Rosenius - tägliche Andachten

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rellasch
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Rosenius 10. Nov

Beitrag von rellasch »

Zum 10. November


Da sprach Adam: Die Frau, die Du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum, und ich aß. - 1. Mose 3, 12


Hier treten Adams Verderben und Bosheit so recht an den Tag. Er hat die bestimmte Frage bekommen, ob er nicht gesündigt habe, und kann deshalb dem nicht entgehen, von dieser Sache zu reden. Aber was tut er? Statt ein Wort der wahren Erkenntnis zu finden, sucht er sich zu entschuldigen: „Die Frau, die Du mir zugesellt hast, war die Ursache, dass ich aß.“ Das ist also das erste, was die gefallenen Menschen kennzeichnet: Sie bekennen sich nicht zu ihrer Sünde, sondern wollen unschuldig sein. Als der Herr sich dann an die Frau wandte und fragte: „Warum hast du das getan?“, hatte sie die gleiche Antwort wie Adam; sie führte dieselbe Rede, dass sie nämlich von einem anderen verleitet worden sei. Sie sprach: „Die Schlange betrog mich also, dass ich aß.“
Diese Art ist so bezeichnend für die Natur des Menschen, dass wir sie schon bei Kindern finden, sobald sie zu sprechen angefangen haben. Wurde ein Fehler begangen, suchen sie ihn gleich auf ihren Nächsten zu schieben. Diese unsere Natur offenbart sich beständig in größeren wie in kleineren Dingen: Vor den Menschen will niemand die Schuld auf sich nehmen, niemand seine Torheiten bekennen, sondern man verbirgt und entschuldigt sie, auch wenn man sich im Innern schuldig fühlt. Vor Gott will man nie stillhalten und seinen Gerichten recht geben, sondern man sucht sich immer zu entschuldigen und zu verteidigen, was der Grund aller Sicherheit, Unbußfertigkeit und Unseligkeit ist. Wird der Mensch nun aber von dem Gesetz Gottes härter angegriffen und gedrängt, dann steigt die Bosheit noch höher, dann wird er bitter gegen Gott den Herrn, der uns erschaffen und uns Sein Gesetz gegeben hat.
Das nämlich ist das andere, was wir in Adams Antwort finden: Nicht nur, dass er sich entschuldigt, er will dazu noch die Schuld auf den Herrn schieben, indem er sagt: „Die Frau, die Du mir zugesellt hast, gab mir“ usw. Man merkt deutlich, dass er damit dem Herrn einen Vorwurf machen wollte, dass Er ihm die Frau gegeben hätte. Er hätte ja nur zu sagen brauchen „die Frau“ oder „meine Gattin“, dies umso mehr, da keine andere Frau vorhanden war; aber mit Fleiß fügt er hinzu: „Die Du mir zugesellt hast“. „Deshalb“, sagt Luther, „sind diese Worte voll Zorn und Unwillen gegen Gott, als ob er sagen wollte: Diesen Schmutz hast Du selbst auf mich geworfen. Hättest Du mir nicht die Frau gegeben, sondern ihr einen eigenen Garten gegeben, so dass sie nicht bei mir gewohnt hätte, so wäre ich von der Sünde frei geblieben; dass ich jetzt gesündigt habe, ist Deine eigene Schuld, weil Du mir die Frau gegeben hast.“ Welch schreckliche Bosheit hat den erst so reinen und so guten Menschen ergriffen. Statt dass Adam dem barmherzigen Vater entgegenlief, Ihm zu Füßen fiel und mit bitteren Tränen seine schreckliche Sünde bekannte und Ihn um Verzeihung bat, fängt er an, falsche, ausweichende Antworten zu geben und direkt Gottes Stimme und den von Gott geschaffenen nackten Leib als Ursachen seiner Flucht zu beschuldigen. Anstatt zu sagen: „Ich habe gesündigt“, sagt er: „Du Gott, Du hast gesündigt, der Du mir die Frau gabst.“ An Adam sehen wir, wie alle Menschen sind und handeln, wenn sie gesündigt und die Stimme des Gesetzes im Gewissen vernommen haben, solange das Evangelium und der Glaube ihre Herzen noch nicht eingenommen und verändert haben. Hätte Gott gleich gerufen: „Adam, du hast Vergebung! Ich weiß, wie du gesündigt hast, aber Ich habe es vergeben“, dann würde Adam in herzlicher Demut seine Sünden bereut und bekannt sowie sie auch aufs eifrigste verflucht und gesagt haben: „Ich habe gesündigt; barmherziger Vater, vergib mir!“ Weil aber die Hoffnung auf Vergebung bei ihm noch nicht vorhanden war, war sein Herz verschlossen, hart und bitter gegen Gott.
Und hier hilft es nichts, einzusehen, dass dies alles sündig ist; man vermag doch nicht anders zu handeln, solange die Gnade oder die Vergebung Gottes das Herz nicht erwärmt und gedemütigt haben. Eva sah ohne Zweifel, wie schlecht Adams Entschuldigung gelang, und sie hätte sich dies eine Lehre sein lassen sollen, so dass sie Gott die Ehre gegeben, die Sünde bekannt und in Demut um Gnade gebeten hätte. Aber nein, sie handelt gleich darauf genauso wie Adam, sie ist also gar nicht besser. Gleichwie er die Schuld auf die Frau geschoben hatte, so schiebt sie die Schuld auf die Schlange, die auch Gottes Geschöpf war, als ob sie sagen wollte: „Die Schlange, die Du, Gott, erschaffen und im Paradiese hast umherkriechen lassen, betrog mich.“ So klagen sie den Schöpfer an und entschuldigen sich selber. So geht es noch immer. Dem Unglauben folgt der Ungehorsam aller unserer Kräfte und Glieder, dem Ungehorsam folgen Entschuldigungen. Die Sünde will weder Sünde sein noch als solche bestraft werden, sie will Unschuld heißen. Wenn sie dies nun nicht darf, dann straft sie Gott Lügen, und es wird aus einer menschlichen Sünde ganz und gar eine teuflische. Und so geht der Unglaube zum Hass gegen Gott und der Ungehorsam zur Anklage des Schöpfers über. Das ist dann der letzte Grad der Sünde, nämlich Gott den Herrn zu hassen und Ihm die Sünde zuzurechnen, als ob sie von Ihm käme. Gerade das finden wir hier bei Adam und nicht weniger bei Eva.


