Logik und Erkenntnis

Philosophisches zum Nachdenken
Claymore
Beiträge: 1219
Registriert: Fr 5. Okt 2018, 13:34

Logik und Erkenntnis

Beitrag von Claymore »

OT von hier.
Thaddäus hat geschrieben: Mo 9. Jan 2023, 12:44 Das ist korrrekt. Ursprünglich dachte ich, Hiob sei ein bewusst trumpistisch agierender Sophist (also eine Art Troll), der argumentativ festgenagelt einfach immer wieder dieselben Behauptungen wiederholt und sie als alternative Fakten ausgibt. Mittlerweile denke ich aber, dass er seine eigene Begrifflichkeit und Position tatsächlich nicht zu erfassen und logisch zu überschauen in der Lage ist. Er nimmt diesen Unsinn von angeblichen stets vorliegenden “systemischen Voraussetzungen” offenbar selbst ernst, wobei ihm vermutlich tatsächlich nicht auffällt, inwiefern das auf eine radikalskeptische, radikalrelativistische und letztlich performativ-selbstwidersprüchliche Position hinausläuft.
Er ist von der absoluten Konsistenz seines Ansatzes überzeugt:
Hiob hat geschrieben: Mo 9. Jan 2023, 14:27 Diese “alle” sind zwei Leute, die ihr System auf etwas aufpfropfen, wo es nichts zu suchen hat. Du kannst mir glauben, dass meine Aussage im Sinne ihres Inhalts logisch wasserdicht ist. Dass diese Aussage in Deinem Verständnis geistig etwas ganz Anderes bedeuten kann, was logische Kritik nach sich zieht, halte ich für möglich. Aber streng genommen hat das doch nichts mit MEINER Aussage zu tun.
und alle anderen verstehen ihn nur falsch.

