Das Ende des Naturalismus

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SilverBullet
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Re: Das Ende des Naturalismus

Beitrag von SilverBullet »

Hiob hat geschrieben: An Detlef
"Wissenschaft" ist eine methodische Disziplin, "Naturalismus" ist eine weltanschauliche Disziplin.
Wenn ich mich da mal etwas einmischen darf, das ist korrekt.
"Naturalismus" ist aus meiner Sicht eine philosophische Haltung mit einer Ontologieaussage, d.h. eine Behauptung rund um Existenz.

Es ist aber auch ganz leicht erkennbar, dass der Begriff "Naturalismus" sehr beliebig eingesetzt wird.
Man erkennt dies sogar an diesem Thread, denn wir befinden uns explizit nicht im Bereich "Philosophie".

Meine Haltung wird gerne als die "eines Naturalisten" eingestuft.
Tatsächlich (und das kann man in den alten Beiträgen dieses Forums hier finden) vertrete ich die Position, dass Wahrnehmung nicht 1:1 an Existenz herankommen kann.
Selbstverständlich hat dies Konsequenzen in Bezug auf Behauptungen rund um "welche Existenzen gibt es":
=> man kann keine Aussage, keinen Überblick zu Existenzen einnehmen.

Aussagen à la "es gibt nur naturwissenschaftlich Erforschbares" können nicht gemacht werden.
Dies bedeutet aber nicht, dass diese Aussagen falsch sein müssen!
=> Sie können nur nicht aufgestellt werden.

Aussagen à la "es gibt Existenzen, die über naturwissenschaftlich Erforschbares hinausgehen" können nicht gemacht werden.
Dies bedeutet aber nicht, dass diese Aussagen falsch sein müssen!
=> Sie können nur nicht aufgestellt werden.
Hiob hat geschrieben: An Detlef
Nimm einfach hin, dass Naturwissenschaft ein bestimmtes Feld der Wirklichkeit vorbildlich abdeckt und andere Felder halt nicht
"Detlef" hat hierzu sicherlich eine eigene Meinung, ich jedenfalls sehe diese Aussage kritisch, weil sie letztlich nicht aufgestellt werden kann. (siehe oben)
Hiob hat geschrieben: An Detlef
Was NICHT gut ist, ist, wenn man dieses eine Feld als das einzige Feld der Wirklichkeit bezeichnet.
Das ist korrekt im Sinne von "man kann keine Aussage zu Existenz machen", ob es sich aber um eine falsche Aussage handelt, können wir nicht entscheiden.
Hiob hat geschrieben: An Detlef
Gilt für Dich folgendes NICHT?
Der Naturalismus ist die Auffassung, ... dass auch der Geist oder das Bewusstsein Teil der physischen Natur sei oder, alternativ, gar nicht oder höchstens als Illusion existiere. (wik)
Aus meiner Sicht zeigt sich hier wieder die Beliebigkeit im Umgang mit dem Begriff "Naturalismus", denn die Absicht den Körper und die dortigen Wahrnehmungsmöglichkeiten erforschen zu wollen ist keine Existenzaussage.
Tatsache ist:
Man weiss heute wie der Körper gesteuert wird -> Beispiel: Nervenimpulse zur Muskelkontraktion.

Die Behauptung, ein Mensch wäre "Etwas", das den Körper steuern würde, scheitert daran, dass bei diesem "Etwas" keinerlei Einsicht über die Nervenimpulse vorhanden ist.
(man kann das noch an vielen Wahrnehmungseffekten, Krankheiten, Abweichungen, festmachen - für den Alltag müsste diese grobe Darstellung aber ausreichen)
=> Trennt das "steuernde Etwas" philosophisch vom Körper, dann ergibt sich das Problem, dass "das Etwas" die Körpersteuerung gar nicht durchführen kann.

Damit liegt ein einschränkender Rahmen vor, durch den es gerechtfertigt ist, die Realisierung der menschlichen Wahrnehmung über den Körper zu untersuchen und die Vermutungen auf den Körper zu beschränken.
Selbst wenn sich abschliessend ergeben sollte, dass die menschliche Wahrnehmung rein durch Körperfunktionen abläuft, es also um "reine Materie" geht, bedeutet dies nicht, dass man deshalb Aussagen zu "welche Existenzen gibt es" machen kann.

