Was du als Schöpfungsordnung bezeichnest ist aber in Wahrheit ein Resultat des Sündenfalls. Dass es innerhalb der Familie eine Hierarchie gibt, dass die Eltern Leitfiguren und Vorbilder für ihre Kinder sein sollen, dagegen spricht nichts. Aber schon nach kurzer Zeit, eigentlich schon dann, wenn die erste Generation ihren eigenen Hausstand gründet (der Mann sollte der Frau anhängen, nicht umgekehrt), kommt diese Clanstruktur, von der du ausgehst, völlig durcheinander. Mit Anwachsen der Population wird es immer schwieriger und schließlich unmöglich sie aufrecht zu halten, weil sich alle durcheinander verpartnern. Eben wegen der dadurch enstehenden verschiedenen Machtansprüche entsteht gerade erst das, wovon du meinst, es würde dadurch vermieden werden. Das Resultat ist Konkurrenz, Konflikt und Krieg. Ohne Führung lassen sich keine Kriege führen. Eine vorgegebene Gesellschaftsstruktur wird nie die Probleme der Menschheit lösen und Frieden schaffen, denn es kommt immer darauf an, wes Geistes die einzelnen Personen sind, die ihre gesellschaftlichen Rollen spielen. Wenn wir heute von strukturellen Problemen reden, dann verursachen ja auch die Strukturen nicht die Probleme, Unterdrückung und Ausgrenzung von Menschen, sondern die Strukturen begünstigen bestenfalls destruktives Verhalten und Gesinnung ihrer menschlichen Funktionäre.
Helmuth hat geschrieben: ↑Do 13. Okt 2022, 21:25
Und interessant ist das: Auch wenn Jesus mein Herr ist, so greift er nicht in meine Befugnisse als Familienoberhaupt ein. Im Rahmen der mir gesetzten Freiheit bin ich darüber der Souverän als von Gott eingesetzt und Jesus respektiert das, weil dieses Recht von Gott selbst ausgeht.
Gerade Jesus hat eine völlig andere Vorstellung von Königtum und Unterordnung. Auch an dieser Stelle verweise ich auf die Szenen der Fußwaschung (Johannes 13) und auf den Rangstreit der Jünger (Matthäus 20,20-28). Und auch Paulus deutet das verschieden an, wenn er von gegenseitiger Unterordnung in der Gemeinde spricht.
Die Beziehung von Herr und Knecht ist grundsätzlich in sich dialektisch. Beide sind gleichermaßen voneinander abhängig. Was man jeweils darin einseitig sieht ist nur das, was man gerne sehen will oder für seine Weltanschauung und Rhetorik braucht.
Helmuth hat geschrieben: ↑Do 13. Okt 2022, 21:25
Ich sehe es so, dass die Zeit noch nicht erfüllt war.
Ja, es begann sich unter Samuel zu erfüllen, was Gott schon in 5. Mose 17,14 ff vorher sagte. Und es geht hier ziemlich klar hervor, dass ein menschlicher König über Israel nicht Gottes Wille war, sondern Gott nur das Volksbegehren nach einem König in seine Grenzen wies.
Ein Vorgeschmack darauf ist allerdings schon mit Abimelech in Richter 9 nachzulesen. Er wurde zu einem lokalen König gewählt, weil ihn seine Brüder für eine Führungspersönlichkeit hielten. In Jothams Gleichnis von den Bäumen wird dargestellt, dass der am wenigsten Geeignete und charakterlich Verkommenste wohl den größten Charme hat mit seinem trügerischen Charisma und falschen Versprechungen.
Sie wollten einen König, weil die Obrigkeit von 70 Leuten ihnen wohl ein Zuviel war an Brei verderbenden Köchen. Bis 70 Leute sich einigen, das kann schon mal dauern und ist ein hartes Aushandeln. Zwischen der Führung durch 70 Leuten und der durch eine einzigen König gibt es wohl einen wesentlichen Unterschied. Es ist aber nicht der, dass es bei letzterem Führung gibt, und bei ersteren gar nicht. Wenn du hier also Führung und Anarchie gegeneinander ausspielen willst, funktioniert das jedenfalls nicht bezogen auf die vormonarchische Gesellschaftstruktur Israels. Sie war aber nicht nur vormonarchisch, das war sie nur im historischen Verständnis, aber von Grund auf war sie antimonarchisch.
Mit dem Begriff Monarchie wird hier deutlich, was Königtum überhaupt ist, und wieso Gott es nicht wollte. Mit der Organisation durch Richter und Älteste war Israel nicht führungslos gewesen.
