Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

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Sunbeam
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Re: Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Sunbeam »

Hiob hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 01:17
Wo siehst Du konkret Punkte, die den obigen 5 Punkten in die Quere kommen?

Ist Existenz eine Eigenschaft, oder ist Existenz nicht eine Voraussetzung für Eigenschaften.

Vorweg möchte ich anerkennend sagen, dass Descartes das Verdienst zukommt, die Erkenntnistheorie zur Grundlage des Philosophierens gemacht zu haben. Ich meine, er steht am Beginn der neuzeitlichen Subjektphilosophie, in dem er zu Beginn fragt, was er als denkendes Subjekt überhaupt wissen kann, und das sind doch schon einmal gut Anfänge:

Die "Sichersein" in Gott, in der Regel für die antiken und mittelalterlichen Philosophen von Anfang an unumstößlich, kommt bei ihm erst als Resultat. Man kann den Ausgangspunkt Descartes anerkennen, ohne seine Resultate zu teilen, denn seine Gottesbeweise wurden im Laufe der Zeit doch eigentlich widerlegt, oder?
(Ich denke hier besonders an Gottlob Frege und Kollegen und mit Kant kollidieren seine "Gottesbeweise" wohl auch.)
Hiob
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Re: Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Sunbeam hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 08:25 Ist Existenz eine Eigenschaft, oder ist Existenz nicht eine Voraussetzung für Eigenschaften.
Letzteres. - Aber man kann aufgrund von Eigenschaften auf Existenz schließen. - Insofern ist die Eigenschaft "Cogito" ein logischer Nachweis für Existenz.
Sunbeam hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 08:25 Die "Sichersein" in Gott, in der Regel für die antiken und mittelalterlichen Philosophen von Anfang an unumstößlich, kommt bei ihm erst als Resultat.
Dass Gott ein GUTER Gott ist, kann man eventuell als Resultat verstehen. - Aber die Existenz Gottes selbst, ist eigentlich unerschütterliche Voraussetzung (bei Descartes).
Sunbeam hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 08:25 denn seine Gottesbeweise wurden im Laufe der Zeit doch eigentlich widerlegt, oder?
Aus meiner Sicht, ja. - Aber das liegt daran, dass es keinen Beweis ohne Voraussetzung gibt. Mit anderen Worten: Streng genommen ist NICHTS ohne Voraus-Setzung beweisbar. - Beweise sind immer systemischer Natur und nicht ontischer Natur (es sei denn, man definiert "ontisch" so, dass es dann doch geht - genau das tut man heutzutage - Neusprech). - Das heißt natürlich nicht, dass ein systemisches Ergebnis nicht ontisch zutreffen könnte - kann es sehr wohl. - Aber nur deshalb, weil Setzungs-System und Sein (also zwei unterschiedliche Kategorien) koinzidieren (sensu deutsche Bedeutung von "koinzidieren" - nicht die amerikanische/wissenschaftliche Bedeutung).

Und jetzt haben wir in kürzester Zeit zwei Fälle gehabt ("ontisch"/"koinzidieren"), die es rechtfertigen würden, Sprache als solche zu thematisieren.
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Sunbeam
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Re: Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Sunbeam »

Hiob hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 09:37
Sunbeam hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 08:25 Ist Existenz eine Eigenschaft, oder ist Existenz nicht eine Voraussetzung für Eigenschaften.
Letzteres. - Aber man kann aufgrund von Eigenschaften auf Existenz schließen. - Insofern ist die Eigenschaft "Cogito" ein logischer Nachweis für Existenz.
Ich glaube nicht, das du, das ich, oder jemals ein normaler Mensch, von den angenommenen Eigenschaften viereckiger Kreise auf dessen Existenz schließen würde, oder diese als existent bezeichnen würde.

Oder anders formuliert, hätten Dreiecke einen Gott, würden Dreiecke versuchen, diesen Gott in seiner Existenz als Dreieck zu beweisen.
Hiob
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Re: Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Sunbeam hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 10:05 Oder anders formuliert, hätten Dreiecke einen Gott, würden Dreiecke versuchen, diesen Gott in seiner Existenz als Dreieck zu beweisen.
Das sind zwei unterschiedliche Themen:

1) Was ist Existenz? Da würde ein Dreieck, das zu sich BEWUSST "Ich" sagen kann, eben damit beweisen können, dass es Existenz gibt.