Das Wissen, rund um die Steuerfunktionen des Körpers, liegt (so wie ich es sehe) erst seit relativ kurzer Zeit vor.
"Philosophie" ist nicht bekannt dafür, dass sie notwendige Korrekturen durchführt und so werden sämtliche Metaphysik-Ansichten, die sich vermutlich aus dem Rätsel des Menschen (menschliche Wahrnehmung) ergeben haben, weiterhin vertreten.
Hiob
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Re: Das Ende des Naturalismus

Beitrag von Hiob »

SilverBullet hat geschrieben: So 28. Feb 2021, 19:04 Aussagen à la "es gibt nur naturwissenschaftlich Erforschbares" können nicht gemacht werden.
Dies bedeutet aber nicht, dass diese Aussagen falsch sein müssen!
=> Sie können nur nicht aufgestellt werden.
Wenn man "Behauptung" als das bezeichnet, was falsifizierbar ist, hast Du recht. - Man könnte alternativ von "Setzung" sprechen - wobei "Setzung" in der Regel nicht willkürlich, sondern begründet ist - also:
* "Ich setze, dass nur naturwissenschaftlich Erforschbares Wirklichkeit sein" - das wäre eine naturalistische Setzung.
* "Ich setze, dass es über dem naturwissenschaftlich Erforschbarem Gott als Wirklichkeit gibt" - das wäre eine religiöse Setzung.
Beide Setzungen sind qua Definition als Setzung nicht falsifizierbar, können also richtig oder falsch sein.
SilverBullet hat geschrieben: So 28. Feb 2021, 19:04 Trennt das "steuernde Etwas" philosophisch vom Körper, dann ergibt sich das Problem, dass "das Etwas" die Körpersteuerung gar nicht durchführen kann.
Das wäre ein Argument für die Auffassung, dass der Körper ohne Geist tot ist.
SilverBullet hat geschrieben: So 28. Feb 2021, 19:04 "Philosophie" ist nicht bekannt dafür, dass sie notwendige Korrekturen durchführt und so werden sämtliche Metaphysik-Ansichten, die sich vermutlich aus dem Rätsel des Menschen (menschliche Wahrnehmung) ergeben haben, weiterhin vertreten.
Moment:

1) Moderne Philosophien incl. Erkenntnis-Theorien haben diese "Korrekturen" (die keine sind) ja durchgeführt, indem sie stehende Begriffe komplett umdefiniert haben. Das heißt: Es sind keine Korrekturen, sondern komplette Neu-Philosophien, in denen bspw. Worte wie "Geist" und "Ontologie" komplett umgedeutet werden, bis ins Gegenteil bestehender Bedeutungen.

2) Metaphysische Philosophien dagegen müssen sich nicht korrigieren, weil es kein einziges naturwissenschaftliches Ergebnis gibt, das zu einer Korrektur Anlass gäbe, da die Wissenschaft lediglich materielle/biologische Ablaufmechanismen und Kausalitäten beschreibt, die allesamt die Frage nicht beantworten, worauf all dies beruht.
SilverBullet
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Re: Das Ende des Naturalismus

Beitrag von SilverBullet »

Hiob hat geschrieben:Beide Setzungen sind qua Definition als Setzung nicht falsifizierbar, können also richtig oder falsch sein.
Ich sehe da kein Problem, denn beides ist Philosophie.

Die Setzung mit "Gott" hat aber nun mal das Problem, dass es ursprünglich um Luftphänomene ging, was heute als "unbrauchbar" geklärt ist und man es dann in Richtung "Geist", also der menschlichen Wahrnehmung versuchte, was auf Basis des Steuerargumentes auch wieder "unbrauchbar" ist.
=> Deshalb bin ich in diesem Forum ja mit der Frage gestartet "was soll Gott sein?".

Insgesamt sehe ich diese Setzungen aber ganz entspannt, weil es ja nur Philosophie ist.
Hiob hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Trennt das "steuernde Etwas" philosophisch vom Körper, dann ergibt sich das Problem, dass "das Etwas" die Körpersteuerung gar nicht durchführen kann.
Das wäre ein Argument für die Auffassung, dass der Körper ohne Geist tot ist.
Da habe ich dummerweise ein "man" (-> "Trennt man das "steuernde...") vergessen.