Wohin soll ich mich verstecken?
Ach wo treff’ ich Kleider an,
Dass ich meine Schande decken
Und vor Gott bestehen kann?
Keine weiß ich als die Wunden,
Die vom Haupte bis zum Fuß
Meine Seel’ an dem gefunden,
Der am Kreuz verbluten muss.
"Durch IHN, SEINE Gnade, Kraft und Zuwendung existieren wir" (Apg 17,28)
Klee
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Re: Rosenius - tägliche Andachten

Beitrag von Klee »

Der Beitrag zum 10. November:
Dies ist eine sehr ergreifende Darstellung. Hilft auch zum Erklären vieler heutigen menschlichen Konflikte. Als ich herausbekam, anhand Todesfällen, dass Agrar- und Medizinmittel viele Leiden verursachen, war die erste Reaktion „entschuldigen“, Rauswurf, Diskreditierung, Beschimpfung, Friedensstörer, Unruhestifter und kein Beidrehen mehr, weil der Wurm nagt. Beweise werden abgestritten, die Schuld drückt. Man möchte meinen, sie wären dankbar für die Erkenntnis um im Guten zu gehen, aber das Fehlen der Umkehr facht endlos Kriege und harte Gegenwehr an.

Danke für den Endvers von dem Kreuz. Bei Jakob Lorber steht eine Begegnung des HERRN mit Adam, dem er Erlösung versprach. Es ist auch in den überlieferten Geschichten der Katholischen Kirche Vieles zu finden.

Aber Adam soll nicht über Eva regieren, sondern der hebräische Text kann aussagen: Mit ihrer Hilfe wird er es schaffen.
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rellasch
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Re: Rosenius - tägliche Andachten

Beitrag von rellasch »

Zum 11. November


Weil wir aber denselben Geist des Glaubens haben, nach dem, das geschrieben steht: „Ich glaube, darum rede ich“, so glauben wir auch, darum so reden wir auch. - 2. Kor. 4, 13