Letztlich hat die Clossologie sechs zentrale Pfeiler:
  1. Undefinierbarer Begriff der “ontischen” Wahrheit:
    Hiob hat geschrieben: Sa 7. Jan 2023, 22:12Das liegt an den Grundlagen dieser Theorie. Sie ist so gebaut, dass sie “Wahrheit” gar nicht definieren kann.
  2. Radikal-Skeptizismus bzgl. “ontischer” Wahrheit:
    Hiob hat geschrieben: Do 5. Jan 2023, 08:00Ontische Wirklichkeit und Überzeugungen stimmen dann überein, wenn letztere authentisch zu ersterem stehen. Ob und wann dies so ist, ist nicht absolut zu ermitteln. Wege zu dieser Übereinstimmung sind geistiger Instinkt und/oder philosophische Hermeneutik. Es ist letztlich Sache der ontischen Wirklichkeit, ob man als Subjekt mit ihr übereinstimmt. Entscheiden kann man dies selber nicht.
  3. Radikal-Relativismus bzgl. “systemischen” Wissens
    Hiob hat geschrieben: Mo 9. Jan 2023, 14:27”Wissen” beispielsweise ist im wissenschaftlichen Verständnis per Definition ausschließlich eine Systemgröße. Der eine Verfasser der erwähnten Studie “weiß”, dass mehr als ein Drittel aller inländischen Muslime extremistisch sind, der andere Verfasser “weiß”, dass es weniger als 1% sind.
  4. Erkenntnistheoretischer Fundamentismus, wo das wesentliche fehlt, nämlich dass Axiome selbst-rechtfertigend bzw. unmittelbar einsichtig sind:
    Hiob hat geschrieben: Do 5. Jan 2023, 14:41Das gilt auch in Bezug auf Thaddäus. - UND: Alle drei könnten Recht haben in Bezug auf ihr Weltbild. Deshalb reite ich doch immer auf den Grundlagen rum: Was ist der erste Knopf beim Knöpfen der Weste?
  5. Idiosynkratisches und widersprüchliches Verständnis von Logik. Einmal soll Logik so mechanisch ausführbar sein, wie formale Logik. Jeder Fehler ist trivialer Natur:
    Hiob hat geschrieben: So 8. Jan 2023, 14:28Man kann Stockfehler INNERHALB eines anderen Systems nachweisen (“Ich wohne in Wien, also sehe ich von meinem Fenster aus die Pyrenäen”), aber man kann ein System, dass in sich selbst keine logischen Fehler macht, nicht widerlegen.
    und Logik schafft kein neues Wissen:
    Hiob hat geschrieben: Di 10. Jan 2023, 00:35
    Thaddäus hat geschrieben: Di 10. Jan 2023, 00:04 Logik sagt nichts Inhaltliches über die Welt und bringt auch keine neuen Informationen über sie.
    Meine Rede seit 1848.
    Andererseits bezeichnet er komplexe wissenschaftliche Methoden genauso als bloße “Logik”:
    Hiob hat geschrieben: Mo 9. Jan 2023, 14:27Und vor allem: Wird für Dich ersichtlich, dass dies nichts mit “Logik” zu tun hat - einfach deshalb, weil wir unterstellen dürfen, dass alle genannten Wissenschaftler fehlerfrei gearbeitet haben, also nicht gegen die Logik verstoßen haben.
    Schaffen die Wissenschaftler, da sie nur im Rahmen der Logik arbeiten, kein neues Wissen? War Albert Einstein nur eine Art menschlicher Computer, ohne Kreativität?
  6. Plötzliches Abschwenken in den Realismus:
    Hiob hat geschrieben: Mo 9. Jan 2023, 14:27Bei solchen cis-geistigen Fragestellungen darf man meines Erachtens fundamental-ontische Erwägungen beiseite schieben; wenn also die Berechnungen zeigen, dass ein solcher Pfeiler x Tonnen aushält, würde ich dies in der Praxis ohne weiteres Nachdenken mit einer ontischen Tatsache gleichsetzen.
Diese Auflistung mag den Leuten dienen, die sich für die Nosologie des Geistes interessieren.
Thaddäus hat geschrieben: Mo 9. Jan 2023, 12:44Der Intuitionismus wird von den meisten Mathematikern und Logikern übrigens nicht geteilt, weil er als zu einschränkend betrachtet wird. So sind viele akzeptierte Beweise in der Mathematik und Logik im Intuitionismus gar nicht möglich, was für die praktische Arbeit der Mathematiker schlicht unbefriedigend ist. Ursprünglich richtet sich der Intuitionismus gegen den Platonismus in der Mathematik, also gegen die Annahme, dass mathematische und logische Gesetze unabhängig vom menschlichen Denken existieren und insofern nicht konstruiert, sondern gefunden werden.
Also ich bin sicherlich kein Freund dieses Ansatzes, wegen der anti-platonistischen Motivation.

Aber mich würde schon eine Quelle interessieren, wie schlimm die Konsequenzen der intuitionistischen Mathematik denn nun wirklich wären. Ich glaub’ gerne, dass intuitionistische Beweise entsetzlich kompliziert sind. Aber welche zentralen Sätze konnte man bisher nicht intuitionistisch beweisen?

Beim Satz des Euklid, dem klassischen Beispiel für Widerspruchsbeweise, geht es lustigerweise genauso einfach intuitionistisch. Wenn man eine Primzahl größer p benötigt, berechne man 2 · 3 · 5 … · p + 1. Diese Zahl ist teilerfremd zu allen Primzahlen kleiner gleich p, hat also garantiert einen Primfaktor, der größer ist als p selbst. Den kann man z. B. über das Sieb des Eratosthenes berechnen.

Z. B. 2 · 3 · 5 · 7 · 11 · 13 + 1 = 59 · 509

Ich kann schon verstehen, worauf die Intuitionisten hinaus wollten. Z. B. hier geht es um die Konstruktion einer Funktion, die additiv ist, also f(x + y) = f(x) + f(y) für alle reellen x, y gilt, aber nicht die Form f(x) = a · x mit a reell besitzt. Das geht über das Lemma von Zorn, was aus dem Auswahlaxiom folgt (das Intuitionisten nicht akzeptieren können). Aber auch wenn wir unendlich viele Variationen in Konzepte packen können, scheitern wir an anderen Konstruktionen mit unendlich vielen Konstruktionsschritten.