Das ist kein Argument für "Geist", sondern dagegen, denn ich kann an mir selbst feststellen, dass ich kein Verständnis habe, wie der Körper zu steuern ist.
Man musste ja explizit erforschen, wie die Muskelsteuerung funktioniert und die Leistung des Gehirns ist sagenhaft.
Spann mal deine Armmuskeln an und halte die Spannung -> du hast keine Ahnung welche Impulse, in welcher Frequenz da gerade abgefeuert werden.
=> du bist nicht "Geist", der einen Körper steuert.
Hiob hat geschrieben:Metaphysische Philosophien dagegen müssen sich nicht korrigieren, weil es kein einziges naturwissenschaftliches Ergebnis gibt, das zu einer Korrektur Anlass gäbe
Wenn du deinen Arm angespannt hast, dann hast du das Experiment gerade durchgeführt - du kannst noch nicht einmal den Energieverbrauch in den Nervenbahnen einschätzen.

Erklärbar ist das dadurch, dass du ein Organismus aus Zellen bist - es gibt dort selbstverständlich keinen Grund weshalb die Nervenzellen an Zusammenhänge herankommen sollen, welche anderen Zellen es im Körper noch gibt und was diese aktuell machen.
(übersetzt: "du bist nicht wirklich ein einzelnes Lebewesen")

=> Wenn sich Metaphysik vom Menschen ableitet, dann sollte man dort schnellstens drastische Konsequenzen ziehen.
(keine Sorge, das wird nicht passieren, aber das ist ja genau das, was ich sage)
Hiob
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Re: Das Ende des Naturalismus

Beitrag von Hiob »

SilverBullet hat geschrieben: So 28. Feb 2021, 19:50 Insgesamt sehe ich diese Setzungen aber ganz entspannt, weil es ja nur Philosophie ist.
"Nur" ist gut. ;) - Mit welcher Disziplin außer Theologie und Philosophie würdest Du das abdecken, wofür es jenseits der materiellen Welt geistig/intellektuell gute Gründe gibt?
SilverBullet hat geschrieben: So 28. Feb 2021, 19:50 Wenn sich Metaphysik vom Menschen ableitet, dann sollte man dort schnellstens drastische Konsequenzen ziehen.
Tut es doch nicht. - Die meta-physische Welt ist doch keine Ableitung des Menschen - als wäre das, was meta-physisch der Fall ist/sein kann, von anthropozentrischen Systemen abhängig.
SilverBullet hat geschrieben: So 28. Feb 2021, 19:50 Das ist kein Argument für "Geist", sondern dagegen, denn ich kann an mir selbst feststellen, dass ich kein Verständnis habe, wie der Körper zu steuern ist.
Man musste ja explizit erforschen, wie die Muskelsteuerung funktioniert und die Leistung des Gehirns ist sagenhaft.
Alles unbenommen - der Punkt ist woanders, nämlich: Selbst die endgültige Naturwissenschaft kann nur im Rahmen des Physischen forschen, also nicht unterscheiden, ob Materie der Ursprung des Geistes, oder der Geist der Ursprung der Materie ist. - Anders gesagt: Christliche und atheistische Naturwissenschaftler werden immer zum selben Ergebnis kommen, nämlich dass man diese Geist-Materie-Frage nicht lösen kann.
SilverBullet
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Re: Das Ende des Naturalismus

Beitrag von SilverBullet »

Hiob hat geschrieben:"Nur" ist gut. ;) - Mit welcher Disziplin außer Theologie und Philosophie würdest Du das abdecken, wofür es jenseits der materiellen Welt geistig/intellektuell gute Gründe gibt?
"Nur" ist exakt passend.
Schau dir deine Frage an: ich habe doch explizit ausgeführt, dass keine Aussage über "welche Existenzen gibt es" gemacht werden kann.
In der Folge wird keine Disziplin benötigt und wenn Theologie und Philosophie dies dennoch durchführen, dann sind das sehr eigenartige "Disziplinen" und zwar in dem Sinne, dass sie keine Konsequenzen ziehen (ich habe das ja schon angesprochen).
Hiob hat geschrieben:Die meta-physische Welt ist doch keine Ableitung des Menschen - als wäre das, was meta-physisch der Fall ist/sein kann, von anthropozentrischen Systemen abhängig.
Meine Aussage war nicht nur "Ableitung des Menschen" sondern sogar "Ableitung vom Menschen".
Das erste "Nicht-Körperliche" war (philosophisch) "die Luft", "der Atem".
Das wirst du nicht mehr vertreten wollen und stattdessen die Luft-Attribute über das Wort "Geist" vertreten wollen.
Das ist auch so ein fundamental verpasster Schritt des Nicht-Konsequenzen-Ziehens.

