des 18 Jh. In seiner Auswirkung ist er heute noch aktiv.

Ausgehend vom 18. Jh erhielt er seine Begrifflichkeit in Form einer Totalabsage an Gott und wurde als betont antireligiöse Anschauung definiert. Der Mensch könne sich zu einem besseren Wesen weiterentwickeln, da er von Natur aus gut ist und auch das Maß aller Dinge.

Wenn man ihn heute "christlich" besetzt, so muss man sich aber von seiner Idee aus dem 18. Jh zu 100% lösen und ihn völlig neu definieren. Ansonsten ist es keine Bekehrung sondern ein Pseudochristentum. Damit reiht er sich nicht anders ein als die Pharisäer zur Zeit Jesu. Sie meinten auch die Lehre gepachtet zu haben und attestierten Jesus einen Dämon.

Es geht daher nicht um Buchstaben, sondern um den Geist. Ich wurde im anderen Thread nicht gefragt, wie ich den Begriff sehe, es wurde sofort geschossen. Dabei habe ich einige Bezüge wie hier gegeben, doch diese wurden nicht beachtet. Das Standardvokabular ist Hass und die Bezeichnung Fundamenalist als Schimpfwort.

Gespräche offenabaren sich in Äußerungen, wo Travis einschritt und das ermahnt hat. Wie man sieht ist es nutzlos. Es geht weiter, der Geist ist aggressiv. Wer die Menschwürde antastet, den tastet der Geist an.

Der Geist könnte ein Vorbote des AC selbst sein, indem Pseudochristen mit einem falschen Evangelium einmal die ganze Welt beherrschen. Die Großkirchen schlagen in diese Richtung immer mehr ein ein. Was ihnen heute fehlt ist die Macht. Dass sie dazu fähig sind bewies de RKK im Mittelalter. Das pervertierte Christentum wird aber weiter gepredigt.
Zuletzt geändert von Michael am So 19. Jul 2020, 11:26, insgesamt 1-mal geändert.
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PeB
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Re: Humanismus vs Christentum?

Beitrag von PeB »

Michael hat geschrieben: So 19. Jul 2020, 11:21
PeB hat geschrieben: So 19. Jul 2020, 10:15 Es spricht also nichts dagegen, ein christlicher Humanist zu sein.
Es hängt davon ab, wie man Begriffe versteht. Der Humanismus war ein beherrschender Zeitgeist unserer Gesellschaft des 18 Jh.
Nicht nur.
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Re: Humanismus vs Christentum?

Beitrag von Rembremerding »

Hiob hat geschrieben: So 19. Jul 2020, 10:45 Aber dies wäre ein Denkwechsel insofern, dass man dann nicht mehr "guter, aufgeklärter Humanismus" vs. "böses, unaufgeklärtes Christentum" ausspielen kann - für manche wäre dies ein Opfer.
Hier findet dann sofort eine Verlagerung des Inhalts von Humanismus statt. Nicht die Nächstenliebe, Hilfe und Fürsorge für Andere, Bewahrung der Menschenwürde stehen im Mittelpunkt, sondern intellektuelle Integrität. Wer Humanist ist, ist klug, jedem Aberglauben abhold, Christen hingegen wissen nichts von der Kugelgestalt der Erde und sind wissenschaftsfeindlich. Und der Humanist ist ein Gehilfe Satans, weil er nur aufs materielle bezogen und transzendentales verabscheut. Genau dieses bedienen von Klischees macht es so leicht, sich als Feind zu betrachten, denn es geht nur darum besser zu sein, seinen Stolz zu bestätigen.
Gerade als Christ darf man sich den Begriff Humanismus nicht stehlen lassen.
Hiob
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Re: Humanismus vs Christentum?

Beitrag von Hiob »

Michael hat geschrieben: So 19. Jul 2020, 11:21 Ausgehend vom 18. Jh erhielt er seine Begrifflichkeit i Form einer Totalabsage an Gott und wurde als betont antireligiöse Anschauung definiert. Der Mensch könne sich zu einem besseren Wesen weiterentwickeln, da er von Natur aus gut ist und auch das Maß aller Dinge.
Im Wesentlichen stimme ich Deinen Ausführungen zu. - In einem Punkt würde ich leicht korrigieren und nicht das 18., sondern das 19. Jh. nennen. - Wenn heute gepredigt wird, dass der Humanismus als Gegengewalt zum Christentum gemeint war, stützt man sich auf das 19. Jh., nicht aber auf die Geschichte des Humanismus seit dem Renaissance-Humanismus. - "Humanismus" wird heute gerne agnostisch instrumentalisiert.
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Re: Humanismus vs Christentum?

Beitrag von Claymore »

Sunbeam hat geschrieben: So 19. Jul 2020, 10:24 Humanismus sollte kein Wort sein, das bei bestimmten Menschen wahre Wellen von Hass hervorruft, Humanismus kann und sollte eine Brücke der Verständigung sein.
Beim real existierenden und organisierten Humanismus heute ist die starke Ablehnung nicht so verwunderlich.

Was die IHEU so von sich gibt dürfte nun mal von Christen als Kampfansage gewertet werden. Hat zwar mit der langen historischen Tradition des Humanismus nichts zu tun. Aber in dieser Hinsicht ist die "Marke Humanismus" halt verbrannt.

Wer heute mit "Humanismus" ankommt aber den so versteht wie du, muss sich erst mal ne halbe Stunde von Huxley und Monod distanzieren. Kein Bedürfnis dafür!
Hiob hat geschrieben: So 19. Jul 2020, 10:45 Natürlich. - Aber dies wäre ein Denkwechsel insofern, dass man dann nicht mehr "guter, aufgeklärter Humanismus" vs. "böses, unaufgeklärtes Christentum" ausspielen kann - für manche wäre dies ein Opfer.
Gibt's für dich eigentlich irgendeine Ansicht über die Welt, welche per se "unaufgeklärt" ist?

Oder hängt "aufgeklärt" wirklich einzig von dem Meta-Kriterium "über die eigenen Grundlagen reflektiert" ab? Was ja auch auf einen rechtsextremen germanischen Neuheiden zutreffen kann?
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