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"Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

Verfasst: So 29. Dez 2024, 02:07
von Johncom
... "oder er wird nicht sein",
mit diesem Satz hat der Theologe Karl Rahner einen Akzent gesetzt.

Ich hoffe, der @rudolfer hat nicht dagegen, wenn sein Post das Thema eröffnet?
rudolfer hat geschrieben: Do 26. Dez 2024, 22:42 Ich selber gehe hier in die franziskanische Richtung:
Exerzitien franziskanisch

können sehr unterschiedlich gestaltet sein. Orientiert an der Lebensart und Spiritualität des heiligen Franziskus, haben die folgenden Elemente einen herausragenden Platz darin:

Stille
Franziskus sucht die Abgeschiedenheit der Berge und Höhlen, um sich in schweigender Aufmerksamkeit der Gegenwart Gottes auszusetzen.

Der ganze Mensch
Franziskus empfiehlt, den ganzen Menschen in den geistlichen Weg einzubeziehen: Geist, Seele, Körper, Schöpfung, selbst die Atmosphäre eines Ortes.

Das Evangelium
In der Betrachtung und Nachahmung des Lebens Jesu erkennt Franziskus seinen eigenen Lebensentwurf. Im Schauen und Mitgehen läutert und ordnet sich sein Leben.

Begleitung
Den geistlichen Eigenwegen misstrauend sagt Franziskus in der Regel für Einsiedeleien „Sie können sprechen und zu ihren Müttern gehen“. Die „Mütter“ sind Brüder, die andere Brüder auf ihrem Weg begleiten.

Schöpfung
„Im Geschöpf den Schöpfer erkennen“ – dies ist für Franziskus der probate Weg der Gotteserfahrung. Auch und gerade in Exerzitien ist Schöpfung in ihrer Schönheit und Verwundung die allen zugängliche Ikone Gottes.

Entschiedenheit
„Wir wollen aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele, aus ganzem Sinn, mit aller Kraft und Stärke, mit allen Kräften des Geistes und des Leibes, mit aller Hingabe und Zuneigung, (…) Gott den Herrn lieben“, schreibt Franziskus in der Nicht bestätigten Regel (23,8).

Das eine Wort
Bei Franziskus fällt auf, dass er oft beim Beten nur ein einziges Wort reflektiert. Wie im Jesusgebet wiederholt er dieses Wort und bewegt das „Mantra“ in seinem Herzen. (etwa das Wort „Jesus“ oder „Mein Herr und mein Gott“). Dies hilft, sich auf das Gebet zu fokussieren.
https://franziskaner.net/was-wir-tun/exerzitien/

Das macht natürlich vor allem Sinn, wenn es in einem Kloster o.ä. praktiziert wird.
Macht es Sinn, einmal oder öfters in einem Kloster Besinnung zu suchen?

Was verbindet man mit der Vorstellung, sich in einem Kloster aufzuhalten: Ruhe, Abgeschiedenheit, Verzicht auf Luxus und Medien-Unterhaltung, nur einfaches Essen, aber die Ruhe genießen können und weil es der Regel entspricht, mehrmals täglich an Andachten teilzunehmen?

Aber was ist eigentlich Mystik.
Der „Mönch in uns“ ist sehr nahe verwandt mit „dem Kind in uns“ oder –so du willst – mit dem „Mystiker in uns“. Und in uns allen steckt ein Mystiker. Wir erweisen Mystikern einen schlechten Dienst, wenn wir sie auf ein Podest stellen und sie als eine besondere Art von Mensch betrachten. In Wahrheit ist jeder Mensch eine besondere Art von Mystiker. Dies schafft eine gewaltige Herausforderung für jeden von uns: genau jene Mystiker werden, der wir zu sein gemeint sind. Dabei meine Mystik im stärken Sinn als die Erfahrung von Einssein mit der letzten Wirklichkeit. Jeder von uns ist aufgerufen, diese Verbundenheit zu erfahren. (..)
https://grateful.org/resource/der-monch-in-uns/
Kann oder darf eine "Erfahrung von Einssein mit der letzten Wirklichkeit" gesucht werden? Manche nur an der Schrift-orientierte Christen werden vielleicht sagen: Nein, das wäre Verführung.
Was meint ihr?

Re: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

Verfasst: So 29. Dez 2024, 02:45
von Johncom
Pater Martin Wolf meint, Exerzitien sind für jeden gut, der den Glauben "tiefer" erfahren will. Er will Mut machen, es mal zu probieren. Einmal den normalen Urlaub genießen, einmal Exerzitien-Urlaub.




Eine Auszeit von der Welt zu nehmen wäre dann, eine In-Zeit zuzulassen. Brauchen wir das?

Re: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

Verfasst: So 29. Dez 2024, 11:26
von oTp
Kann oder darf eine "Erfahrung von Einssein mit der letzten Wirklichkeit" gesucht werden? Manche nur an der Schrift-orientierte Christen werden vielleicht sagen: Nein, das wäre Verführung.
Was meint ihr?
Naja. Gleich das ganze Einssein erfahren ?
Das lässt sofort an östliche Religiosität denken.

