Entwicklung des Jesus-Bildes bei Steiner

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frank

Entwicklung des Jesus-Bildes bei Steiner

Beitrag von frank »

Da ein User hier meint, er kann nicht nur die Ausarbeitungen eines anderen ablehnen - ohne sie gelesen zu haben - sondern auch noch den abwerten, der es wagt sie einzustellen, hier mal ein Auszug aus der Schrift Zanders:

Der folgende Auszug entstammt dem Buch: Rudolf Steiner, die Biografie von Hellmut Zander (Piper Verlag) und ist ein Auszug ab Seite 133 (wegen der begrenzten Wortanzahl pro Beitrag (1000) wurde er auf drei aufgesplittet = und ist aus dem e-bock kopiert, dass sich in meinem Besitz befindet)
Christologie.

Kampf um das esoterische Christentum
Irgendwann im Jahr 1906 ist es passiert. Genauer gesagt, im Laufe des Jahres 1906, denn die Zeitangabe »irgendwann« lässt das Missverständnis zu, als gebe es den Tag oder gar die Stunde. Nein, es ist vermutlich in Schüben passiert: Im Lauf des Jahres 1906 ist er zum Christen geworden. 1906 ist das geistliche Taufjahr des Dr. Steiner.
Anthroposophen können inbrünstig bestreiten, dass Steiner einmal kein Christ gewesen sei, während Kritiker manchmal den totalen Bruch zwischen dem katholisch getauften und dem theosophisch initiierten Steiner konstruieren. Aber die Wahrheit liegt nicht wirklich zwischen beiden Alternativen, denn Steiner war vor 1900 überhaupt kein Christ in einem belastbaren Sinn des Wortes. Nur zur Erinnerung: Er war das Kind aus dem Haus eines »Freigeistes« und hat einen schwachen volkskirchlichen Kontakt mit der katholischen Tradition gehabt, er hatte eine atheistische Phase durchlebt, in der er 1898 aufgerufen hatte, ein »neues Geschlecht« entstehen zu lassen, »das zu leben weiß, befriedigt, heiter und stolz, ohne Christentum«. Mit dem Eintritt in die Theosophie hatte sich dann viel verändert. Diesen Wandlungsprozess hat Steiner in seinen Vorträgen zu Protokoll gegeben. Deshalb können wir nachvollziehen, wie er den christologischen Text Woche für Woche geknüpft hat: Wie er manchmal von außen getrieben wurde und manchmal seine eigenen Ideen entwickelte – und wie meist alles zugleich und miteinander verzwirnt passierte.
Die Metamorphose des theosophischen Jesus
Steiners Christianisierung beginnt mit den theosophischen Kontakten seit dem Jahr 1900. In seinem Buch Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens von 1901 kommt Christus erstmals als Gegenstand intensiven Nachdenkens vor, aber nur dort, wo Steiner die Auffassungen von »Mystikern« referiert. Ein Jahr später, in Das Christentum als mystische Tatsache, ist Jesus in die theosophische Weltanschauung integriert. Er gilt nun als ein Eingeweihter – und nicht als Christus, wie er ihn später und wie ihn das kirchliche Christentum versteht. Immerhin: Jesus sei ein besonders hoher Initiierter, dem zu »der Buddha-Initiation« eine »höhere Weihe« »im Sinne des Osiris-Mythus« hinzugefügt worden sei, doch er bleibt, ganz im theosophischen Verständnis ein Eingeweihter unter vielen. Über diese Schiene findet Steiner zu der Vorstellung von Jesus als dem besonderen Menschen. In dieser Jesus-Lehre ohne einen göttlichen Christus bringt Steiner auch die Auferstehung unter. Er deutet sie nicht als Auferweckung eines Toten, sondern als Erfahrung in einer Mysterienhandlung. Auferstehung als inneres Erlebnis »in der Seele des eingeweihten Menschen«: »Die Auferstehung, die Erlösung Gottes: das ist die Erkenntnis.« Ganz vereinzelt, etwa im Sommer 1903, bezieht Steiner auch eine göttliche, christologische Komponente mit ein, wenn er von »Jesus, in dem der Christus verkörpert ist«, spricht. Aber von einer »Christologie« kann keine Rede sein. Und die Tatsache, dass Jesus (und marginal Christus) in Steiners Gesichtskreis trat, hieß lange noch nicht, dass das Christentum ins Zentrum seines Denkens getreten wäre. Wie nebensächlich es damals noch war, dokumentieren die bis zum September 1905 publizierten Aufsätze des »Erkenntnispfades« Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?, wo das Christentum nicht einmal in Beispielen eine Rolle spielt.
1906 jedoch erklingt ein neuer Ton in Steiners Vorträgen. Wenn er im Februar meint, eine »tiefe Verwandtschaft des Christus Jesus mit dem Gottmenschen, der in jedem Menschen veranlagt ist«, zu sehen, ist Christus als eine Art inneres Prinzip des Menschen verstanden und zugleich Jesus in die Nähe des Göttlichen gerückt. Diese Vergöttlichung Jesu durch »den Christus« (mit Artikel, wie Steiner sagen wird) macht den Mysterientheoretiker Steiner langsam zum Christusgläubigen. Er beginnt, Jesus aus der Schar der Eingeweihten zu lösen, indem er ihn christologisch überhöht und auf den Gipfel der Religionsgeschichte stellt: über Buddha, über Zarathustra, über alle anderen Religionen – gegen die Lehre von der Gleichheit aller Religionen in der Theosophie.