Ich denke nicht, dass es so einfach ist, dass diese Logik nur einen speziellen Anwendungsfall beschreibt. Hinter der steckt einfach eine andere Ontologie. Existiert ein mathematisches Objekt, das wir nicht per Konstruktionsanweisung eindeutig definieren können? Ja oder nein?
Hiob
Beiträge: 7477
Registriert: Di 1. Jan 2019, 00:21

Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: Mi 11. Jan 2023, 00:01 Schaffen die Wissenschaftler, da sie nur im Rahmen der Logik arbeiten, kein neues Wissen?
Diese Frage zeigt, wie weit Du weg bist. SELBSTVERSTÄNDLICH schaffen Wissenschaftler (sogar alltäglich) neues Wissen (im wissenschaftlichen Sinne des Wortes). - Ich lese gar nicht weiter, weil all Deine genannten Punkte nichts anderes als Selbstschau im Sinne Deines Systems sind. Das ist sub-geistige formale Randale.

Definiere GENAU, was DU mit "Wissen" meinst.
Claymore
Beiträge: 1219
Registriert: Fr 5. Okt 2018, 13:34

Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: Mi 11. Jan 2023, 00:25Diese Frage zeigt, wie weit Du weg bist.
Die Frage war rhetorisch, siehe Kontext. :roll:

Also:
  1. Anwendung der Logik liefert kein neues Wissen.
  2. Wissenschaftler verfahren nach der wissenschaftlichen Methode, die eine Art Logik darstellt.
  3. Wissenschaftler schaffen neues Wissen.
Du kannst nicht alle drei als korrekt akzeptieren, da sie sich in Summe widersprechen.

Du kannst also nur zwei wählen. Welche also?
Hiob hat geschrieben: Mi 11. Jan 2023, 00:25Definiere GENAU, was DU mit "Wissen" meinst.
Was ich denke, ist doch jetzt nicht so wichtig. Aber na gut:
Wissen ist gerechtfertigter, wahrer Glaube.

Glaube ist eine Überzeugung, nach der man zu handeln bereit ist.

Glaube ist ultima ratio wahr, wenn er Nutzwert besitzt (ich spreche zwar auch manchmal von "mit der Realität übereinstimmen", meine das aber nicht im absoluten Sinne).

Gerechtfertigter Glaube bedeutet, dass den Glauben verlässliche Belege untermauern, und der Aufwand für das Auffinden der Belege im Verhältnis zu dem möglichen Nutzwert steht.
Hiob
Beiträge: 7477
Registriert: Di 1. Jan 2019, 00:21

Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: Mi 11. Jan 2023, 19:43 Du kannst also nur zwei wählen. Welche also?
in MEINER Definition von "wissen" sind das 2 und 3.
Claymore hat geschrieben: Mi 11. Jan 2023, 19:43 Wissen ist gerechtfertigter, wahrer Glaube.
Mit geht es eher darum, dass "Wissen" im ontologischen, wissenschaftlichen und alltagssprachlichen Sinne Unterschiedliches bedeutet. Dementsprechend kann eine Aussage logisch oder unlogisch sein - deshalb meine ewige Predigt: Erst Begriffe definieren, dann logische und nicht-logische Sätze damit stricken.
Claymore hat geschrieben: Mi 11. Jan 2023, 19:43 Glaube ist ultima ratio wahr, wenn er Nutzwert besitzt
Im Sinne christlicher Vernunft ist er wahr, wenn er durch die Wirklichkeit (= die Existenz Gottes als Entität) bestätigt wird. Mit anderen Worten: Wir definieren "Wahrheit" sehr unterschiedlich.
Claymore hat geschrieben: Mi 11. Jan 2023, 19:43 Gerechtfertigter Glaube bedeutet, dass den Glauben verlässliche Belege untermauern, und der Aufwand für das Auffinden der Belege im Verhältnis zu dem möglichen Nutzwert steht.
Würdest Du den Begriff "Nutzwert" auch auf Geistliches anwenden?
Claymore
Beiträge: 1219
Registriert: Fr 5. Okt 2018, 13:34

Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: Mi 11. Jan 2023, 20:55
Claymore hat geschrieben: Mi 11. Jan 2023, 19:43 Du kannst also nur zwei wählen. Welche also?
in MEINER Definition von "wissen" sind das 2 und 3.
Bleibt also die Frage, warum du an anderer Stelle geschrieben hast:
Hiob hat geschrieben: Di 10. Jan 2023, 00:35
Thaddäus hat geschrieben: Di 10. Jan 2023, 00:04 Logik sagt nichts Inhaltliches über die Welt und bringt auch keine neuen Informationen über sie.
Meine Rede seit 1848.
Das ist doch genau Punkt 1, den du fallen gelassen hast: "Anwendung der Logik liefert kein neues Wissen." - oder ist da irgendein Unterschied?
Mit geht es eher darum, dass "Wissen" im ontologischen, wissenschaftlichen und alltagssprachlichen Sinne Unterschiedliches bedeutet. Dementsprechend kann eine Aussage logisch oder unlogisch sein - deshalb meine ewige Predigt: Erst Begriffe definieren, dann logische und nicht-logische Sätze damit stricken.
Ich streite ja nicht ab, dass man allerlei Kategorisierung vornehmen kann. Wissen hat je nach Kontext verschiedene Bedeutungsschattierungen, allein schon, weil die Art der Evidenz und der Standard für Beweise völlig unterschiedlich ist.

Aber wenn man es von dem Aspekt der Fehler betrachtet, dann fehlt diesen Einteilungen jede Relevanz.

Wir sagen, ein hochkomplexer mathematischer Satz sei bewiesen, ja. Ein Beweis sei 100%ig. Aber wo Menschen sind, passieren Fehler. Und wenn jetzt morgen ein Beweis für P = NP veröffentlicht wird (meinetwegen peer-reviewed), wäre es doch grotesk zu meinen, dass "Die Erde ist rund" sich nun eher als falsch herausstellt als P = NP.

Meiner Ansicht nach sind wir nirgends unfehlbar (und Deine Einteilung "echte Fehler" vs. Stockfehler ist irrelevant), nichts ist absolut sicher und un-revidierbar. Aber Skeptizismus ist dennoch nicht vernünftig. Diese beiden Thesen widersprechen sich unter der traditionellen Definition von Wahrheit. Aber nicht, wenn man den pragmatischen Zugang wählt.
Im Sinne christlicher Vernunft ist er wahr, wenn er durch die Wirklichkeit (= die Existenz Gottes als Entität) bestätigt wird. Mit anderen Worten: Wir definieren "Wahrheit" sehr unterschiedlich.
Das ist jedenfalls die traditionelle Definition von Wahrheit. Allerdings ist die äußerst problematisch, wegen (a) Skeptizismus und (b) weil "Bestätigung durch die Wirklichkeit" nicht definierbar ist (erst recht bei Aussagen im Konjunktiv).
Würdest Du den Begriff "Nutzwert" auch auf Geistliches anwenden?
Ja, das würde ich tun. Letztendlich muss sich doch irgendwie eine Konsequenz ergeben, etwas, das uns in dieser Sphäre weiterbringt.
Hiob
Beiträge: 7477
Registriert: Di 1. Jan 2019, 00:21

Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: Do 12. Jan 2023, 01:20 oder ist da irgendein Unterschied?
Natürlich. - Die Logik selber/an sich/eo ipso ist lediglich ein Instrument, das selber keine Erkenntnisse über die Welt liefern kann, sondern nur Muster dazu. - Erkenntnis gelingt jedoch selbstverständlich, wenn man Logik an etwas anwendet. - Dieses "etwas" muss allerdings richtig definiert sein, um eine wahre Erkenntnis zu erzielen. Insofern ist der Satz "Wenn der Mensch 4 Ohren hat, haben 80 Mio Deutsche 240 Mio Ohren" logisch richtig, aber auf Erkenntnisebene falsch, also keine Erkenntnis.
So war das gemeint.
Claymore hat geschrieben: Do 12. Jan 2023, 01:20 Deine Einteilung "echte Fehler" vs. Stockfehler ist irrelevant
Im Sinne von "falsch ist falsch" ist irrelevant - richtig. Aber es ist ein qualitativer Unterschied, ob man auf dem Weg von Hamburg nach Freiburg die nördliche Richtung einschlägt oder ob man auf dem Weg in den Süden eine Reifenpanne hat. Das Ergebnis, dass man nicht in Freiburg ankommt, ist in der Tat dasselbe.
Claymore hat geschrieben: Do 12. Jan 2023, 01:20 Das ist jedenfalls die traditionelle Definition von Wahrheit. Allerdings ist die äußerst problematisch, wegen (a) Skeptizismus und (b) weil "Bestätigung durch die Wirklichkeit" nicht definierbar ist
Deshalb definiere ich doch gerade "Wahrheit" als ontische, also von Nachweisbarkeit unabhängige Größe. Wenn Gott IST, ist dessen Existenz eine Wahrheit - selbst wenn ich dies 100 Mal nicht nachweisen kann.
Claymore
Beiträge: 1219
Registriert: Fr 5. Okt 2018, 13:34

Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: Do 12. Jan 2023, 05:49Natürlich. - Die Logik selber/an sich/eo ipso ist lediglich ein Instrument, das selber keine Erkenntnisse über die Welt liefern kann, sondern nur Muster dazu. - Erkenntnis gelingt jedoch selbstverständlich, wenn man Logik an etwas anwendet. - Dieses "etwas" muss allerdings richtig definiert sein, um eine wahre Erkenntnis zu erzielen. Insofern ist der Satz "Wenn der Mensch 4 Ohren hat, haben 80 Mio Deutsche 240 Mio Ohren" logisch richtig, aber auf Erkenntnisebene falsch, also keine Erkenntnis.
So war das gemeint.
Und, war deine Interpretation von
Thaddäus hat geschrieben: Di 10. Jan 2023, 00:04 Logik sagt nichts Inhaltliches über die Welt und bringt auch keine neuen Informationen über sie. Aber mit Logik werden Gedanken daraufhin geprüft, ob sie formal-logisch korrekt sind oder nicht. Mit Logik werden nicht die Inhalte von Gedanken und Aussagen geprüft, sondern ihre formale Struktur.
korrekt? Sicherlich nicht, wenn man den Kontext betrachtet.

Deinen Gedanken hätte man doch eher ausgedrückt durch: logische Sätze selbst sagen inhaltlich nichts über die Welt aus, aber bringen angewendet durchaus neue Informationen über sie hervor.

Wobei das auch kurios ist, wenn man Logik wie in der Philosophie versteht. Denn förderte die reine Logik jemals etwas anderes zutage, als was bereits in den Prämissen drinsteckte?

Mathematik ist keine Logik, da ihr die Allgemeinheit fehlt, d. h. mit deinem 4 · 80 Mio. = 240 Mio. bist du schon raus.

Wenn man aber Logik wie du versteht, also wie in der Umgangssprache, hört sie wiederum auf, als Kalkül mechanisch anwendbar zu sein und enthält auch Schlussmethoden, die kontrovers oder nicht allgemein anerkannt sind.
Hiob hat geschrieben: Do 12. Jan 2023, 05:49Im Sinne von "falsch ist falsch" ist irrelevant - richtig. Aber es ist ein qualitativer Unterschied, ob man auf dem Weg von Hamburg nach Freiburg die nördliche Richtung einschlägt oder ob man auf dem Weg in den Süden eine Reifenpanne hat. Das Ergebnis, dass man nicht in Freiburg ankommt, ist in der Tat dasselbe.
Woher kommt eigentlich deine extreme Geringschätzung von Schlussfolgerungen? Gibt es nicht auch Fehler wie beim Autobahnkreuz falsch abzubiegen?
Hiob hat geschrieben: Do 12. Jan 2023, 05:49Deshalb definiere ich doch gerade "Wahrheit" als ontische, also von Nachweisbarkeit unabhängige Größe. Wenn Gott IST, ist dessen Existenz eine Wahrheit - selbst wenn ich dies 100 Mal nicht nachweisen kann.
Was heißt da "doch"? Daraus ergibt sich das Problem: Man kann nichts Nachweisen, man kommt nicht ran ans Ontische :arrow: Radikal-Skeptizismus.