Hier sagt vielleicht jemand: „Aber es gibt doch so viele fromme Christen, die von dem, was sie glauben, nie reden wollen, sondern ihren Glauben mit ihren Werken beweisen.“ Darauf kann nur geantwortet werden: Wo steht das im Worte Gottes, dass diejenigen Christen sind, die nie Lust haben, von Christus zu reden? „Aber sie sind doch so fromm!“ Ja, und doch — wo steht es geschrieben, dass sie Christen sind? Frömmigkeit, ein stiller, redlicher und leutseliger Wandel kann aus vielen Quellen kommen, ohne eine Frucht des Glaubens zu sein. Wo steht es geschrieben, dass diejenigen, die einen so großen Schatz wie Christus im Herzen empfangen haben, von Ihm schweigen können? Mit den Worten und Beispielen der Schrift vor Augen kann nur so viel eingeräumt werden, dass gewisse zarte oder sonst schwache Gnadenkinder zu gewissen Zeiten geistlich stumm sein können; nie aber war es die Meinung Gottes, dass sie stets so verbleiben sollten. Zu einer Zeit konnte Joseph von Arimathia „heimlich“ Jesu Jünger sein „aus Furcht vor den Juden“. Auch Nikodemus ging unter dem Schleier der Nacht zu Jesus. Zu einer anderen Zeit aber traten sie beide mit offenem Bekenntnis hervor.
Ganz anders ist es, wenn wir aus Schwachheit, aus Menschenfurcht oder fleischlicher Trägheit zuweilen von dem Herrn schweigen. Solches kann noch immer den Gläubigen widerfahren und wird ihnen stets vergeben, weil sie für alle Sünden sowohl Vergebung als auch neue Kraft am Gnadenstuhle suchen. Ganz anders ist es, wenn unser Glaube und unsere Geistlichkeit so sind, dass sie nie die innere Lust und den Trieb mit sich bringen, Jesus zu bekennen. Hier müssen Gottes Worte mehr gelten als die Gedanken und Meinungen aller Menschen. Und nun lehrt, wie wir schon gesehen haben, das Wort Gottes ausdrücklich, dass es erstens in der Natur liegt, wenn wir gern von dem reden, was das Herz erfüllt; zweitens lehrt es, dass der wahre Glaube das Herz mit großen, himmlischen Schätzen und mit dem Eifer um die Ehre des Herrn und das Wohl der Seelen erfüllt und dass dieses alles sich auch in unserer Rede zeigen muss. Ferner lehrt das Wort Gottes, dass die Gläubigen zu allen Zeiten Jesus bekannt haben, und zwar nicht nur mit den Werken, sondern auch mit dem Munde; „davon redet der Mund“, sagt der Herr Christus. Und die Schrift lehrt, dass sie nicht nur nach der Aufforderung, sondern aus der Fülle des Herzens redeten — „wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.“ So spricht der Herr.
Aus alledem folgen nun drei wichtige Lehren. Die erste ist diese: Ist es noch nicht deine Lust geworden, von dem Herrn Christus zu reden, hast du auch nicht den Liebeseifer um die Ehre des Herrn und die Errettung anderer, dass du dir wünschest, etwas reden zu können, was diesen wichtigen Dingen dienen kann, dann halte es für ausgemacht, dass du noch nicht erfahren hast, was der lebendige Glaube ist. Wenn du auch von allen anderen für einen Christen angesehen wirst, befindest du dich dennoch in einer falschen, selbstgemachten Frömmigkeit. Willst du dann der Sache in der Weise abhelfen, dass du dich jetzt zu bemühen anfängst, von Jesus zu reden, um dadurch das Zeichen des lebendigen Glaubens zu erhalten, so heißt das nur, etwas zu tun, um sich selber zu betrügen. Die Schrift redet von einem Bekennen, das aus dem vom Glauben bewirkten inwendigen Sinn und Trieb fließt, aber nicht von einem Bekennen, das von dem hervorgezwungenen Bemühen kommt, ein Zeichen seines Glaubens und seiner Erkenntnis vorzeigen zu wollen. Lass dich überzeugen, dass du die eigentliche Quelle des Bekennens, den lebendigen Glauben, nicht hast. Klage dann diese Not dem Herrn und gib dich nicht eher zufrieden, bevor du nicht zu einem solchen Glauben gekommen bist, der diese Wirkungen mit sich bringt, von denen du aus der Schrift weißt, dass sie zu allen Zeiten dem wahren Glauben folgten.
Die zweite Lehre ist diese: Bist du durch Gottes Gnade zu einem solchen Glauben an Jesus gekommen, dass es deine Lust wurde, von Ihm mit deinen Freunden zu reden und von Ihm zu Seiner Ehre und zum Heil anderer Menschen zu zeugen, ob du auch täglich durch deine große Schwachheit und Versäumnis hierin gedemütigt wirst, so wisse, dass aller deiner Mängel ungeachtet dies davon zeugt, dass Gott dir Gnade bewiesen und den Glauben und das Bekennen in dir gewirkt hat, wie unser Text, ja, die ganze Schrift es beschreiben. In unserem Fleisch und Blut liegt nie diese Lust, von Jesus zu reden, dieser Eifer um die Errettung der Menschen und um die Ehre des Herrn. So wird das Werk Gottes an seinen Früchten erkannt, auch an „der Frucht der Lippen, die Seinen Namen bekennen“.
Die dritte Lehre ist diese: Wenn du alles erfahren hast und noch dem Geiste nach Lust hast, vom Herrn zu zeugen, wenn aber die Trägheit des Fleisches, die Feindschaft oder die Freundschaft der Welt und andere Umstände dich daran hindern, wache dann und bete, dass du hier nicht dem Fleische folgst und dem Geist ungehorsam wirst; denn dann kann das Werk Gottes aufs Neue in dir erstickt werden.
Röm. 10, 10

Wollt ihr Posaunen der Gnade sein,
Räumt euch der Gnade erst selber ein;
Werdet durch die Wunden, die ihr verkündigt,
Selbst mit Gott ausgesöhnt und so entsündigt;
Danach bekennt.
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rellasch
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Re: Rosenius - tägliche Andachten

Beitrag von rellasch »

