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Die Brücke

Verfasst: So 7. Feb 2021, 02:00
von Magdalena61
(Diesen Beitrag hatte ich 2008 verfasst und poste ihn original, mit einigen erforderlichen Updates. Mittlerweile wohne ich nicht mehr im Schwabenland.
Info zum besseren Verständnis: Riedlingen steht auf meiner Geburtsurkunde)


Was ich euch jetzt berichte, das hat sich wirklich so zugetragen.

Fastnacht, Fasching, Karneval.

Vermutlich weiß so ziemlich jeder hier, dass es sich bei diesem „Vergnügen“ nicht immer nur um ein harmloses Verkleiden und Miteinander- lustig- sein handelt.
In vielen Städten und Dörfern wird ein altes Brauchtum gepflegt- da gibt es Jahrhunderte alte Kostüme und Überlieferungen, und die haben fast ausnahmslos eine Bedeutung. Nicht selten erkennt man bei genauerem Hinsehen eindeutig heidnische Wurzeln.

Bei uns in Schwaben sind die „Hexen“ weit verbreitet, aber es gibt auch andere Figuren, z.B. die Gole- Familie mit den Bobbele in einer Kleinstadt in Baden Württemberg.
http://www.narrenwiki.de/wiki/index.php/Gole

Im Oktober 1949 waren - nach einem fünfjährigen Zwischenaufenthalt in Niederbayern - Heimatvertriebene nach Riedlingen gekommen. Es waren die Nachkommen deutscher Auswanderer, die ihre Heimat in Südwestungarn 1944 aufgeben mussten.
Bis Sommer 1951 entstand der neue Stadtteil Eichenau. (Wikipedia) Diese Heimatvertriebenen waren zu einem großen Teil gläubige Christen. Sie gründeten die ev. Freikirche Eichenau.

Nun erzählt man sich in Riedlingen folgendes; das habe ich aus erster Hand von meinen Verwandten gehört:

Mitten durch die Stadt fließt die Donau. Bevor die Nordtangente; eine Umfahrung der Stadt, existierte, musste jeder, der in die schöne mittelalterliche Innenstadt wollte oder diese durchqueren musste, über diese Brücke gehen oder fahren. Alternativ gab es nur eine einspurige schmale Holzbrücke in einiger Entfernung von der Hauptbrücke.

Die Mitglieder der Freikirche wurden von den Alteingesessenen teilweise schon argwöhnisch beäugt. Wie das halt so ist, wenn Katholiken und Brüder aufeinander treffen.
Es soll sich zugetragen haben, dass genau an der Brücke irgendwelche zur Fastnacht gehörende Relikte aufgestellt waren. Standen sie rechts und links der Straße oder war sogar etwas in luftiger Höhe wie ein Tor über die gesamte Breite der Fahrbahn gespannt worden... das weiß ich nicht mehr.

Vielleicht war es etwas in dieser Art:
https://www.schwaebische.de/landkreis/l ... 73868.html
Aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Urheberrechte setze ich nur den Link. Bitte einmal aufrufen... das ist das Goletor von Riedlingen. Dieses auf dem Bild ist allerdings neueren Datums, und was zu dem Zeitpunkt, an dem die Geschichte sich ereignete, an der Brücke gestanden hatte, weiß ich nicht. Irgendwelche Requisiten der Riedlinger Fastnacht halt.


Aber dass die Bevölkerung von Riedlingen sich doch sehr wunderte, weil die Freikirchler daraufhin diese Brücke mieden und den Umweg über die nicht- dekorierte, weiter entfernte Holzbrücke nahmen, um in die Stadt zu gelangen, so lange diese Fastnachtsartikel die Brücke besetzten, das weiß ich noch sehr genau.
Ich hatte mich nämlich in diese Gemeinde hineintaufen lassen und musste meinen Verwandten mehr oder weniger erklären, dass die Christen dort "ganz normale Leute sind".
Ich fürchte, es ist mir nicht gelungen, die Vorbehalte gegenüber den Freikirchlern abzubauen.

Meine Frage an euch: Findet ihr das übertrieben, wie die Brüder und Schwestern damals gehandelt haben? Würdet ihr diese Brücke ebenfalls meiden, wenn der Gole oder andere Fastnachtsfiguren davor stehen?