Diesen Ansatz lehne ich ab.

Und "Gott IST" ist übrigens inhaltsleer, wenn diese Aussage nicht irgendwann, wenigstens über viele Umwege, irgendwelche Konsequenzen für uns hat.

In der Struktur des Kosmos erkennen wir etwas, das dem Ausdruck menschlicher Intelligenz vage gleicht. Soviel wird wohl auch ein Atheist zugeben. Ein Deist dagegen wird akzeptieren, dass sich unser menschliches Denken von Gott drastisch unterscheidet.

Wir können also die Ursache des Universums "Gott" nennen, wenn wir wollen. Oder eben nicht. Es ist Konvention. Der Unterschied zwischen Einsteins kosmischer Religion und Deismus ist praktisch irrelevant.

Das ist so ähnlich wie das hier:
Hiob hat geschrieben: Sa 7. Jan 2023, 22:12
Claymore hat geschrieben: Sa 7. Jan 2023, 19:18 Nimm einen Vulkan, stell eine Kamera auf, die ihn aufzeichnet. Entferne dich und alle anderen Menschen aus dem Gebiet. Am Ende schau dir die Aufzeichnung an und du stellst fest: der Vulkan stand völlig unbeeindruckt da und verhielt sich nicht anders als sonst.
Eben - darum geht es mir. - Schlimm genug, dass es mir darum gehen musste.
So gesehen würde hinter "Wahrnehmung wirkt sich nicht auf Sein aus" eine tatsächliche Behauptung mit Aussagekraft stehen.

Wenn man Idealismus so versteht, ist er längst widerlegt. Die Umwelt macht eindeutig den Eindruck, von der Wahrnehmung unabhängig zu sein. Aber kein nennenswerter Idealist hat je behauptet, dass Wahrnehmung *plopp* Materie erschafft o. ä.

Idealismus à la Berkeley leugnet schlicht die Existenz von Materie. Aber da seine Philosophie so konstruiert ist, dass sie keinerlei praktische Konsequenzen für uns hat, ist sie inhaltsleer und wir können gar nicht verstehen, worum es da gehen soll. Das Gleiche gilt für die Gegenposition, bestimmte abstruse Spielarten des Realismus (da kannst du deine dazuzählen).
Hiob
Beiträge: 7477
Registriert: Di 1. Jan 2019, 00:21

Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: Do 12. Jan 2023, 20:57 Deinen Gedanken hätte man doch eher ausgedrückt durch: logische Sätze selbst sagen inhaltlich nichts über die Welt aus, aber bringen angewendet durchaus neue Informationen über sie hervor.
Wenn man das Problem von falschen Voraussetzungen oder unklaren Definitionen mal weg lässt, ja. - Wo habe ich etwas Gegenteiliges gesagt?

Wo ist der substantielle Unterschied zwischen Deiner zitierten Thaddäus- und Hiob-Aussage? Ich kann keinen erkennen.
Claymore hat geschrieben: Do 12. Jan 2023, 20:57 Denn förderte die reine Logik jemals etwas anderes zutage, als was bereits in den Prämissen drinsteckte?
Das ist IMMER so - es heißt nicht umsonst in der Mathematik "Voraussetzung - Behauptung - Beweis". - Der Naturwissenschaftler setzt, dass sein Modell falsifizierbar ist und engt dementsprechend seinen Radius ein (weil es methodisch gar nicht anders geht). Folglich können nur logische Ergebnisse innerhalb dieses Radius rauskommen. Dies gilt auch außer-wissenschaftlich in weltanschaulichen Fragen: "Wenn jeder gleich viel haben soll, müssen wir die Reichen enteignen". Dies ist eine logische kommunistische Aussage - ist deshalb generell der Satz wahr: "Reiche müssen enteignet werden" ---??