Im Mai 1906 verkündet Steiner, dass die Einweihung in die antiken Mysterien »in dem Christus ihre Krönung« finde, und vierzehn Tage später, dass »das Karma und der Christus … der Inbegriff der ganzen Evolution« seien. Nochmals einen Monat später, am 10. Juli 1906 – Steiner hatte seit einem halben Jahr begonnen, maurerische Zeremonien zu inszenieren –, doziert er über drei »Einweihungsformen«: Der »orientalischen Schulung«, in der die »bedingungslose« Autorität des »Geheimschülers« gegenüber dem »Guru« herrsche, stellt er als leuchtende Alternative die »allerfreieste«, die »rosenkreuzerische« »Schulungsart« gegenüber. Dazwischen liege die »christliche« »Einweihungsform« mit ihren sieben symbolischen »Stufen« der Fußwaschung, Geißelung, Dornenkrönung, Kreuzigung, des mystischen Todes, der Grablegung und der Auferstehung. Bemerkenswert ist an dieser Stelle weniger, dass er seine Schulung durch die Abwertung anderer Wege überhöht, sondern dass er Praktiken der christlichen Spiritualitätstradition aufruft. Es geht nun nicht mehr nur um vergleichsweise abstrakte Vorstellungen über Jesus und »den Christus«, sondern um Elemente, die zu einer praktizierten Spiritualität gehört haben könnten. Dass eine »mystische« Grablegung nebst Tod und Auferstehung in der seit wenigen Monaten praktizierten freimaurerischen Erhebung in den Meistergrad eine zentrale Rolle spielt, ist eine aufschlussreiche Koinzidenz – über die Konsequenzen werden wir noch spekulieren (s. Kap. 15).
Am 2. Dezember 1906 geht Steiner noch einen Schritt weiter. »Jesus wurde Christus im dreißigsten Jahre seines Lebens«, so lehrt er in Anlehnung an die Tauf-Christologie des Evangelisten Markus, dessen Evangelium mit der Taufe Christi im dreißigsten Lebensjahr beginnt. Und dann fällt erstmals ein Begriff, der später zunehmend in eine zentrale Position einrückt: das »Mysterium von Golgatha«. Damit ist das Christentum zur Mitte der universalen Religionsgeschichte geworden. »Der Christus« gilt ihm nun als »Träger der Erdenentwickelung«, er »ist der Erdengeist, und die Erde ist sein Leib«. Der Christus war kosmisch geworden. Für diese Vorstellung eines »kosmischen Christus« gab es in der theosophischen Gesellschaft eine einschlägige Referenz: Annie Besant. Sie hatte diese Formulierung geprägt1 und die Konzeption eines »Esoterischen Christentums« – so der Titel ihres Buches, das 1903 ins Deutsche übersetzt worden war – in der Theosophie hoffähig gemacht. Steiner hatte es schon 1901 gelesen und pries es 1903, nach seiner Übersetzung ins Deutsche, als »Schlüsselbuch« und eine »Grundlage«, durch die »der verborgene Sinn der Bibelworte sich für den hingebungsvollen Leser enthüllt«. Verglichen mit seinen rudimentären Vorstellungen besaß Besant ein komplexes Christusbild: Sie unterschied den »historischen Christus«, den Jesus als »Heiler und Lehrer«, vom »mythischen Christus« in Symbolen und Erzählungen, und den wiederum vom »mystischen Christus«, der »im Menschen geboren wird«2. Steiner hat sich nie zu der mutmaßlich hohen Bedeutung dieses Buches bekannt, aber all diese Elemente finden sich auch in seiner Christus-Vorstellung. Doch 1906 war die Zeit vorbei, wo er solche Abhängigkeiten stolz als Gemeinsamkeiten der okkultistischen Gelehrtengemeinschaft vorgezeigt hätte. Dass er Besants Esoterisches Christentum intensiv studiert hatte, erfahren wir erst Jahre später, etwa 1909, als er im Rahmen sich abkühlender Beziehungen dieses Buch kritisiert – in Anspielungen, in denen der Name Besant aber nicht mehr fällt.
Steiner war damit in das Kraftfeld des theosophischen Christentums geraten, denn die Theosophie war ja, davon war schon die Rede, weit mehr als Asienverehrung. Immer schon hatte es die christlichen Theosophen gegeben, etwa in der »hermetischen« Gegenbewegung der Anna Kingsford und des Edward Maitland, die den Schlüssel der Religionsgeschichte im Christentum liegen sahen. Diese Debatte hatte die Theosophie schon zu Lebzeiten Blavatskys an den Rand des Zerbrechens gebracht und die spätere Aufwertung des Christentums durch Leadbeater und Besant vorbereitet.
Zuletzt geändert von frank am Sa 6. Aug 2022, 15:03, insgesamt 2-mal geändert.
frank