Zum 12. November


Mein Reich ist nicht von dieser Welt. - Joh. 18, 36


Wie ein Reich von dieser Welt ist, sehen wir mit unseren Augen. Es kommt „mit äußerlichen Gebärden“, mit äußerer Pracht, mit äußerem Ansehen, mit leiblicher Macht, Heeren, Waffen, Titeln und allerlei Veranstaltungen, die diesem äußeren Leben dienen. Das Reich Christi dagegen ist ein geistliches, ein unsichtbares Reich, vor Menschenaugen verächtlich und elend. Es dient nicht diesem Leben, sondern unserem ewigen Heil und einer anderen Zeit.
Gegen unser allergrößtes Übel haben alle Reiche der Welt keine Hilfe. Die Sünde beugt die mächtigsten Könige unter ihre Gewalt. Der Teufel, „der Fürst dieser Welt“, zwingt alle Könige und Fürsten, ihm zu dienen, wenn sie nicht zu Christus geflohen sind und von Ihm erlöst wurden. Vor dem Tode legt jeder König sein Zepter nieder und lässt sich still wegführen; ja, die ewige Verdammnis trifft ebenso den unbußfertigen König wie jeden anderen Menschen.
Gegen dieses ewige Übel haben alle Reiche der Welt keine Hilfe, gerade hier aber soll das Reich Christi uns dienen. Es hat zwar in der Welt kein Ansehen, vor den Augen der Menschen ist es elend und jämmerlich, wie sein König es auch war, als Er gegeißelt, verspottet und mit Schmach bedeckt vor Pilatus stand. Sein Reich erscheint also höchst elend. Es schützt nicht vor Verachtung durch die Welt, nicht vor der Unterdrückung durch die Menschen, nicht vor Kreuz und Leiden, nicht einmal vor Versuchungen und Anfechtungen durch die Sünde und den Satan, nein, es bringt eher alles das über uns. Aber vor dem Zorne Gottes und dem ewigen Tode schützt es. Von der Sünde, sowohl von ihrer Strafe als auch von ihrer Herrschaft, befreit es. Von der ganzen Herrschaft und der Übermacht des Teufels errettet es. Vor der Hölle und dem ewigen Feuer bewahrt es. Die Menschen, die an Jesus glauben und in Seinem Reiche sind, werden nicht ewiglich sterben, sondern, wenn der leibliche Tod diesem elenden Erdenleben ein Ende macht, werden sie erst recht zu leben anfangen, gleichwie Jesus gerade da zu Seiner Herrlichkeit einging, als Er starb. So ist Sein Reich, so Seine Meinung mit den Worten: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“
Dies aber müssen wir uns vor allem durch das Bild des Königs einprägen. Denn dazu sollte die tiefe Erniedrigung des Herrn Christus und Sein Leiden uns in so ergreifenden Zügen vor Augen gestellt werden, dass die Gläubigen zu allen Zeiten in Ihm ein Vorbild ihres eigenen Weges durch Leiden zur Herrlichkeit sehen sollten. Dieser Weg oder das Reich Christi auf Erden wird uns oft so niederdrückend und so verwunderlich, dass auch seine erleuchtetsten Mitglieder unaufhörlich daran irre werden. Darum musst du den König oft und gründlich als ein Beispiel der Art und Beschaffenheit des Reiches betrachten. Übe dich darin, die großen Gegensätze bei Christus recht zusammenzuhalten, die Gegensätze zwischen dem Wesen und dem Aussehen. Sieh, welch eine herrliche Person. Und sieh, welch eine tiefe Erniedrigung, welch ein jämmerliches Aussehen! Der Person und der Wirklichkeit nach ist Er der „König der Ehren“, der eingeborene Sohn des Vaters, dem der Vater auch als Mensch „alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ und „einen Namen gegeben hat, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen alle Knie derer, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr sei, zur Ehre Gottes, des Vaters.“ So ist der König in Wirklichkeit. Aber sieh, was davon an Ihm gesehen wird! Er wird in einem Stall geboren und in eine Krippe gelegt. Er war während Seines ganzen Lebens „der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit“, so arm, dass — während „die Füchse Gruben und die Vögel unter dem Himmel Nester haben — des Menschen Sohn nicht hatte, da Er Sein Haupt hinlegte“. Und als Er Seinen bedeutungsvollen, von den Propheten vorausgesagten Einzug in Jerusalem hält, reitet Er auf einem geliehenen Füllen der lastbaren Eselin, die Kleider Seiner Jünger zum Sattel. Ist dieser Jesus der große König der Ehren, von dem die Propheten von Anfang der Welt an sangen? Ja, Er ist es, „der König der Ehren, mächtig im Streit“. Dies aber war jetzt so vollständig verborgen, dass man sich nicht zu wundern brauchte, wenn alle Menschen versucht würden, über Seinen Königsnamen zu spötteln und zu sagen: Dann ist es gewiss ein Bettelkönig.
Aber Sein Reich ist ein Reich der schärfsten Gegensätze, der größten Ehre und Herrlichkeit vor Gott, des größten Elends aber vor uns und vor allen Menschen. Sein Reich ist ein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens, zugleich aber ist darin eine beständige Sünde und Unruhe, ein beständiger Streit. Seine Gläubigen sind vor Gott in größter Gnade und Ehre, sind nichts Geringeres als Gottes Kinder — „Meine Söhne und Töchter“, spricht der allmächtige Herr. Ja, wir sind Christi Brüder und Miterben, die „leuchten werden wie die Sonne in unseres Vaters Reich“ — und gehen doch hier auf Erden oft wie ganz von Gott verlassen einher, als wären wir wegen unserer Sünden unter Seinem Zorn. Wir sollten dann vielmehr der Gestalt unseres Königs eingedenk und darauf bedacht sein, dass die große Gnade und Herrlichkeit hier auf Erden unter allem Jammer und Elend verborgen sein soll, auf dass der Glaube eine beständige Übung habe!