Willst Du sagen, dass formale Logik ohne jegliche Voraussetzungen funktioniert? Nebenbei: Ich bin NICHT Fachmensch in Sachen "formale Logik", sondern vielmehr am Verhältnis von Wahrnehmung (jeglicher Art) und "dem, was ist" interessiert. Wenn es Dir leichter fällt: Das Verhältnis von Subjekt und Objekt.
Claymore hat geschrieben: Do 12. Jan 2023, 20:57 Mathematik ist keine Logik
Auch wenn man mit x und y, etc. mathematische Aussagen macht? Also für mich ist Mathematik eigentlich die Geisteswissenschaft der Logik - selbst wenn man "x" in der Praxis mit "2" und "y" mit 240" konkretisiert.
Claymore hat geschrieben: Do 12. Jan 2023, 20:57 Woher kommt eigentlich deine extreme Geringschätzung von Schlussfolgerungen?
Jetzt frustrierst Du mich wieder. Warum fragst Du nicht, OB ich Schlussfolgerungen gering schätze? Dann kannst Du Dir das "Woher" sparen.

Die Mechanik des Schlussfolgerns ist nicht das Problem, sondern die Voraussetzungen.

GANZ einfaches Beispiel: Wenn Du den ersten Knopf einer Weste falsch knöpfst, kannst Du alle weiteren Knöpfe richtig knöpfen und trotzdem ist die ganze Weste verknöpft. Dass ist doch gerade das Hauptproblem bei unseren Diskussionen.

Das "alle weiteren Knöpfe richtig knöpfen" steht für "richtig schlussfolgern" (nach dem ersten Knopf nimmt man richtigerweise bis zum letzten Knopf das nächste Knopfloch). Wenn man sich aber in einem solchen Fall ("erste falsche Knöpfung, dann logisch richtige Schlussfolgerung für alle anderen Knöpfungen)" hinstellt und sagt "Hoho - damit ist nachgewiesen, dass die Weste richtig geknöpft ist, und wer diese Weste nicht als perfekt akzeptiert, hat keine Ahnung von Logik" hat zu früh mit dem Denken aufgehört, was man formal nicht heilen kann.

Merke: Eine Weste, die von Knopf 2 an logisch/schlussfolgerisch perfekt geknöpft ist, ist eine scheiß Weste, wenn Knopf 1 falsch geknöpft ist. Deshalb bettelt Hiob so regelmäßig darum, dass man sich um Knopf 1 kümmern möge, bevor man Vorträge über Logik und Schlussfolgerungen hält.
Claymore hat geschrieben: Do 12. Jan 2023, 20:57 Und "Gott IST" ist übrigens inhaltsleer, wenn diese Aussage nicht irgendwann, wenigstens über viele Umwege, irgendwelche Konsequenzen für uns hat.
Sogar das ist kategorial falsch gedacht. Denn das "IST" hängt nicht davon ab, ob es etwas mit uns zu tun hat. Das wäre Anthropozentrismus pur, sozusagen eine geistige Geozentrik.