Du darfst gerne Meta-Physik herleiten und den Körper herauslassen, dann könnte im Grunde alles gut sein, denn dann verlassen wir ja nicht den Rahmen, der sich durch die Steuerung des Körpers ergibt (den Rahmen habe ich oben beschrieben).
Führ es mal durch...
Hiob hat geschrieben:Selbst die endgültige Naturwissenschaft kann nur im Rahmen des Physischen forschen, also nicht unterscheiden, ob Materie der Ursprung des Geistes, oder der Geist der Ursprung der Materie ist.
Hast du das Experiment durchgeführt?
Ich habe es gerade gemacht => obwohl ich das Prinzip der Muskelsteuerung verstanden habe, kann ich noch nicht einmal sagen, dass ich Nervenbahnen zu den Armmuskeln habe, keine Ahnung wie viele, keine Ahnung, ob ich gerade tatsächlich eine Vollkontraktion durchgeführt habe oder noch mehr Muskelfasern bei Belastung (sagen wir mit einem Maximalgewicht) aktivieren könnte - sorry, ich bräuchte ein Alibi dafür, dass ich nicht verstehe, wie ich den Körper gerade steuere, obwohl es stattfindet.
Wie gesagt, dass ich ein Organismus aus Zellen bin, ist so ein Alibi, und zwar auf eine Art, dass ich es dir einleuchtend vermitteln kann, denn wieso sollten die Zellen im Gehirn die Zusammenhänge aufbauen, die sich im Körper rund um die Nervenbahnen ergeben?
(-> wir bräuchten quasi ein zweites Nervensystem, das feststellen könnte, wie das erste System vorliegt und arbeitet - zu was sollte dies gut sein?)
Hiob hat geschrieben:Anders gesagt: Christliche und atheistische Naturwissenschaftler werden immer zum selben Ergebnis kommen, nämlich dass man diese Geist-Materie-Frage nicht lösen kann.
Naja, mach das Armexperiment und löse in noch nicht einmal 10 Sekunden, dass du kein "Etwas" bist, das den Körper steuert -> was soll "Geist" sein?

Das was du als "Grundlage" ansehen können möchtest, ist nur Philosophie, eine Art "Basisreligion", bei der man sich einen Glaubenssprung rund um den Menschen (und die Luft!) zusammengereimt hat.

Zeig mir einen Weg, so dass es für mich sinnvoll ist, von "Geist steuert Körper" zu sprechen.
Stell dir mal vor, jeder der meine Beiträge liest, kann ganz einfach an sich selbst nachvollziehen, dass er kein "Etwas" ist, das den Körper steuert - kein Mensch, der aktuell lebt, der jemals gelebt hat, verfügt(e) über mehr Einblick, als es uns gerade zur Verfügung steht.
Hiob
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Re: Das Ende des Naturalismus

Beitrag von Hiob »

SilverBullet hat geschrieben: So 28. Feb 2021, 22:16 ich habe doch explizit ausgeführt, dass keine Aussage über "welche Existenzen gibt es" gemacht werden kann.
Es kann keine experimentell nachprüfbare Aussage gemacht werden - ansonsten schon.
SilverBullet hat geschrieben: So 28. Feb 2021, 22:16 Das erste "Nicht-Körperliche" war (philosophisch) "die Luft", "der Atem".
"Ruah" ist nicht physisch gemeint.
SilverBullet hat geschrieben: So 28. Feb 2021, 22:16 Hast du das Experiment durchgeführt?
Für diese spezielle Unterscheidung gibt es kein Experiment.
SilverBullet hat geschrieben: So 28. Feb 2021, 22:16 Ich habe es gerade gemacht => obwohl ich das Prinzip der Muskelsteuerung verstanden habe, kann ich noch nicht einmal sagen, dass ich Nervenbahnen zu den Armmuskeln habe, keine Ahnung wie viele, keine Ahnung, ob ich gerade tatsächlich eine Vollkontraktion durchgeführt habe oder noch mehr Muskelfasern bei Belastung (sagen wir mit einem Maximalgewicht) aktivieren könnte - sorry, ich bräuchte ein Alibi dafür, dass ich nicht verstehe, wie ich den Körper gerade steuere, obwohl es stattfindet.
Verstehe Dich nicht ganz. - DASS es Nervenbahnen zu den Armmuskeln gibt, kann man doch wissenschaftlich rausfinden. - Man selber weiß es NICHT - das ist richtig. - Aber das, was Du sagst, ist doch alles nicht meta-physisch. - Was hat das mit "Geist" zu tun?
SilverBullet hat geschrieben: So 28. Feb 2021, 22:16 Zeig mir einen Weg, so dass es für mich sinnvoll ist, von "Geist steuert Körper" zu sprechen.
Habe ich "steuert" gesagt? - Die physikalische Welt steuert sich selbstverständlich selber, aber eben nur, weil in ihr Leben ist. - All die Nervenbahnen nützen nichts, wenn das Leben aus ihnen rausgeht. - Stelle Dir eine große mechanische Maschine vor, die alles selber macht, aber mit einem Mal zusammenbricht, wenn man den Stecker aus der Dose nimmt.
SilverBullet hat geschrieben: So 28. Feb 2021, 22:16 kein Mensch, der aktuell lebt, der jemals gelebt hat, verfügt(e) über mehr Einblick, als es uns gerade zur Verfügung steht.
Das ist doch nur der Einblick in die PHYSISCHE Welt.
SilverBullet
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Re: Das Ende des Naturalismus