Es glänzet der Christen inwendiges Leben,
Obgleich sie von außen die Sonne verbrannt;
Was ihnen der König des Himmels gegeben,
Ist keinem als ihnen nur selber bekannt.
Was niemand verspüret, was niemand berühret,
Hat ihre erleuchteten Sinne gezieret,
Und sie zur göttlichen Würde geführet.
"Durch IHN, SEINE Gnade, Kraft und Zuwendung existieren wir" (Apg 17,28)
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rellasch
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Re: Rosenius - tägliche Andachten

Beitrag von rellasch »

Zum 13. November

Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege. - Psalm 119, 105

Bedenke, wie grausam diejenigen ihre Seele behandeln, die sich dieser Himmelsspeise, der einzigen Arznei und des einzigen Lebensbrotes, des Wortes Gottes, enthalten! Gott hat uns gnädig vom Himmel herab ein sichtbares Mittel geschenkt, in welchem Er wohnt und wirkt und von dessen richtigem oder falschem Gebrauch die ewige Seligkeit abhängt. Dennoch sieht man nicht nur die blinde Welt diese Perlen verachten und mit Füßen treten, sondern man sieht auch, was noch erschrecklicher ist, dass diejenigen, die einst erleuchtet gewesen sind und das gute Wort Gottes geschmeckt haben, sich durch die Welt und das Fleisch oft so von ihm abhalten lassen, dass vielleicht Tage, um nicht zu sagen, Wochen dahingehen, ohne dass sie eine einzige Stunde zur Nahrung ihrer Seele anwenden. Oder wenn sie sich eilig dem Wort zuwenden, sind die Gedanken und das Herz so mit weltlichen Dingen angefüllt, dass — gleichwie ein stürmisches und brausendes Meer unmöglich von den Strahlen der Sonne erwärmt werden kann — als Frucht von solchem Umgange mit dem Wort nur vermehrte Unlust dazu entsteht.
Das Wort Gottes will mit einem stillen, betrachtenden Geist angenommen werden, wenn es das Herz erwärmen soll. Aber hieran hindert das fesselnde Irdische oder das, was Jesus mit den „Dornen, die den guten Samen ersticken“, meint, nämlich „die Sorgen und die Wollust dieses Lebens“, Fleischeslust, Trägheit und die vielerlei Sorgen und Verrichtungen, die in den Augen der verblendeten Seele alle wichtiger als das Himmlische sind. Jetzt heißt es: „Ich habe keine Zeit, das Wort so fleißig zu benutzen, denn das und das muss getan werden.“ Und das, was getan werden muss, ist etwas Irdisches, was aber außer Acht gelassen werden soll, ist das Himmlische, das nun weniger bedeutet! So ist die Seele bezaubert und verblendet!
Du sagst: „Die Pflicht des Berufes ist eine heilige Pflicht; und wer nicht für sein Haus sorgt, ist ärger als ein Heide.“ Jesus aber spricht: „Dies sollte man tun und jenes nicht lassen.“ Wenn du deines Amtes und Hauses aufs vollkommenste wartetest, das Gnadenleben aber absterben ließest, so kann das treu besorgte Amt und Haus dir im Tode und im Gericht nicht helfen. Wer aber vorwendet, dass dein Haus und dein Amt darunter leiden würden, wenn du dich dem Worte Gottes widmetest, ist nur der Betrüger, die alte Schlange, sowie der Heide in deiner Brust, der Unglaube deines Herzens, der nichts von einem Segen Gottes weiß, weil er das Himmlische nicht achtet, sondern lieber zehn Stunden verspielt und verschwätzt, als eine zur Andacht anzuwenden. Welch große, heidnische Verachtung Gottes und deiner unsterblichen Seele!