Unabhängig davon und auf Gott bezogen: Wie will ein Wissenschaftler/Logiker(?) herausfinden, ob "Gott als Entität" Konsequenzen für uns hat, wenn diese weder wissenschaftlich noch logisch zwingend nachweisbar sind? Ist "Gott" dann ontisch "inhaltsleer", weil WIR nicht nachweisen können?
Claymore hat geschrieben: Do 12. Jan 2023, 20:57 Wir können also die Ursache des Universums "Gott" nennen, wenn wir wollen. Oder eben nicht.
Richtig. - Was ändert das an Gott, falls es ihn als Entität gibt?
Claymore hat geschrieben: Do 12. Jan 2023, 20:57 So gesehen würde hinter "Wahrnehmung wirkt sich nicht auf Sein aus" eine tatsächliche Behauptung mit Aussagekraft stehen.
Quantenmechanische Spezialfragen ausgenommen - das wäre dann die Champions-League, die aber keinen Sinn macht, solange man in der 2. Bundesliga im Mittelfeld spielt. Bis zur Champions-League behaupte ich: "Mein Schauen oder Nicht-Schauen auf den Mond hat keinen Einfluss auf dessen Existenz oder Nicht-Existenz".
Claymore hat geschrieben: Do 12. Jan 2023, 20:57 Aber kein nennenswerter Idealist hat je behauptet, dass Wahrnehmung *plopp* Materie erschafft o. ä.
Wäre mir ebenfalls sehr neu. Das könnte ALLENFALLS von einem quantenphysik-geküssten Philosophen kommen.
Claymore hat geschrieben: Do 12. Jan 2023, 20:57 Die Umwelt macht eindeutig den Eindruck, von der Wahrnehmung unabhängig zu sein.
Das ist auch mein bisheriger Eindruck im Leben. - Ich sehe momentan nicht, worauf Du raus willst - außer dass Du Aussagen von mir bestätigst.
Claymore hat geschrieben: Do 12. Jan 2023, 20:57 Idealismus à la Berkeley leugnet schlicht die Existenz von Materie.
Das ist jetzt wieder Definitionskram. Allerdings wünschte ich mir eine Fachperson im Forum, die folgenden Satz von Einstein "Materie ist nur eine verdünnte Form der Energie" auf Deine Aussage hin interpretiert. Möglicherweise meint es Berkeley ja geistig ähnlich. - Allgemein gesagt: Man sollte Aussagen über andere Systeme nicht mit dem Maßstab des eigenen Systems treffen.
Claymore hat geschrieben: Do 12. Jan 2023, 20:57 Aber da seine Philosophie so konstruiert ist, dass sie keinerlei praktische Konsequenzen für uns hat, ist sie inhaltsleer und wir können gar nicht verstehen, worum es da gehen soll.
Auch das ist rein weltanschauliches Gerede. Im Grunde sagst Du: "Das, was ich an Berkeley (nicht) verstanden habe, führt mich in MEINER Weltanschauung zur Schlussfolgerung, dass es keinerlei praktische Konsequenzen für uns hat". - Man beachte die Rolle, die in diesem Satz das Wort "Schlussfolgerung" spielt - nämlich keine, da nicht klar ist, wo "der erste Knopf der Weste geknöpft ist".
Claymore hat geschrieben: Do 12. Jan 2023, 20:57 ist sie inhaltsleer und wir können gar nicht verstehen
Willst Du damit sagen: "Da wir es nicht verstehen, ist es inhaltsleer"? - Falls ja: Geistige Geozentrik alias Anthropozentrik.
Benutzeravatar
Paul
Beiträge: 17966
Registriert: Di 2. Mär 2021, 16:42

Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Paul »

ist doch nicht so schwer, leute...logik ist letztendlich eine verfahrensanweisung für folgerichtiges argumentieren, sie besagt jedoch nichts über die grundannahmen...siehe gödels ontologischen gottesbeweis, formal einwandfrei

struktur

behauptung - gott existiert

jetzt kommt der trick bei der sache, gödel setzt die eigenschaften gottes so, wie er sie für seinen beweis braucht und siehe da, gott existiert...q.e.d.

in der philosophie gibt es übrigens auch das sogenannte principle of charity, thaddäus kann bestimmt etwas dazu sagen...das abfackeln von strohmännern ist auf jeden fall nicht die feine englische art, auch wenn es von einem claymore kommt :frech2:
der storch der sitzt am karpfenteich und hämmert alle karpfen weich

it's not easy be(e)in' green

es gibt nichts gutes, außer man tut es

https://www.youtube.com/watch?v=ItZyaOlrb7E

das huhn ist im auftrag des herren unterwegs 8-)
Hiob
Beiträge: 7477
Registriert: Di 1. Jan 2019, 00:21

Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Hiob »

Paul hat geschrieben: Fr 13. Jan 2023, 10:35 ist doch nicht so schwer, leute...logik ist letztendlich eine verfahrensanweisung für folgerichtiges argumentieren, sie besagt jedoch nichts über die grundannahmen...siehe gödels ontologischen gottesbeweis, formal einwandfrei
Ja - genau das ist das Thema.
Antworten