Beitrag von SilverBullet »

Hiob hat geschrieben:Es kann keine experimentell nachprüfbare Aussage gemacht werden - ansonsten schon.
Nein, es geht vom Prinzip her nicht, denn ein Wahrnehmungsvorgang geht immer "von" -> "nach" und der Übergang ist eine Wechselwirkung.
Man kann es auch so ausdrücken: eine Reaktion kann sich nicht selbst zum Inhalt haben.

In der Folge ist es immer nur der Übergang (die Wechselwirkung), die in der Wahrnehmung eine Rolle spielen kann, nie die Existenz selbst.

Exakt an diesem "Limit" scheint man mit der Quantenforschung angekommen zu sein -> es dominiert nur noch eine "eigenartige" (aber verlässliche) Wechselwirkung.
Was sich "dahinter" verbirgt (wenn man es so überhaupt formulieren darf) scheint nicht erreichbar zu sein.

Mit "ansonsten schon" möchtest du offenbar auf eine neuartige Wahrnehmungsidee verweisen, aber mir ist vollkommen schleierhaft, was das sein soll.
Ich vermute du wirst da nicht viel dazu sagen können.
Hiob hat geschrieben:"Ruah" ist nicht physisch gemeint.
Naja, "Ruah" bedeutet nicht nur "bewegte Luft", sondern es handelt sich wohl auch noch um eine Wortkreation, deren Aussprache an ein Luftgeräusch erinnern soll (-> "onomatopoetisches Wort" - siehe Link).

Diese Leute zielten auf "Luftverhältnisse" ab und heute ist bekannt, dass dies physisch ist.

In der Antike hat man sich schlicht geirrt und man hat ein grosses Kartenhaus um diesen Irrtum gebaut.
Derart gross, dass danach niemand mehr die Konsequenzen ziehen wollte und so hat man sich "Geist" erschwindelt.
Hiob hat geschrieben:Für diese spezielle Unterscheidung gibt es kein Experiment.
Das hilft dir nicht grossartig weiter, denn jeder der seine Armmuskulatur anspannt, wird bestätigen, dass er dabei keinen Einblick in schnelle Impulsfolgen zur Verfügung hat.
Ein Nicht-Körperanteil sollte dies irgendwie verursachen, aber es ist halt maximal ungünstig, wenn dazu keinerlei Einblick vorhanden ist.
Das ist eine ganz einfache Logik ("1+1=2" ist schwieriger)
Hiob hat geschrieben:DASS es Nervenbahnen zu den Armmuskeln gibt, kann man doch wissenschaftlich rausfinden. - Man selber weiß es NICHT - das ist richtig. - Aber das, was Du sagst, ist doch alles nicht meta-physisch. - Was hat das mit "Geist" zu tun?
=> "Geist" ist das, was den Körper steuern soll und wenn "Geist" nicht weiss wie, dann ist "Geist" kein Nicht-Körperanteil.
Hiob hat geschrieben:Habe ich "steuert" gesagt? - Die physikalische Welt steuert sich selbstverständlich selber, aber eben nur, weil in ihr Leben ist. - All die Nervenbahnen nützen nichts, wenn das Leben aus ihnen rausgeht.
Aus meiner Sicht wird damit das Problem sogar noch viel schlimmer:
Jeder von uns ist ein Organismus aus ca. 100 Billionen (10 hoch 14!) Zellen und "Leben" ist erst einmal "Zellleben", d.h. Prozesse in der Zelle.
Du möchtest somit vertreten, dass "Geist" die Prozesse der einzelnen Zelle steuert und/oder am Laufen hält?