Oder würdet ihr diese Symbole der schwäbisch-allemannischen Fastnacht einfach ignorieren und derer ungeachtet die Brücke benützen?

Ich sage es gleich, was ich täte, denn dieses Geschichten hatten sich vor meiner Zeit zugetragen, und ich stand nie vor der Entscheidung, da die Brücke nicht jedes Jahr so aussieht: Ich würde keinen Umweg machen.
Und mir damit in der Gemeinde vermutlich Ärger einhandeln. Aber was ich nicht einsehe, das sehe ich eben nicht ein.

Vor einem Gole nehme ich nicht Reißaus. :)
LG

Re: Die Brücke

Verfasst: So 7. Feb 2021, 08:57
von Nobody2
Magdalena61 hat geschrieben: So 7. Feb 2021, 02:00 Oder würdet ihr diese Symbole der schwäbisch-allemannischen Fastnacht einfach ignorieren und derer ungeachtet die Brücke benützen?

Ich würde sie vermutlich nutzen. Aber vielleicht wäre mir nicht wohl dabei.

Fasching, Karneval ist definitiv nichts, was mit dem Christentum in Verbindung gebracht werden kann. Natürlich ist es Brauchtum und auch heidnisch geprägt. Viele der Figuren sind offenbar negativ. Fratzen. Höllische, verzerrte Gestalten. Hexen sind der Bedeutung nach alles andere als harmlos. Das „Treiben“ der Menschen in diesen Kostümen und auch generell zu dem Anlass ist nicht selten ziemlich ziemlich ekelhaft. Also antichristlich.

Sich davon zu distanzieren, macht für Christen und Gläubige m.E. Sinn. Aber möglicherweise reicht eine innere Distanz. Die vielleicht auch sowieso gegeben ist, wenn ein guter Mensch keine Verbindung dazu hat, mental oder emotional.

Re: Die Brücke

Verfasst: So 7. Feb 2021, 10:15
von Abischai
Nobody is perfect, ich meine, da hat er recht, der Nobody, sehe ich auch so...

Ich halte es mit solchen Dingen auch so, daß mir das eine handbreit am Allerwertesten vorbeigeht, ich lasse mri vom Teufel keine Aufgaben erteilen. Aber um schwacher Geschwister willen, würde ich mit denen zusammen auch den Umweg gemeinsam gehen, ihnen aber erklären, daß ich das allein um ihretwillen täte.
Paulus hat das in Bezug auf das Essen von Götzenopferfleisch so angeordnet. Das läßt sich auf alles transponieren, was schwachen Geschwistern Pein bereiten könnte.

Man muß aber unterscheiden zwischen dem bloßen Weglassen, also Umweggehen, oder dem Götzendienst. Es kann genauso sein, daß ein schwacher Bruder darauf besteht, trotzig die Brücke zu passieren, weil er sich davor fürchtet, anderenfalls dem Götzen den Gefallen zu tun, ihn zu sehr zu ehren.

Ein Götze ist NICHTS, dahintersteht vielleicht ein Dämon, aber soll er doch, was juckt das ein Kind des Reiches Gottes? NICHTS !

Wir sollten bei allem immer darauf achten, daß die gepeinigten und vom Götzendienst und der Sünde geknechteten Menschen sehr genau auf das achten, was wir tun, es ist unser Zeugnis.

Es kommt auch vor, daß die Menschen die Gläubigen ernsthaft verfolgen, da prallen Götzendienst und Gottesdienst hart aufeinander.

"In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden." Sagt der Herr Jesus Christus, und das muß man sich mal in Ruhe auf der Zunge zergehen lassen, was das bedeutet !

Der Golem und die andere Seite

Verfasst: So 7. Feb 2021, 11:40
von Anthros
Magdalena61 hat geschrieben: So 7. Feb 2021, 02:00 Findet ihr das übertrieben, wie die Brüder und Schwestern damals gehandelt haben? Würdet ihr diese Brücke ebenfalls meiden, wenn der Gole oder andere Fastnachtsfiguren davor stehen?
Das Bewusstsein der Menschen ist im steten Wandel. Mag früher Zauber und Magie anders eingewirkt haben, mag eine schwarzmagische Figur mehr als nur eine Faschingsfigur gewesen sein, wie es heute ist. Der (echte) Golem soll besondere Kräfte haben, sei aus Lehm geformt und per Magie belebt. Mag ein echter Golem auf heutige Menschen seine Macht ausspielen können. Ähnlich ist dem Frankensteins Monster und es ist gewissermaßen die moderne Form.
Quelle: https://anthrowiki.at/Golem

Ähnliches kennt man auch in Köln, denn auf der anderen Seite des Rheins, wo der Dom nicht ist, ist die "Schäl Sick".