Du hast Gelegenheit zu dem seligen, hohen und ehrenvollen Umgang mit dem Herrn des Himmels und der Erde, mit deinem Heiland und Seligmacher, Gelegenheit dazu, Ihn reden zu hören, was durch das Wort geschieht, und mit Ihm zu reden, was im Gebet geschieht, und du sprichst, du hättest keine Zeit dazu; von nichtigen Dingen aber unter den Menschen zu hören und zu reden, dazu hast du Zeit! Muss das nicht heißen, vom Teufel bezaubert zu sein? Vor all deinen Geschäften hast du keine Zeit dazu, auch nur eine von den vierundzwanzig Stunden des Tages zur Nahrung deiner Seele anzuwenden. Wenn Gott dich nun schlüge und ein Jahr krank liegen ließe, stünde dann nicht dennoch die Welt? Dann hast du geringen Dank von all den weltlichen Dingen, die du so treulich besorgt hast; sie können dir nun nicht helfen. Gott aber und Sein Wort hast du verachtet, willst du jetzt wohl den Verachteten um Hilfe anrufen?
Wenn nun das Versäumen des Wortes Gottes zur Folge hat, dass du täglich dem inwendigen Menschen nach ermattest, dass der Glaube verdunkelt wird und die Gottesfurcht und alle Gnadenkräfte abnehmen, dann klagst du vielleicht über Schwachheiten und Versuchungen, die du nicht überwinden kannst. Wie war das anders zu erwarten? Dass du das Böse in dir ohne Gnadenmittel überwinden sollst, erwarten weder Gott noch Menschen. Solche Kräfte liegen nicht in uns. Deshalb gab Gott uns das Mittel von oben herab. Wenn du es richtig anwendetest, dann würde nichts unmöglich sein, was zum Leben und zur Gottesfurcht dient. Wenn du sagst, dass du das Wort Gottes zu lesen versucht hast, trotzdem aber nicht besser geworden bist, dann verstehst du entweder deine Besserung nicht — du meinst, plötzlich eine gewisse Höhe an Kraft, Frömmigkeit und Heiligkeit zu erreichen, und weißt nicht, dass der Weg dazu durch das Tal der Erniedrigung und Armut geht — oder aber du hast, wenn du wirklich noch ein Sklave der Sünde bist und wenn du neues Leben, neue Lust, neue geistliche Kräfte noch nicht erhalten hast, das Wort nicht richtig gebraucht. Vielleicht hast du die Ordnung Gottes umgekehrt und zuerst das Böse in dir zu überwinden gesucht, bevor du dir das Verdienst Gottes angeeignet hast, Frucht zu bringen gesucht, bevor du in Christus eingepfropft wurdest. Beginne nun, dem Wort zu gehorchen, welches sagt: „Flieht erst zu Jesus, sucht dort Gnad’, hernach ihr wahre Kraft empfaht.“ Lass die böse Eigengerechtigkeit fahren, wirf dich mit allen Mängeln und Widersprüchen in die Arme der Gnade, und du wirst erfahren, „wo die Sünde mächtig geworden ist, da ist doch die Gnade viel mächtiger geworden“. Jetzt wird diese übermächtige Gnade dein armes Herz so erfreuen, zerschmelzen und umwandeln, dass es nicht mehr an dem Bösen, das dich früher gefangen hielt, Geschmack finden wird, sondern das Gute, das du nicht zu tun vermochtest, wird nun deine Lust werden. So lehrt das Wort. Wende dies mit Gehorsam an, dann ist auch dir das zur Seligkeit Notwendige möglich.
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rellasch
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Re: Rosenius - tägliche Andachten