Helmuth hat geschrieben: ↑Do 13. Okt 2022, 21:25
Was störte Samuel daran? Dass man seine Söhne nicht anerkannte? Das wäre sogar berechtigt gewesen, aber ich denke der springende Punkt ist ein anderer, und zwar: „gleich allen Nationen“.
Gleich allen Nationen, ich denke das konnte man doch sehen. Die Könige anderer Nationen waren grausam, korrupt, herrschsüchtig, habgierig und dgl. Es gab vielleicht Ausnahmen, aber die meisten taugten nicht für einen gerechten König. Und damit kamen sie nun zu Samuel einen ebensolchen König haben zu wollen. Oder es war ihnen das noch lieber, als von seinen korrupten Söhnen gerichtet zu werden.
Israel sollte ja gerade nicht so sein wie die anderen Völker. Dass ein König begehrt wurde mit Blick auf die anderen Nationen könnte so erklärt werden, dass hier auf den Erfolg und den Ruhm der größten Nationen geblickt wurde. Genau so wollte man auch sein : Groß, strahlend, stark und reich. Das ist eine kognitive Verzerrung, die man Apex-Fallacy nennt. Man schaut nur auf den Erfolg und auf Erfolgreiche Individuen, und meint, indem man ihnen etwas nach macht, könnte man genau so berühmt und (erfolg-)reich werden. Die ganzen millionen von Gescheiterten fallen aus der Betrachtung raus. Ja mehr noch, man ignoriert völlig, dass der Erfolg und Glanz der einen auf dem Scheitern und den Niederlagen der anderen beruhen. Ägypten und Assyrien und auch die Handelsmacht der Phönizer waren nur deswegen so groß und reich, weil sie andere Völker unterdrückt, ausgebeutet und in die Zwangsarbeit geschickt haben. Diese Kehrseite der Medaille wollte Israel nicht sehen, obwohl die Vorfahren es selbst in Ägypten erlebt haben und die Geschichte davon zum identitätsstiftenden Narrativ wurde. Und sogar in der Richterzeit hat Israel die gleichen Zustände unter seinen Feinden wiederum erleben müssen. Also genau so werden zu wollen wie die, das ist wirklich ganz ganz widerlich und nichts anderes als Macht- und Rachephantasien, auch mal ganz oben an der Nahrungskette stehen zu wollen.
Eine moderne Parallele dazu sehe ich in der Rapbewegung, die ursprünglich auch mal antikapitalistisch war, im Laufe der Zeit aber immer mehr kapitalismusverherrlichend wurde. Dieses System wird nun nicht mehr kritisiert und bekämpft, sondern man feiert sich selbst, es sich dank eigener Mühe, Hartnäckigkeit und Stärke darin gemütlich gemacht zu haben und sich nun selber all die glitzernden Spielzeuge und Köstlichkeiten leisten kann, die andere irgendwo auf der Welt unter elenden Bedingungen herstellen, gegen die man einst selber war.
Helmuth hat geschrieben: ↑Do 13. Okt 2022, 21:25
Es bedeutet nicht, Gott wollte nie ein Königtum für sein Volk aufrichten, was sowohl das weitere AT und NT klar widerlegt, sondern ein solches wie es die Heiden haben.
Aus der göttlichen Bestätigung des durch das Volk gewollten Königtums kann man kein ursprüngliches "wollte es von Anfang an so" herleiten. Gott richtet sich nach dem Willen seines Volkes, wenn dieser Wille einheitlich proklamiert wird. Würde es einheitlich entscheiden, das Königtum abzuschaffen und durch was anderes zu ersetzen, so würde Gott auch dem gerecht werden. Das NT (also der Neue Bund) baut lediglich auf diesem nie offiziell abgeschafften Königtum auf, aber auch Jesus wird nicht für immer Monarch bleiben. Jesus herrscht auch nicht über seine Gemeinde wie es Saul, David, Salomo oder Zedekia über ihr Volk taten, wie ich ja weiter oben schon bewies mit dem Verweis auf die Fußwaschung den Rangstreit der Jünger. Wie Jesus allerdings mit seinen Feinden umgehen wird, das ist eine völlig andere Sache. Darin liegt auch das große Missverständnis, denn unter weltlichen Regierungen sind die Untertanen des Königs kaum wirklich von seinen Feinden zu unterscheiden. Die wirklich loyalen Gefolgsleute sind nur ganz wenige, und die meisten spielen das nur aus Eigeninteresse, Furcht oder Gruppenzwang vor.