Re: Die Brücke

Verfasst: So 7. Feb 2021, 16:58
von R.F.
Magdalena61 hat geschrieben: So 7. Feb 2021, 02:00 - - -
Meine Frage an euch: Findet ihr das übertrieben, wie die Brüder und Schwestern damals gehandelt haben? Würdet ihr diese Brücke ebenfalls meiden, wenn der Gole oder andere Fastnachtsfiguren davor stehen?

Oder würdet ihr diese Symbole der schwäbisch-allemannischen Fastnacht einfach ignorieren und derer ungeachtet die Brücke benützen?
- - -
Die Benutzung der Brücke kann wohl kaum als Bekenntnis zum heidnischen Brauchtum ausgelegt werden.

Das schwäbisch-alemannische Fastnachts-Brauchtum “Narrenmesse” oder die “Kölsche Mess” wirken dagegen schon provozierender auf schrift-orientierte Christen. Dass nicht alle Pfarrer mit solchen Bräuchen einverstanden sind, konnte ich bei einer Hochzeitsfeier feststellen. Als angetrunkene Teilnehmer mit einer abgewandelten Litanei begannen, stand der anwesende junge Pfarrer spontan auf und verließ den Festsaal.

Re: Die Brücke

Verfasst: So 7. Feb 2021, 19:20
von Magdalena61
Das finde ich gut.
Lästereien von Spöttern muss man sich nun wirklich nicht anhören.
R.F. hat geschrieben: So 7. Feb 2021, 16:58 Die Benutzung der Brücke kann wohl kaum als Bekenntnis zum heidnischen Brauchtum ausgelegt werden.
So empfinde ich das auch.

Aber Abischai hat ja nun auch Recht mit:
Abischai hat geschrieben: So 7. Feb 2021, 10:15 Aber um schwacher Geschwister willen, würde ich mit denen zusammen auch den Umweg gemeinsam gehen, ihnen aber erklären, daß ich das allein um ihretwillen täte.
Puh.
Da frage ich mich aber auch, ob man damit nicht etwa einen schwachen Glauben bestätigt; unterstützt und damit zementiert.

Ich kann doch mit Gott zusammen durch dieses Tor gehen. Die Straße ist für alle da, und hinter dem Tor findet kein heidnischer Kult statt, da sind einfach nur Geschäfte und Büros.

Wenn der "Gole" als so bedrohlich empfunden wird, wie ist es dann mit den Wimpeln, die in vielen Orten an langen Leinen quer über die Straße, von Haus zu Haus, in einiger Höhe gespannt werden?
Die haben doch auch irgendeine Bedeutung.
LG

Re: Die Brücke

Verfasst: So 7. Feb 2021, 19:36
von Isai
Magdalena61 hat geschrieben: So 7. Feb 2021, 19:20 Wenn der "Gole" als so bedrohlich empfunden wird, wie ist es dann mit den Wimpeln, die in vielen Orten an langen Leinen quer über die Straße, von Haus zu Haus, in einiger Höhe gespannt werden?
Die haben doch auch irgendeine Bedeutung.
Meinst Du so buddhistische Gebetsfahnen?

Re: Die Brücke

Verfasst: Mi 10. Feb 2021, 01:14
von Magdalena61
Nein, ich meine so etwas:

Wimpelketten

Die kann man offenbar fertig kaufen. Irgendwie hatte ich angenommen, die Narrenvereine fertigen die selbst an, so wie die Palmen für Palmsonntag ja auch von fleißigen Händen gebunden werden.

Bild

Die Ortschaften im Schwabenland, in denen wir wohnten, waren zur Fastnachtszeit so ziemlich alle mit diesen Bändern dekoriert.
LG