Beitrag von rellasch »

Zum 14. November


So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld. - Kol. 3, 12


Seht hier, welche herrlichen Dinge die Auserwählten Gottes, die Heiligen und Geliebten, schmücken sollen! Der Apostel erinnert uns zunächst an die hohen Titel der Gläubigen und will, dass wir unserem Stande gemäß gekleidet sein sollen, wie es den Auserwählten Gottes, Heiligen und Geliebten, geziemt. Das ist auch die Ermahnung des Apostels in Eph. 4, wo er sagt: „So ermahne ich euch nun, dass ihr wandelt, wie sich’s gebührt eurer Berufung, mit der ihr berufen seid, mit aller Demut und Sanftmut, mit Geduld.“ Beachte! „Wie sich’s gebührt eurer Berufung.“ Was den Kindern der Welt wohl anstehen mag, kann einem Kinde Gottes ganz ungebührlich und unpassend sein. Sein Gutes für sich zu behalten oder hoffärtig und eitel zu sein, mit einem Widersacher zu rechten oder viele eitle Worte zu reden, das ist allgemeine Sitte der Welt, und niemand wundert sich darüber. Den Kindern des Lichts aber wäre das ungebührlich; sie sollen einen den Kindern der Welt entgegengesetzten Weg wandeln. Es steht den Königskindern nicht an, wie Bettelkinder gekleidet zu gehen. Weil ihr nun Gottes Auserwählte, Heilige und Geliebte seid, sagt der Apostel, so kleidet euch so, wie es solchen geziemt.
Wir wollen jetzt die Kleidung selbst betrachten. Zuerst nennt der Apostel herzliches Erbarmen oder das Innerste der Barmherzigkeit, was eine innerliche und brennende Regung der Barmherzigkeit im Herzen bezeichnet, aus der dann Erbarmen folgt, teils darin, einen Fehler zu vergeben, teils einem bedürftigen und notleidenden Menschen zu helfen. Dies ist der Gegensatz zu dem kalten, selbstsüchtigen Sinn, der nur auf sein Recht blickt, und es ist eigentlich ein Teilhaftigsein der göttlichen Natur in den Herzen der Gläubigen, ja gerade das Innerste und Bezeichnendste der Natur Gottes. Diese innige Barmherzigkeit meint Gott an vielen Stellen, z. B. wenn Er sagt: „Ist nicht Ephraim Mein teurer Sohn und Mein trautes Kind? Denn Ich gedenke noch wohl daran, was ich Ihm geredet habe; darum bricht Mir Mein Herz gegen ihn, dass Ich Mich seiner erbarmen muss, spricht der Herr.“ Das ist die innige Barmherzigkeit unseres Gottes, die sich in allen Seinen Kindern abspiegeln soll. Jesus sagt: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist“, und abermals: „Auf dass ihr Kinder (oder das Ebenbild) eures Vaters im Himmel seid; denn Er lässt Seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“
Das zweite Stück unserer Kleidung ist Freundlichkeit oder Güte und Wohlwollen, d. h. eine Neigung, den Menschen zu Diensten und zum Nutzen zu sein. Es ist eine so schöne Kleidung der Auserwählten Gottes, dass viele nur durch sie zu Gott und Seinem Volk gezogen wurden. Gottes Kinder sollen die freundlichsten, dienstfertigsten Menschen auf Erden sein. Was eine Predigt nicht vermochte, hat oft diese Eigenschaft ausgerichtet. Darum war auch das ganze Leben Christi auf Erden lauter Freundlichkeit und Wohltun. „Er zog umher, hat wohlgetan und gesund gemacht alle.“ Die höchste Erleuchtung und die schönsten Worte schaffen keinen Nutzen, richten vielmehr nur Erbitterung an, wo ein kaltes, unfreundliches Wesen herrscht. Wie betrübend ist das! Diejenigen, die die herrliche Kunde mitzuteilen haben, müssen sie in das liebenswürdigste und freundlichste Wesen einhüllen.
Das dritte Stück, das ein jeder leicht versteht, die Demut, hängt nahe damit zusammen. Wenn ein Christ, getrieben von „herzlicher Barmherzigkeit“, seinem Nächsten oft ein Warnungswort zur Erweckung sagen muss, so ist das an und für sich ein Werk, das leicht als geistlicher Hochmut gedeutet werden kann, weshalb auch die allgemeinste Beschuldigung der Welt gegen die Gläubigen die ist, dass sie hochmütig sind, obwohl gerade die Christen ihr eigenes Elend so sehr fühlen und beklagen. Wenn aber selbst der Inhalt des Bekenntnisses eines Christen von der Beschaffenheit sein muss, dass es den Kindern der Welt als Hochmut erscheint, so ist es umso notwendiger, dass wir auf jede nur mögliche Weise ausdrücken und zu erkennen geben, dass wir nicht aus Hochmut dazu getrieben werden. Es ist notwendig, dass wir nicht nur Demut im Herzen haben, sondern uns auch in Demut kleiden. Würden im Herzen Hochmut und Selbstgefallen entstehen und würden wir solches behalten und ihm huldigen, so ist eine größere Gefahr vorhanden und ein tiefer Fall oder eine andere Torheit bald vor der Tür; denn Gott widersteht den Hoffärtigen. Dann hilft auch keine Erkenntnis und keine Wachsamkeit, der Fallgrube, die uns in den Weg gelegt wird, zu entgehen. Darum sagt der Apostel: „Haltet fest an der Demut!“ Es wird euch dennoch kaum möglich sein, darin zu bleiben; „trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch herunter zu den Niedrigen, haltet euch nicht selbst für klug!“
Das vierte Stück, das wir anziehen sollen, ist Sanftmut, oder dass man sich nicht so bald erzürnen lässt, und das fünfte ist Langmut, dass man in der vergebenden Sanftmut sich nicht ermüden lässt, so dass man nicht aufhört, an eine Freundschaft mit dem Mitmenschen zu denken, der unsere Geduld auf die Probe stellt.

Selig ist das Niedrigsein;
Denn die Beugung unter alle wehrt dem Falle,
Macht mich arm und dadurch reich, Christo gleich,
Lehrt mich nach der Liebe trachten
Und den Bruder höher achten;
So vermehrt sich Gottes Reich.

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rellasch
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Re: Rosenius - tägliche Andachten

Beitrag von rellasch »

Zum 22. November

Weil du lau und weder kalt noch warm bist, werde Ich dich aus Meinem Munde ausspeien. - Offb. 3, 16

