Logik und Erkenntnis

Philosophisches zum Nachdenken
Hiob
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: Sa 14. Jan 2023, 11:07 Ja, "darstellt". Und nicht "verwendet".
OK - ich hatte Deine Aussage als Ganzes verstanden und nicht den Unterschied, ob Wissenschaft Logik "darstellt" oder "verwendet". Wobei ich mit diesem Unterschied sprachlich wenig anfangen kann, denn wenn Wissenschaft Logik verwendet, stellt sie sie doch dar. Du musst da schon Verständnis haben, wenn man hier keine Antithese herausliest.

Es geht doch darum (man muss wirklich immer wieder auf das verweisen, was die Grundsatzfrage ist), ob Logik als formale Größe etwas über die Welt aussagt oder nicht. Und da lautet die Antwort: Logik ist an sich kein Wissenserbringer, sondern ein Instrument (bspw. der Wissenschaft) zur Wissenserbringung.

Natürlich kann man jetzt sagen "Hoho, das formale Erkennen von logischen Strukturen ist ebenfalls Wissen". Dann müssen wir halt wieder diskutieren, was wir unter "Wissen" verstehen. Können wir. - Ungeachtet dessen wird am Ende rauskommen, dass der Satz "logisches Ergebnis = Wirklichkeit" nicht funktioniert, weil logische Ergebnisse nur dann ontisch scharf gestellt sind, wenn die Voraussetzungen einer logischen Schlussfolgerung korrekt sind.
Aber dann funktioniert deine Dichotomie "Voraussetzungen vs. logische Schlüsse" nicht mehr. Es gäbe dann auch Fehler in Schlussfolgerungen, die nicht logischer Natur sind.
Natürlich gibt es genuine Fehler in Schlussfolgerungen, die nichts mit den Voraussetzungen zu tun haben. Aber: Wie soll es KEINE Dichotomie zwischen Voraussetzungen geben können, wo beide doch aufgrund ihrer unterschiedlichen Kategorien überhaupt keine Teilmengen haben können?
Spice
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Spice »

Hiob hat geschrieben: Mo 9. Jan 2023, 13:20 Das ist wirklich sehr interessant. Aber wir müssen immer dabei im Kopf haben, dass Logik nur ein Instrument ist, das erst dann wertvoll wird, wenn es an etwas angelegt ist, dessen Voraussetzungen geklärt und verstanden sind.
Dieser Satz ist in der Tat, wie Claymore moniert, widersprüchlich. Auch die Voraussetzungen können nur mittels Logik und Verstand geklärt werden. Mit was will man sonst verstehen?
Hiob hat geschrieben: Sa 14. Jan 2023, 11:58
Spice hat geschrieben: Sa 14. Jan 2023, 11:29 Auch die Voraussetzungen können nur mittels Logik und Verstand geklärt werden. Mit was will man sonst verstehen?
"Hier ist ein schmelzender Gletscher, dort ein Gletscher-Bach = Voraussetzung" - "Wenn der Gletscher weggeschmolzen ist, ist der Bach ebenfalls weg = logische Schlussfolgerung". Zur Feststellung der Beobachtung braucht man keine Logik.

Allerdings hast Du recht: Es gibt Fälle, wo dies nötig ist: "Lass uns erschließen, was eigentliche unsere Voraussetzungen sind?". Aber auch dann ist Logik nur ein Instrument.
Logik funktioniert nach dem Vergleich. Um also einen Gletscher von einem Bach unterscheiden zu können bedarf es auch des Verstandes.
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Paul
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Paul »

Wissen beginnt mit der Erkenntnis der Unzuverlässigkeit der Wahrnehmungen, mit der Zerstörung von Täuschungen, mit der "EntTäuschung". (Erich Fromm)

daraus, dass ich nur weiße schwäne kenne, folgt nicht zwingend der schluss, es gäbe nur weiße schwäne, hint induktionsproblem

dass man aber aus der existenz von schwarzen schwänen (reinkarnation, spuk, kurzum die ganze bunte welt der esoterik) ein allgemeingültiges prinzip ableiten könnte ist ja wohl völlig absurd