Sorry, ich habe keinen Einblick in meine Zellen.
Wenn eine Verletzung vorliegt, repariert sich die Stelle irgendwie von selbst und ich kann nur staunen, wie das vor sich geht.
Täglich sterben Zellen ab und werden erneuert, ich bekomme von diesem Vorgang nichts mit.

Das Ansteuern der Muskulatur (über Impulse) ist schon ausserhalb jeglichen Einblickes, aber die Zellprozesse sind es noch um Potenzen mehr.

So kommst du (behauptungstechnisch) nicht an irgendetwas Nicht-Körperliches heran - keine Chance.
Hiob hat geschrieben:Das ist doch nur der Einblick in die PHYSISCHE Welt.
Das "nur" in deinem Satz ist nur Philosophie, denn du darfst diese Aussage nicht machen, dir fehlt jegliche Grundlage.
Klar, du wirst es trotzdem machen, aber das ist dann halt das Nicht-Ziehen von Konsequenzen.

Wissenschaft und Forschung darf sich so etwas nicht erlauben.

Wenn Philosophie und Theologie sich davon auf Wunschbasis fernhalten wollen, OK, aber dann ist der Schaden halt auch schnell geschätzt, wenn man sich die dortigen Behauptungen nicht anhört.

Insgesamt:

Ich hätte mir eigentlich gewünscht, dass du eine Herleitung von Meta-Physik präsentierst, die ohne Ableitung vom Menschen auskommt, aber das hast du nicht gemacht.
Vermutlich kannst du es nicht.

Unsere Diskussion wird sich ab diesem Punkt wohl endlos verstricken und wir werden nie irgendwo ankommen.
Deshalb mein Vorschlag:
Ich bleibe bei meiner Position, dass ich nur fragen kann, "was soll Geist sein?" und mir keinerlei Grundlage für einen Nicht-Körper-Anteil präsentiert wurde -> in der Folge bedeutet dies für mich: ich bin Körper.
Des Weiteren bestätige ich, dass "Naturalismus" als Existenzaussage nicht sinnvoll ist.
Ich bleibe aber auch dabei, dass sonstige Aussagen à la "welche Existenzen gibt es" nicht sinnvoll sind (insbesondere gilt dies für "Meta-Physik").

Gerne überlasse ich dir das letzte Wort, du möchtest bestimmt deine Ansicht dagegenstellen und ich bedanke mich für die kleine Diskussion (toll finde ich, dass du verlässlich antwortest).
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Re: Das Ende des Naturalismus

Beitrag von Spice »

SilverBullet hat geschrieben: Mo 1. Mär 2021, 08:43 Ich hätte mir eigentlich gewünscht, dass du eine Herleitung von Meta-Physik präsentierst, die ohne Ableitung vom Menschen auskommt, aber das hast du nicht gemacht.
Vermutlich kannst du es nicht.
Der Mensch kann etwas von Meta-physik wissen, weil er sich als ein metaphysisches Wesen erfahren kann. Das besagt in Folge, es gibt Meta-physik, es gibt metaphysische Welten, der Ursprung unserer sinnlich wahrnehmbaren Welt liegt im Metaphysischen!
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Re: Das Ende des Naturalismus

Beitrag von Hiob »