Das ist ein sehr erschreckendes Wort unseres Heilandes! Möchte Gott der Herr uns allen helfen, dass ein jeder gegen sich aufrichtig sei, damit er nicht heimlich und ohne es zu wissen unter solchem Urteil stehe, bis es ihn trifft. Was meint Christus mit der Lauigkeit?
In dieser Rede des Herrn von den Lauen ist etwas, was alle sehen und verstehen, daneben aber auch etwas, was nur wenige beachten. Wenn der Herr sagt: „Du bist weder kalt noch warm“, verstehen alle, dass Er damit meint: „Du bist kein gewöhnlicher Weltmensch, nicht gleichgültig und fremd vor dem Geistlichen. Gewiss bist du etwas anderes als der große Haufe; du kennst Meine Wege, du predigst Mein Wort und lehrst andere; „Ich weiß deine Werke“, die du hast. Aber du bist nicht warm, dein Herz ist nicht rechtschaffen vor Gott; die rechte Liebe, das Leben und der Umgang mit Mir fehlen dir; du redest lieber von Mir als mit Mir; du hast lieber mit der Seelensache anderer als mit deiner eigenen zu tun.“ Das heißt ja, weder kalt noch warm zu sein. Denn was „kalt“ bedeutet, sehen wir an der Welt in ihrem ganz irdischen, für alles geistliche gleichgültigen Wesen. Was aber „warm“ ist, das sehen wir an solchen Gläubigen, die in ihrem ganzen Wesen immer denselben Gegenstand vor Augen haben, nämlich den Heiland und Seine Gnade. Wenn sie am fröhlichsten sind, so ist es über den Heiland und Seine Freundschaft. Wenn sie am betrübtesten sind, so ist es über ihre Sünden und über das Vermissen des Heilandes. Wenn sie von dem, was ihnen am meisten zusagt, reden, schreiben oder singen, so ist es vom Heiland. Das ist klar, das begreifen alle.
Aber dann entsteht in der Anwendung eine schwierige Frage: „Da doch alle Christen während einer zunehmenden Erkenntnis des Elendes, bei dem Verbergen des Herrn und bei dem Entziehen der lieblichen Gefühle über ihre große Kälte seufzen und klagen, dass sie den Heiland nicht so lieben können, wie sie wollen, dass sie nicht so warm beten wie früher, weil sie von Versuchungen ergriffen, mit fremden, ja, mit sündlichen Gedanken beschwert und im Herzen zerstreut, in der Liebe saumselig und mangelhaft werden, wie können sie dann anders meinen, als dass sie sich gerade hier in der Rede Christi von den „Lauen“ deutlich beschrieben sehen? Denn sie sind, so meinen sie, nicht ganz kalt, aber auch nicht recht warm. Können sie dann anders denken, als dass sie lau sind?“
Was sollen wir dazu sagen? Redet Jesus hier wirklich von einem solchen Seelenzustand, den diese beklagen? Gelobt sei der Herr, dass Er selber erklärte, was die Lauen bezeichnet; sonst hätten wir alle wegen dieses Textes verzweifeln müssen. Lies doch einmal den folgenden Spruch! In ihm erklärt der Herr das Zeichen und den Beweis der Lauigkeit. Er lautet: „Du sprichst: Ich bin reich und habe gar satt und bedarf nichts; und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich, arm, blind und bloß bist.“ Sieh, hier ist das Zeichen der Lauen, die der Herr aus Seinem Munde ausspeien will! Der Herr sagt hier ausdrücklich, woran der Laue erkannt wird. „Du bist lau, weil du sprichst: Ich bin reich und habe gar satt“ usw. Der Herr will also sagen: Dass du lau bist, wird dadurch offenbar, dass du sprichst: „Ich bin reich“, d. h. dass du mit dir so zufrieden bist. Wärest du warm, dann könntest du nicht mit dir zufrieden sein. Das Wort „du sprichst“ darf nicht nur von dem Sprechen des Mundes verstanden werden, denn mancher Laue ist wohl so listig und klug, dass er es nicht so grob vor den Menschen ausspricht; sondern es muss von dem Sprechen des Herzens und des inneren Denkens verstanden werden, wie ja auch die Schrift das Wort gebraucht: „Du sprichst in deinem Herzen“. Es bedeutet also, im stillen Innern mit sich selber zufrieden zu sein oder sich nicht elend und jämmerlich zu fühlen.
Die Erkenntnis unseres Elends, unserer Jämmerlichkeit und unserer Armut ist ein sehr bedenkenswertes und deutliches Zeichen der rechten Bekehrung im Herzen, ein Zeichen, das viel tiefer und feiner ist als alle anderen Zeichen, weil es oft das offenbart, was man in keiner anderen Weise ans Licht bringen kann. Mag nämlich alles andere sein, wie es wolle, so ist es doch gewiss, dass derjenige Christ, der mit sich zufrieden ist und der sich nicht zuweilen zu bekümmern, ja über sich selber zu erschrecken und sich zu ängstigen pflegt, sondern in dieser Beziehung immer Ruhe hat, sich bestimmt in der Lauigkeit des Laodicea-Lehrers befindet. Wir reden nicht davon, dass ein Christ bei gewissen Gelegenheiten — entweder während großer geistlicher Freude oder während einer zufälligen Schläfrigkeit — nicht selbstzufriedener sein kann; er wird bald wieder große Sorge über sich selbst haben, und er ist gewöhnlich auch während des größten Trostes und der größten Freude in Christus doch mit sich unzufrieden. Diese Unzufriedenheit mit sich ist also das Normale im Leben eines Christen. Zwar kann auch der Laue durch ein gelegentliches größeres Versehen — zumal wenn dasselbe den Menschen in die Augen fällt — über sich oder die Tat betrübt sein; im Allgemeinen aber ist er doch selbstzufrieden, stolz und ungebrochen. Hier ist also darauf zu achten, was die allgemeine oder die gewöhnliche Meinung eines Menschen über sich selber ist. Denn dies ist das Kennzeichen, das der Herr Jesus mit diesem Wort darstellen wollte.
III/343

Wer mit dem armen Sünder spielt
Und doch noch gern in Sünden wühlt,
Auch wer sich für gerecht erkennet
Und nur zur Beichte Sünder nennet,
Der bleibt gewiss in seinem Bann;
Denn Jesus nimmt nur Sünder an.

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"Durch IHN, SEINE Gnade, Kraft und Zuwendung existieren wir" (Apg 17,28)
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