:mrgreen:
der storch der sitzt am karpfenteich und hämmert alle karpfen weich

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es gibt nichts gutes, außer man tut es

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das huhn ist im auftrag des herren unterwegs 8-)
Hiob
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Hiob »

Spice hat geschrieben: Sa 14. Jan 2023, 12:08 Um also einen Gletscher von einem Bach unterscheiden zu können bedarf es auch des Verstandes.
"Verstand" und "Logik" sind kategorial unterschiedliche Begriffe. Davon abgesehen geht es nicht um die Unterscheidung von Gletscher und Bach, sondern um deren logisches Verhältnis zueinander: "WENN Bach ausschließlich aus Gletscherwasser, DANN ist Bach weg, wenn Gletscher weg". Dies ist ein Satz der Logik.

Was per Logik NICHT geklärt werden kann, ob der Bach wirklich nur von Gletscherwasser gespeist wird, ob also das "weil" im logischen Satz überhaupt stimmt, ob also die Voraussetzungen eines logischen Satzes überhaupt sachlich/ontisch richtig sind.
Hiob
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Hiob »

Paul hat geschrieben:es gibt nichts gutes, außer man tut es
Es gibt nichts Geschröpftes, außer man köpft es.
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Thaddäus
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Thaddäus »

Hiob hat geschrieben: Fr 13. Jan 2023, 13:17 Es ist MEIN Thema: Voraussetzungen, BEVOR man logisch wird. Weiterhin: Gemessen an den Ergebnissen einer Untersuchung: Wie stehen "methodische Ergebnisse" zu "das, was der Fall" ist, also das Verhältnis von Wahrnehmung und Sein. Hier scheint es extrem unterschiedliche Auffassungen zu geben.
Es gibt keine Voraussetzungen bevor man logisch wird. Jede Aussage und jede Schlussfolgerung kann auf ihre logische Konsistenz und Korrektheit hin geprüft werden. Nur ergibt es bei macnhen Äußerungen keinen Sinn, z.B. in der dadistischen Poesie. Praktisch alles, was du im Zusammenhang mit Logik oder im Zusammenhang angeblich zu wählender Voraussetzungen oder im Zusammenhang mit angeblich zu definierenden Begriffen schreibst, ist schlicht falsch. Auch, wenn du das vehement bestreitest. Das ändert nichts.
Hiob
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Hiob »

Thaddäus hat geschrieben: Sa 14. Jan 2023, 19:52 Jede Aussage und jede Schlussfolgerung kann auf ihre logische Konsistenz und Korrektheit hin geprüft werden.
Natürlich geht das inner-logisch. Es kann inner-logische Aussagen geben, die formal richtig sind, aber in der Wirklichkeit voll daneben. Zum alten Beispiel:

Wenn man den ersten Knopf einer Weste falsch geknöpft hat, kann man trotzdem logisch sagen, dass jeder weitere Knopf logisch richtig geknöpft wurde - trotzdem ist in Wirklichkeit die Weste verknöpft. Die Aussage "Ich habe logisch richtig geknöpft, also ist das Ergebnis wahr" ist nicht notwendigerweise richtig.
Thaddäus hat geschrieben: Sa 14. Jan 2023, 19:52 Praktisch alles, was du im Zusammenhang mit Logik oder im Zusammenhang angeblich zu wählender Voraussetzungen oder im Zusammenhang mit angeblich zu definierenden Begriffen schreibst, ist schlicht falsch.
Begründe dies, damit man überhaupt mal versteht, wo Du raus willst. Wie willst Du begründen, dass das Ergebnis einer formal richtigen Argumentationskette ohne Prüfung des Modells, in das es eingebettet ist, und der Definitionen, die dabei verwandt werden, richtig sein MUSS?? Das wäre doch Kamikaze!