2) Was ist menschliches Denken? Das würde ein Dreieck genauso wie wir im Rahmen des eigenen Horizonts denken. Dazu gibt es zwei literarische Sätze, die gut passen:
Gottfried Benn
Ein Wort, ein Satz
Aus Chiffren steigt
Erkanntes Leben, jäher Sinn

Goethe
Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis
Beide Sätze habe ich erst über geistliches Denken verstanden. Denn hier steht jeweils, dass es "etwas" gibt (bei Benn "Sinn"), zu dessen Fassung man Sprache verwendet. - Sprache ist also Entschlüsselungs- und Bewusstmachungs-Instrument von "Sinn". - Heidegger würde vielleicht sagen:
• „Das Sein kommt auf der Ebene des Seienden ohne ein Seiendes nicht vor.“
= Ohne Wahrnehmung (hier: per Sprache) wird Sinn nicht bewusst
• „Da deshalb Sein und Seiendes niemals getrennt auftreten, wird das Sein nicht als solches thematisiert.“
= Man kann Wahrnehmung und Sein verwechseln, weil beides nur gleichzeitig auftritt (NB: Genau aus diesem Grund rate ich davon ab, "Bibel" mit "Gott" zu verwechseln)
• „Daher ist das Sein zwar das Nächste, weil es im Umgang mit der Welt immer schon vorausgehend und mitgängig ist; andererseits erweist es sich als das Fernste, da es als Unthematisches nie explizit wird.“
= Das Sein ist uns immer nah (wir sind quasi davon umhüllt wie ein Fisch von Wasser), aber wir nehmen es nicht wahr, wenn wir es nicht cogito-mäßig thematisieren (wobei "cogito" auch für Gefühle steht - also für Ich-Äußerungen generell)
Mit anderen Worten: Wir sollten nicht (was leider heute üblich ist), die Wahrnehmungs-Instrumentarien selber thematisieren, sondern das, wofür sie stehen (sollen). Insofern steht die Bibel für Gott/den Heiligen Geist, ist aber selber nicht Gott/Heiliger Geist. - Oder anders: Ohne eigenes geistliches Verstehen, was das Göttliche eigentlich ist, macht die Bibel keinen Sinn, weil sie dann ver-babelt.
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Sunbeam
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Re: Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Sunbeam »

Hiob hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 10:27
Sunbeam hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 10:05 Oder anders formuliert, hätten Dreiecke einen Gott, würden Dreiecke versuchen, diesen Gott in seiner Existenz als Dreieck zu beweisen.
Das sind zwei unterschiedliche Themen:

1) Was ist Existenz? Da würde ein Dreieck, das zu sich BEWUSST "Ich" sagen kann, eben damit beweisen können, dass es Existenz gibt.

Womit wir wieder hier angelangt wären. Ich glaube nicht, das du, das ich, oder jemals ein normaler Mensch, von den angenommenen Eigenschaften viereckiger Kreise auf dessen Existenz schließen würde, oder diese als existent bezeichnen würde.

Ich würde sagen, es ist schon ein großer Unterschied, ob man im Verlaufe von Erfahrungen und kritischem Denken zur Auffassung gelangt, dass ein geistiger oder vernünftiger Kern des Seins wahrscheinlich ist, oder ob man von vornherein an einen Gott, dazu noch an einen ganz speziellen Gott einer bestimmten Religion, glaubt und dann nachträglich versucht, diesen Glauben mit allen Mitteln irgendwie zu rationalisieren.

Denn mit den philosophischen Grundlagen, mit denen wir hier diskutieren, da könnten wie auch einen zehnköpfigen Gott beweisen. Man kann sich mit Quantenphysik beschäftigen aus allen Blickwinkeln und in alle Verzweigungen und Details hinein, und wird dabei nie auf einen allein einzig wahren Gott stoßen, wenn man nicht schon von vornherein an einen solchen Gott glauben würde
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Re: Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Sunbeam hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 10:43 Ich glaube nicht, das du, das ich, oder jemals ein normaler Mensch, von den angenommenen Eigenschaften viereckiger Kreise auf dessen Existenz schließen würde, oder diese als existent bezeichnen würde.
Das geht ja gar nicht. Denn "viereckiger Kreis" ist ein NICHT-Sein. - Von einem Nicht-Sein kann man nicht auf Sein schließen.
Sunbeam hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 10:43 Denn mit den philosophischen Grundlagen, mit denen wir hier diskutieren, da könnten wie auch einen zehnköpfigen Gott beweisen.
Nicht nach meinen Kriterien, wonach jegliche menschliche Grundlage eine Chiffre/ein Gleichnis/eine Krücke ist. - Mit anderen Worten: Man würde einen zehnköpfigen Gott gar nicht beweisen wollen KÖNNEN. - Allerdings gebe ich Dir recht, dass dieser Versuch (kleingläubigerweise, wie ich es nennen würde) oft unternommen wird.