Re: Entwicklung des Jesus-Bildes bei Steiner

Beitrag von frank »

Aus: Rudolf Steiner, die Biografie von Hellmut Zander (Piper Verlag) und ist ein Auszug ab Seite 133 (wegen der begrenzten Wortanzahl pro Beitrag (1000) wurde er auf drei aufgesplittet = und ist aus dem e-bock kopiert, dass sich in meinem Besitz befindet)
Aber Steiner rezipierte nicht nur, er war zugleich produktiv. Im Frühjahr 1907 hören wir, wie er den »Christos« mit dem »Logos« gleichsetzt3, also das große Thema des Johannes-Evangeliums anschlägt, das Christus mit der göttlichen Vernunft, dem Logos, identifiziert. Zu Ostern deutet Steiner den »Opfertod« des »Jesus Christus« als Hilfe für das »Karma der ganzen Menschheit«, er montiert also den Topos der theosophischen Reinkarnationsvorstellungen in die Figur eines Erlösers. Mit solchen Positionen – der religionshistorischen Einzigartigkeit des Christus, seiner Identifizierung mit dem Logos oder der allgemeinen Heilsbedeutsamkeit seines Opfers – nähert sich Steiner den Themen der großkirchlichen Theologie an. Aber es ist schwer zu sagen, woran dies lag. Möglicherweise kam er in das Kraftfeld klassischen theologischen Bildungswissens, vielleicht las er theologische Literatur, er trat sicher in Kontakt mit Theologen, etwa mit dem liberalen Max Heinrich Christlieb.4 Steiner beginnt jedenfalls, sein christologisches Profil mit nichttheosophischem Material zu modellieren.
Produktiver Konflikt: Krishnamurti
Mitten in diese konstruktive Orientierungsphase fallen gravierende Umwälzungen in der Theosophischen Gesellschaft. Nur kurz noch einmal die wichtigsten Koordinaten: Im Mai 1907 war Annie Besant zur Präsidentin gewählt worden und an Steiner vorbeigezogen. Aber sie hatte geschmeidig auf ihren Machtzuwachs reagiert und Steiner die selbstständige Leitung der Esoterischen Schule und deren Ausbau mit einem christlichen Profil zugestanden. Dieser antwortete programmatisch. Der nächste Vortragszyklus, mit dem er am Tag nach Besants Abreise, am 22. Mai, begann, hieß »Die Theosophie des Rosenkreuzers«. Inhaltlich gab es wenig Neues, nur am Ende kam Steiner kurz auf die Rosenkreuzer zu sprechen, 1907 blieb Steiners »Rosenkreuzertheosophie« eine Theoriehülse. Aber schon der Titel war eine Ansage: Denn den rosenkreuzerischen Schulungsweg hatte er bereits als das Nonplusultra eines freien Erkenntnisgewinns definiert, und den würde er jetzt anbieten.
Das Schlüsselwort »Rosenkreuz« war dabei geschickt gewählt. An der Existenz einer rosenkreuzerischen Strömung am Beginn des 17. Jahrhunderts bestand kein Zweifel, aber die Quellenkenntnis war um 1900 so miserabel, dass man nur bei übermäßig phantastischen Spekulationen mit wissenschaftlichem Widerspruch rechnen musste. Die historische Rosenkreuzerforschung ist erst am Ende des 20. Jahrhunderts zu einem akademischen Feld geworden. Und so konnte Steiner es sich leisten, den Gründer, Christian Rosenkreuz, für eine historische Person zu halten, er teilte sogar das Jahr seiner Berufung zum »Ritter des goldenen Steines« in der Rosenkreuzerbruderschaft mit – 1459 – und glaubte fest an die Wurzeln der Rosenkreuzerei in den Mysterien der Antike und an ihr Fortleben bis in die Gegenwart. Aber zumindest das hätte er bei der Vertiefung in die wissenschaftliche Literatur wissen können: Christian Rosenkreuz war eine fiktionale Gestalt, erfunden von einem Kreis reformorientierter Protestanten um den lutherischen Pastor