Warum klebst Du Dich so an den Gedanken fest, dass das Instrument Logik zwangsläufig zu ontisch wahren Aussagen führt? Oder verstehst Du eine logische Antwort selber als ontisch? Was aber brächte eine Gegenüberstellung von formaler Ontik und wirklicher Ontik? Das gibt doch nur Sprachsalat.
Claymore
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: Sa 14. Jan 2023, 11:52 OK - ich hatte Deine Aussage als Ganzes verstanden und nicht den Unterschied, ob Wissenschaft Logik "darstellt" oder "verwendet". Wobei ich mit diesem Unterschied sprachlich wenig anfangen kann, denn wenn Wissenschaft Logik verwendet, stellt sie sie doch dar. Du musst da schon Verständnis haben, wenn man hier keine Antithese herausliest.
Der Duden sagt: darstellen = gleichzusetzen sein mit; sein, bedeuten. So war das hier gemeint.
Hiob hat geschrieben: Sa 14. Jan 2023, 11:52Es geht doch darum (man muss wirklich immer wieder auf das verweisen, was die Grundsatzfrage ist), ob Logik als formale Größe etwas über die Welt aussagt oder nicht. Und da lautet die Antwort: Logik ist an sich kein Wissenserbringer, sondern ein Instrument (bspw. der Wissenschaft) zur Wissenserbringung.

Natürlich kann man jetzt sagen "Hoho, das formale Erkennen von logischen Strukturen ist ebenfalls Wissen". Dann müssen wir halt wieder diskutieren, was wir unter "Wissen" verstehen. Können wir. - Ungeachtet dessen wird am Ende rauskommen, dass der Satz "logisches Ergebnis = Wirklichkeit" nicht funktioniert, weil logische Ergebnisse nur dann ontisch scharf gestellt sind, wenn die Voraussetzungen einer logischen Schlussfolgerung korrekt sind.
Es geht da weniger ums formale Formelgeklimper, sondern schon um die Aussage, die z. B. hinter (P → Q) ∨ (P ∧ ¬Q) steckt. Also dass man für P, Q beliebige Aussagen einsetzen kann und was Wahres herauskommt.

"Wenn die Straße nass ist, regnet es" oder "Die Straße ist nass und es regnet nicht".

Über den Zustand der Straße und des Wetters sagt das natürlich nichts aus. Nicht mal, dass da eine Straße ist. Aber halt wenigstens, dass alle Möglichkeiten damit abgedeckt sind.

Letztlich leiden doch alle allgemein formulierten Aussagen unter solchen Problemen.

Ist x · y = y · x (für alle Zahlen x, y) denn Wissen?
5 Ladungen à 7 Äpfel sind gleich 7 Ladungen à 5 Äpfel. Aber das sagt nicht, dass irgendwo tatsächlich diese 35 Äpfel sind.

Ist das Gravitationsgesetz denn Wissen?

Du kannst die Gravitationswirkung eines Sterns mit 1 Milliarde Sonnenmassen berechnen - nur muss es so einen Stern nicht geben.

Bezieht sich "ontisch scharf gestellt" also nur auf Logik? Oder muss jede allgemeine Aussage konkretisiert werden?
Hiob
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: Sa 14. Jan 2023, 21:14 Der Duden sagt: darstellen = gleichzusetzen sein mit; sein, bedeuten. So war das hier gemeint.
Bei mir sagt der Duden: „wiedergeben, als Abbild gestalten, abbilden, gleichzusetzen sein mit“. Da kann man sich dann was raussuchen.

Wie soll ich darauf kommen, dass Du mit "darstellen" so was ähnliches meinst wie "=", wo Methodik (oder was war es?) und Logik doch völlig unterschiedliche Kategorien sind? Deshalb bleibt eigentlich nur die Duden-Bedeutung "abbilden" übrig: Methodik bildet in sich logische Vorgänge ab - oder so ähnlich.