Die gemeinsame Grundlage müsste IMMER sein: Das, was als höchstes Integral/als Synthese ohne mögliche Antithese singulär am Endpunkt steht. Dies ist sogar physikalisch-mathematisch nachvollziehbar - guckst Du Frank Tipler "The Physics of Immortality". - Ich folge Tipler in wesentlichen Punkten NICHT, jedoch ist seine Darstellung ausreichend, um sich ein Bild zu machen zu "Gott als Singularität".
Sunbeam hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 10:43 wird dabei nie auf einen allein einzig wahren Gott stoßen, wenn man nicht schon von vornherein an einen solchen Gott glauben würde
Genau. Es ist zwar sehr hilfreich, WEITER geführt zu werden, jedoch muss der Nukleus da sein. Wobei wir wieder bei meinem Lieblingsthema "Hermeneutische Vorannahmen" und "Hermeneutische/r Zirkel/Spirale" wären.
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Paul
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Re: Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

hütet euch jedoch vor den vier idolen!
(francis bacon)

...inzwischen haben sie sich womöglich vermehrt :mrgreen:
Spice
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Re: Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Spice »

Paul hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 11:33 hütet euch jedoch vor den vier idolen!
(francis bacon)
Wirklich beachtenswert.
...inzwischen haben sie sich womöglich vermehrt :mrgreen:
Möglich...
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Paul
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Re: Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

Spice hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 11:40 Wirklich beachtenswert.
ja...knowledge is power 8-)
der storch der sitzt am karpfenteich und hämmert alle karpfen weich

it's not easy be(e)in' green

es gibt nichts gutes, außer man tut es

https://www.youtube.com/watch?v=ItZyaOlrb7E

das huhn ist im auftrag des herren unterwegs 8-)
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Sunbeam
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Re: Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Sunbeam »

Hiob hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 11:23
Sunbeam hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 10:43 wird dabei nie auf einen allein einzig wahren Gott stoßen, wenn man nicht schon von vornherein an einen solchen Gott glauben würde
Genau. Es ist zwar sehr hilfreich, WEITER geführt zu werden, jedoch muss der Nukleus da sein. Wobei wir wieder bei meinem Lieblingsthema "Hermeneutische Vorannahmen" und "Hermeneutische/r Zirkel/Spirale" wären.
Ob man nun alles »Gott«, oder alles »Materie« nennt, ob man sich nun ontisch verontet, oder im Sein als Quellgrund des Seienden (die Heideggerei), im Finis opera rettet man am Ende nur noch Worte, vielleicht nicht einmal diese, aber nicht die Weltanschauung, die mit diesen Worten ursprünglich mal verbunden war.

Ich schließe hier dann mit deinem Haus und Leibsophisten, der uns dann selbst auch gleich erklärt, warum du in welchen philosophischen Lüften dein Heil suchst:

Die Philosophie wird keine unmittelbare Veränderung des jetzigen Weltzustandes bewirken können. Dies gilt nicht nur von der Philosophie, sondern von allem bloß menschlichen Sinnen und Trachten. Nur noch ein Gott kann uns retten. Uns bleibt die einzige Möglichkeit, im Denken und im Dichten eine Bereitschaft vorzubereiten für die Erscheinung des Gottes oder für die Abwesenheit des Gottes im Untergang ...
(Heideggers oft zitierte Äußerung aus dem Spiegel-Interview aus dem Jahre 1966)

Mir fällt da nur noch ein: Wenn ein Philosoph einem antwortet, dann weiß man eigentlich gar nicht mehr, was für eine Frage man überhaupt gestellt hat.
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