Valentin Andreae. Sie hatten 1614 die Fama fraternitatis, die Geschichte der Rosenkreuzerbruderschaft, in die Welt gesetzt, und alle noch zu Lebzeiten von Andreae publizierten Klärungen, dass es sich um eine religiöse Reform als Literaturevent gehandelt habe, konnten die Welle der Suche nach der geheimen Bruderschaft, die nun über das 17. Jahrhundert hereinbrach, nicht mehr stoppen. All diese Details waren 1907 im historischen Dunkel verschwunden, kaum einer wusste noch Genaues. Vielmehr waren seit den 1860er-Jahren neue Rosenkreuzergruppen aus dem Boden geschossen, allen voran die im freimaurerischen Milieu entstandene Societas Rosicruciana in Anglia. Rosenkreuzer waren als ideale Projektionsfolie für ein »esoterisches Christentum« en vogue. Aber Steiner hatte sich gegen allzu neugierige Fragen der historischen Wissenschaft abgesichert. Es seien »die Geheimnisse der Rosenkreuzer nur durch mündliche Tradition überliefert worden«. Das wirkte nach außen, aber natürlich auch in der innertheosophischen Auseinandersetzung wie ein Festungswerk.
Schon bald erprobt er weitere christologische Elemente. Er versucht, die Dreifaltigkeit, die Trinität zu denken, und bestimmt zu diesem Zeitpunkt seiner Theoriebildung den »Vatergott«, Christus und den Heiligen Geist als Anführer von Geistergruppen in verschiedenen planetarischen Phasen.5 Im Mai 1908 doziert er erstmals über ein ganzes Evangelium und nicht mehr nur über Textpassagen, über das Johannes-Evangelium – natürlich in theosophischer Ausdeutung. Im gleichen Jahr notierte ein Teilnehmer: »Das Christentum ist größer als alle Religion! Das ist die Rosenkreuzerweisheit.« Eine solche Äußerung steht in der Tradition seiner Verabsolutierung des Christentums, war aber im theosophischen Sprachspiel nicht ohne Spitzen, galt in der Theosophie doch die Losung: »Keine Religion ist höher als die Wahrheit.« Auch polare Prinzipen, geistige und materielle, lagert er an die Christologie an, etwa mit der Figur des Luzifer, der für Erkenntnis und Vergeistigung steht, und seit Januar 1909 mit Ahriman als dessen Gegenpol.
Ab 1909 ändern sich langsam die Rahmenbedingungen. Besant und Leadbeater sehen nun definitiv einen »Weltenlehrer«, den sie schon seit 1904 suchten und den Besant 1908 immer lauter ankündigte. Im April 1909 hatte Leadbeater einen Jungen, Krishnamurti, »entdeckt« und ihn mehr oder weniger unsanft seinen Eltern weggenommen; der Vater verlor jedoch alle Prozesse um die Rückgabe des Sohnes. Leadbeater hatte seinen Weltenlehrer und Besant, der man ihre Kinder in einem Sorgerechtsstreit genommen hatte, einen Menschen, den sie in Briefen mit »Mein lieber Sohn« anreden konnte. Er sollte, so hofften Leadbeater und Besant, ein großer spiritueller Lehrer werden und Asien und Europa miteinander verbinden: In diesem Hinduknaben sollte der Christus einwohnen, vielleicht dachte man sogar an eine regelrechte Inkarnation des Christus. In Krishnamurti sollten jedenfalls die getrennten Wege der Religionsgeschichte wieder vereinigt sein. Und er würde die Rasse der Zukunft, die Leadbeater und Besant entstehen sahen, führen. Religionsgeschichtlich war die Figur Krishnamurtis damit ein Hybrid aus dem indischen Konzept des Avatars, der in unterschiedlichen Personen wiederkehrt, und dem europäischen Konzept des apokalyptischen Retters in der Zeitenwende.
Zuletzt geändert von frank am Sa 6. Aug 2022, 15:04, insgesamt 1-mal geändert.
frank