Außerdem ist diese Korinthenkackerei irrwegig und lenkt nur ab. Denn es geht nach wie vor um die Frage, ob logische Aussagen in ihrer Anwendung auf etwas Konkretes notwendig "wahr" sind. Und da halte ich es halt als offenkundig, dass das Attribut "in ihrer Anwendung auf etwas Konkretes" vernünftig definiert sein muss, damit etwas Vernünftiges, also etwas inhaltlich Wahres, rauskommen kann. - Siehe Beispiel mit der Weste: Eine verknöpfte Weste ist nicht "wahr", selbst wenn die logische Schlussfolgerung aus der Voraussetzung "eine Weste knöpft man beginnend mit dem 2. Knopfloch" formal richtig ist. - Darum geht es.
Claymore hat geschrieben: Sa 14. Jan 2023, 21:14 Ist das Gravitationsgesetz denn Wissen?
Wissenschaftlich gesehen schon: Da ist ein Modell, das per Beobachtung bestätigt wird, und der experimentelle Nachweis passt ebenfalls. Das nennt man in der Wissenschaft "Wissen". Dieses Wissen gilt so lange, bis "ein schwarzer Schwan" gefunden wird, der dieses Wissen falsifiziert. Beim Energieerhaltungssatz waren vor einiger Zeit einige Physiker drauf und dran, selbigen zu falsifizieren, obwohl man diesen Satz sicherlich als "Wissen" bezeichnen kann.
Claymore hat geschrieben: Sa 14. Jan 2023, 21:14 Letztlich leiden doch alle allgemein formulierten Aussagen unter solchen Problemen.
Ja - aber das ist der Moment sich bewusst zu werden, dass Sprache und Kommunikation generell eine andere Kategorie ist als Sein. Da gibt es kein "="-Zeichen zwischen beiden, sondern nur (im besten Fall) Deckungsgleichheit.
Claymore hat geschrieben: Sa 14. Jan 2023, 21:14 Bezieht sich "ontisch scharf gestellt" also nur auf Logik? Oder muss jede allgemeine Aussage konkretisiert werden?
Etwas anders: Logik ist bei richtiger Anwendung innerhalb ihres Systems immer wahr. "Ontisch scharf stellen" bedeutet, dass andere Faktoren mitspielen, die entscheiden, ob eine an sich logische Aussage in einem Kontext wahr ist in Bezug auf das, was der Fall ist. - Wieder die Weste:

Die Aussage "Ab dem zweiten Knopf ist dies eine wahre Weste" ist richtig, selbst wenn die Weste selber unwahr ist, eben weil der erste Knopf falsch geknöpft ist (bitte jetzt keine Diskussion, ob es "wahre Westen" gibt :D . Das Problem: Bei Westen kennt man den ersten Knopf, bei vielen Fragen gerade in der Philosophie, den Geisteswissenschaften, den Sozialwissenschaften, muss der erste Knopf definiert werden - wozu ja Modelle da sind. Diese Definitionen können in Bezug auf das, was der Fall ist, falsch sein. Beispiele sind beliebig viele vorhanden.
Spice
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Spice »

Paul hat geschrieben: Sa 14. Jan 2023, 14:30 dass man aber aus der existenz von schwarzen schwänen (reinkarnation, spuk, kurzum die ganze bunte welt der esoterik) ein allgemeingültiges prinzip ableiten könnte ist ja wohl völlig absurd

:mrgreen:

Hier wird ja nicht von "schwarzen Schwänen" gesprochen, sondern von einem Schöpfer des Universums, der naturwissenschaftlich nicht zu fassen ist, und da ist die Existenz naturwissenschaftlich nicht erforschbarer Welten zwingend. Natürlich ist die Welt dessen, was sich heute "Esoterik" nennt, bunt". Deshalb muss man zwischen der Jahrmarktesoterik und der esoterischen Wissenschaft unterscheiden.

Wenn du an deiner Position festhalten und trotzdem an "Jesus" oder die Liebe glauben willst, gibt es dafür keinen Grund. Denn wenn das Universum nur aus dem naturwissenschaftlich Erforschbaren bestünde, macht das alles keinen Sinn. Da ist es nur sinnvoll rücksichtslos nach den eigenen Begierden zu leben und sich bei krummen Sachen nicht erwischen zu lassen. Danach ist eh´alles aus.
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