SilverBullet hat geschrieben: Mo 1. Mär 2021, 08:43 Man kann es auch so ausdrücken: eine Reaktion kann sich nicht selbst zum Inhalt haben.
Richtig - das erinnert mich sehr an Descartes und seinem Res-cogitans-Problem.
SilverBullet hat geschrieben: Mo 1. Mär 2021, 08:43 Exakt an diesem "Limit" scheint man mit der Quantenforschung angekommen zu sein -> es dominiert nur noch eine "eigenartige" (aber verlässliche) Wechselwirkung.
Was sich "dahinter" verbirgt (wenn man es so überhaupt formulieren darf) scheint nicht erreichbar zu sein.
Stimmt. Darüber habe ich oft nachgedacht und bin vom geistlichen Aspekt her zum vorläufigen SChluss gekommen, dass die naturalistische Welt eine natürliche Grenze hat, die so gewollt ist.
SilverBullet hat geschrieben: Mo 1. Mär 2021, 08:43 Naja, "Ruah" bedeutet nicht nur "bewegte Luft", sondern es handelt sich wohl auch noch um eine Wortkreation, deren Aussprache an ein Luftgeräusch erinnern soll (-> "onomatopoetisches Wort")
Das ist an sich nicht ungewöhnlich und heißt nicht, dass es nur naturalistisch gemeint ist. Menschliche Auffassung ist immer Offfenbarung im Rahmen des eigenen Verständnisraums. Das heißt: Was darüber hinaus geht, ist "Speculatio". Zur Erinnerung (wik):
Spekulation ist eine philosophische Denkweise zu Erkenntnissen zu gelangen, indem man über die herkömmliche empirische oder praktische Erfahrung hinausgeht und sich auf das Wesen der Dinge und ihre ersten Prinzipien richtet.
Damit sind wir mitten im Thread-Thema.
SilverBullet hat geschrieben: Mo 1. Mär 2021, 08:43 Du möchtest somit vertreten, dass "Geist" die Prozesse der einzelnen Zelle steuert und/oder am Laufen hält?
Nein - dass Geist ("Gott ist Geist") Systeme schafft, die autonom ablaufen können. - Also andersrum als Du mich verstehst.
SilverBullet hat geschrieben: Mo 1. Mär 2021, 08:43 Das "nur" in deinem Satz ist nur Philosophie, denn du darfst diese Aussage nicht machen, dir fehlt jegliche Grundlage.
Das "nur" sagt, dass geistliches Denken und naturwissenschaftliches Denken zumindestens weitgehend autonome Systeme sind.
SilverBullet hat geschrieben: Mo 1. Mär 2021, 08:43 Wissenschaft und Forschung darf sich so etwas nicht erlauben.
Natürlich nicht. - Deshalb bin ich doch so sehr gegen Kategorien-Übersprünge. - Es gibt zwar aus meiner Sicht Schnittstellen zwischen Philosophie/Theologie und Naturwissenschaften - trotzdem sind beide Systeme autonom.
SilverBullet hat geschrieben: Mo 1. Mär 2021, 08:43 Ich hätte mir eigentlich gewünscht, dass du eine Herleitung von Meta-Physik präsentierst, die ohne Ableitung vom Menschen auskommt, aber das hast du nicht gemacht.
:?: :?: - Man muss hier unterscheiden:

1) Wer denkt Metaphysisches? Das ist der Mensch. Insofern sind Vorstellungen der Metaphysik vom Menschen abhängig.

2) Was IST Metaphysisches? Das ist das, was jenseits des Naturalistischen der Fall ist, aber menschlich nicht per Naturwissenschaft ermittelbar ist.

Insofern ist die naturalistisch verstandene Welt mehr vom Menschen abhängig als die metaphysische Welt. - Wie Du selber sagst:
SilverBullet hat geschrieben: Mo 1. Mär 2021, 08:43 Exakt an diesem "Limit" scheint man mit der Quantenforschung angekommen zu sein -> es dominiert nur noch eine "eigenartige" (aber verlässliche) Wechselwirkung.
Was sich "dahinter" verbirgt (wenn man es so überhaupt formulieren darf) scheint nicht erreichbar zu sein.
Diese Aussage Deinerseits könnte für meine Auffassung kein besseres Argument sein.
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Re: Das Ende des Naturalismus

Beitrag von Detlef »

Hiob hat geschrieben: Mo 1. Mär 2021, 10:22...
1) Wer denkt Metaphysisches? Das ist der Mensch. Insofern sind Vorstellungen der Metaphysik vom Menschen abhängig.
2) Was IST Metaphysisches? Das ist das, was jenseits des Naturalistischen der Fall ist, aber menschlich nicht per Naturwissenschaft ermittelbar ist....
Falls es aber prinzipiell keine Möglichkeit gibt, dieses Nicht-Ding wahrzunehmen, was ist dann der Unterschied zwischen “existiert” und “existiert nicht”?
Die Wahrheit lässt sich pachten, mit dem Glauben an des Gottes Sohn, doch die Thesen sind vergänglich, allen Gläubigen zum Hohn! (Gert Reichelt)
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