Re: Entwicklung des Jesus-Bildes bei Steiner

Beitrag von frank »

Aus: Rudolf Steiner, die Biografie von Hellmut Zander (Piper Verlag) und ist ein Auszug ab Seite 133 (wegen der begrenzten Wortanzahl pro Beitrag (1000) wurde er auf drei aufgesplittet = und ist aus dem e-bock kopiert, dass sich in meinem Besitz befindet)
Aber für Steiner war dieser Junge weit mehr als ein religionsphilosophisches Programm, er war eine Bedrohung. Der neue Weltenlehrer konnte, einmal erwachsen, womöglich höchste Autorität beanspruchen. Doch die Erziehung lag in den Händen von Besant und vor allem von Leadbeater, den Steiner, nachdem die Euphorie der theosophischen Anfangsjahre verflogen war, als Persona non grata behandelte. Hingegen gibt es in den ersten Jahren des Krishnamurti-Abenteuers neben diesen vereinspolitischen Vorbehalten kaum Indizien, dass Steiner mit dem religiösen Konzept des Weltenlehrers prinzipielle Probleme hatte. In Maßen beteiligte er sich sogar, wie noch deutlich werden wird, an der Debatte, wie man eine solche Person deuten könne, vielleicht hoffte er, mit dieser Kooperation die machtpolitischen Probleme entschärfen zu können. In den weltanschaulichen Differenzen den bereits tickenden Zünder des späteren Sprengsatzes zu hören, gehört jedenfalls zu den nachträglichen Bemühungen, dem Konflikt von Anfang an eine programmatische Weihe zu verleihen.
Jedenfalls rumort es im Jahr 1909. Die verunsicherten Theosophen erwarten eine Klärung in der Krishnamurti-Frage: »Woran soll man sich halten? Mrs. Besant lehrt dies, Dr. Steiner das«, ist zu hören.6 Aber in Steiners öffentlichen Äußerungen fällt der Name Besant in diesem Zusammenhang nicht, nur zwischen den Zeilen werden die Tassen im theosophischen Schrank zurechtgerückt. Ein erstes Bollwerk errichtet Steiner schon in der Phase erster Gerüchte im April 1909, am Ostersonntag, als er die Figur des »Maitreya-Buddha, des erneuten großen Lehrers und Führers der Menschheit«, der ein Nachfolger Buddhas sei, einführt. Also: Nicht Christus sollte wiederkommen, sondern eher eine Art Bodhisattva, der, so glaubt man in der mahayana-buddhistischen Tradition, den Menschen vor seinem Eingehen ins Nirwana noch zur Seite stehe. Am Osterdienstag verstärkt er seine Bastion: Der Ankunftstermin entziehe sich völlig unserem Wissen – das sprach gegen Krishnamurti. Steiner verhandelt im Medium des Vortrags. Er akzeptiert im Prinzip den kommenden Weltenlehrer, macht aber mit der Konzeption des Maitreya-Buddha ein Deutungsangebot, das Besants und Leadbeaters Deutungsmacht begrenzen würde.
In dieser Situation anschwellender Mutmaßungen und mehr oder minder gut verstehbarer Anspielungen kommt der turnusmäßige Kongress der europäischen Landesgesellschaften der Adyar-Theosophie 1909 in Budapest gerade recht. Hier treffen sich Steiner und Besant wieder, und beide halten Vorträge über den Christus. Dabei verlegt sich Steiner auf ein spirituelles Handelsgeschäft, das etablierte Elemente des theosophischen Denkens so refiguriert, dass ein strategisches Angebot zur Vermeidung eines Weltenlehrers dabei herauskommt. Das hat zwei Ansatzpunkte: Zuerst erweitert Steiner seine Anthropologie. Am Beispiel des russischen Naturwissenschaftler Michail Lomonossow erläutert er, dass dessen naturwissenschaftliche Leistungen nur verständlich seien, wenn man wisse, dass er »den Ätherleib des Galilei in sich« getragen habe. Herausragende Fähigkeiten sollten also kein Ergebnis von Reinkarnationen sein, sondern durch die Weitergabe eines Ätherleibes entstehen. Sodann erweitert er seine kosmische Christus-Deutung: »Seit dem Ereignis von Golgatha ist er der planetarische Geist der Erde«, will sagen: Der Christus könne gar nicht als Person wiederkommen. Und dann präsentiert Steiner seinen daraus resultierenden Kompromissvorschlag nach dem Lomonossow-Modell: »Der Leib des Jesus von Nazareth, der Ätherleib, Astralleib und das Ich des Jesus von Nazareth, sie sind in großer Vervielfältigung in der geistigen Welt vorhanden«, und solche Kopien hätten etwa Augustinus, Franz von Assisi und Elisabeth von Thüringen getragen. Diese »Christus-Träger« sollten dann »auf dieser Erde die Vorbereiter sein für sein Wiedererscheinen«. Das war ein geschickter Schachzug mit einer echten Innovation in der theosophischen Anthropologie. Anstelle der üblichen Reinkarnation sollten vervielfältigte übersinnliche Körper die Identität sichern. Und strategisch hätte Steiner ein wichtiges Ziel erreicht: Der Weltenlehrer wäre auf den Vorbereiter des Christus reduziert.
Zuletzt geändert von frank am Sa 6. Aug 2022, 15:04, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Entwicklung des Jesus-Bildes bei Steiner

Beitrag von frank »

Zitat aus Hellmut Zander, Rudolf Steiner - ab Seite 133

Ja - es ist viel Text = aber um etwas beurteilen zu können, muss man es kennen und da reichen oftmals drei vier Zeilen nicht aus
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Oleander
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Re: Entwicklung des Jesus-Bildes bei Steiner

Beitrag von Oleander »

frank hat geschrieben: Sa 6. Aug 2022, 14:46 hier mal ein Auszug aus der Schrift Zanders:
Frank, du solltest immer die Quelle angeben, woher du die Texte hast.
Wenn du sie aus einem deiner privaten Bücher zitierst, gib die Quelle an, wenn aus dem net kopiert, ebenfalls.
Das ist Forumsregel!
Begegne dem, was auf dich zukommt, nicht mit Angst, sondern mit Hoffnung.
frank

Re: Entwicklung des Jesus-Bildes bei Steiner

Beitrag von frank »

Oleander hat geschrieben: Sa 6. Aug 2022, 14:50 Frank, du solltest immer die Quelle angeben, woher du die Texte hast.
Wenn du sie aus einem deiner privaten Bücher zitierst, gib die Quelle an, wenn aus dem net kopiert, ebenfalls.
frank hat geschrieben: Sa 6. Aug 2022, 14:48 Zitat aus Hellmut Zander, Rudolf Steiner - ab Seite 133
reicht das nicht? ok piper-Verlag

https://www.amazon.de/Rudolf-Steiner-Bi ... 23&sr=8-1
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Oleander
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Re: Entwicklung des Jesus-Bildes bei Steiner

Beitrag von Oleander »

frank hat geschrieben: Sa 6. Aug 2022, 14:53 reicht das nicht? ok piper-Verlag
Es sieht so aus, als hättest du den Text aus einer netseite kopiert, dann würde ich die Quelle(LINK) angeben.
So möchte es die Forenleitung, um abgesichert zu sein, denn die haften dafür.
Begegne dem, was auf dich zukommt, nicht mit Angst, sondern mit Hoffnung.
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Re: Entwicklung des Jesus-Bildes bei Steiner

Beitrag von frank »

Nein - aus dem E-bock, das sich in meinem Besitz befindet
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Oleander
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Re: Entwicklung des Jesus-Bildes bei Steiner

Beitrag von Oleander »

frank hat geschrieben: Sa 6. Aug 2022, 14:57 Nein - aus dem E-bock, das sich in meinem Besitz befindet
Dann schreib das bitte immer dazu unter jedem post
Begegne dem, was auf dich zukommt, nicht mit Angst, sondern mit Hoffnung.
frank

Re: Entwicklung des Jesus-Bildes bei Steiner

Beitrag von frank »

Das sind keine Einzelpost - sondern einer, der wegen der begrenzten Wirtanzahl (1000) auf drei aufgesplittert ist
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