Es ist ja das überwältigende Gefühl, das auch bei Nahtoderlebnissen erlebt wird. Und das von Gott aus den ganzen Himmel erfüllt.

Warum erleben gerade manche Menschen ohne jeden inneren Halt unverdient so viel davon. Oder ein Atheist, der es auf einmal erlebt ?
Aber diese Menschen ändern sich meist, so innerlich angerührt und bewegt sind sie.

Das Leben wäre sicher für Christen einfacher, würden die meisten etwas davon erleben.

Und man muss auch nicht östliche Erklärungsmuster anehmen. Vielleicht gibt es genug kontemplative Mönche, die suchende Menschen führen können.

Re: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

Verfasst: So 29. Dez 2024, 18:40
von rudolfer
Johncom hat geschrieben: So 29. Dez 2024, 02:07 Ich hoffe, der @rudolfer hat nicht dagegen, wenn sein Post das Thema eröffnet?
hat er

und nun?

Re: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

Verfasst: So 29. Dez 2024, 23:53
von Johncom
rudolfer hat geschrieben: So 29. Dez 2024, 18:40
Johncom hat geschrieben: So 29. Dez 2024, 02:07 Ich hoffe, der @rudolfer hat nicht dagegen, wenn sein Post das Thema eröffnet?
hat er
Warum?

Re: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

Verfasst: Mo 30. Dez 2024, 00:21
von rudolfer
muss er das begründen?

Du wirst ja kaum den Thread wieder löschen. Also lebe einfach mit meinen Nicht-Einverstanden sein.

Re: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

Verfasst: Mo 30. Dez 2024, 01:13
von Johncom
oTp hat geschrieben: So 29. Dez 2024, 11:26Und man muss auch nicht östliche Erklärungsmuster anehmen. Vielleicht gibt es genug kontemplative Mönche, die suchende Menschen führen können.
Ja, bestimmt gibt es fähige Mönche und auch Laien. An suchenden Menschen wird es nicht fehlen, aber wo sind die Angebote. Ich schaute auf die Website der Franziskaner. Die verstecken sich nicht vor der Welt, sie arbeiten nach außen hin caritativ: Anlaufstellen für Verarmte, Suppenküchen usw .. Auch das ist eigentlich "mystische" Erfahrung, also über sich selbst hinausgehen und dem geringsten Bruder zur Seite stehen.
Im sozialen Dienen lernt der spirituell hoch schwebende Mönch, dass der andere, der Ausgestoßene und er selbst der Gleiche sind. Also alle sind wir Kinder Gottes, aber in verschiedenen Rollen. Kann man das so sehen?

Erklärungsmuster sind, glaube ich, vorübergehend. Der Mystiker ist eher jemand, der Erfahrung in der Begegnung sucht (wer sucht, findet auch), und Erklärungsmuster gehen an Interessierte, die sich nur Gedanken manchen.

Naja. Gleich das ganze Einssein erfahren ?
Das lässt sofort an östliche Religiosität denken.

Es ist ja das überwältigende Gefühl, das auch bei Nahtoderlebnissen erlebt wird. Und das von Gott aus den ganzen Himmel erfüllt.

Warum erleben gerade manche Menschen ohne jeden inneren Halt unverdient so viel davon. Oder ein Atheist, der es auf einmal erlebt ?
Aber diese Menschen ändern sich meist, so innerlich angerührt und bewegt sind sie.
In der östlichen Mystik wird das Ideal des Einsseins direkter anvisiert als in der westlichen. Aber dort wie hier ist die Masse der religiösen Menschen fixiert auf den Gott außerhalb: dem ich opfere damit er meine Wünsche erfüllt.

Ja, das ist erstaunlich, was die Nahtod-Betroffenen mitbringen. Da übertrifft vieles, was aus mystischen Zeugnissen bekannt ist. Ich könnte mir aber vorstellen, dass in den mystischen Schulungen solche bildhafte Visionen als "Erscheinungen" gesehen werden.

Wie zufällig sehen also ganz normale Menschen ohne Prägung in Todesnähe solche himmlische Regionen, und das weckt den Verdacht, dass es da nichts zu verdienen gibt, nirgends. Alle Menschen sind Gottes Kinder, und Gott ist gnädig.
Religionen nähren gerne das Stolz-Bedürfnis: komm zu uns, dann bist du auserwählt.

Re: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

Verfasst: Mo 30. Dez 2024, 08:12
von Spice
Die Überschrift ist der erste Teil eines Zitats von Karl Rahner, das vollständig lautet, „Der Christ der Zukunft wird Mystiker sein, oder er wird nicht mehr sein.“ Wie konnte er eine solche Aussage tätigen? Nun, die Antwort dürfte leicht fallen und bewahrheitet sich immer mehr. Mystiker sind diejenigen Menschen, denen die Erfahrung Gottes wichtiger ist als alles andere. In ihrem Leben ist also Gott der Mittelpunkt. Mit anderen Worten, alles oberflächliche glauben ist zu kraftlos, um in Zukunft bestehen zu können. Mystiker spekulieren nicht auf ein Leben im Jenseits, sondern im Hier&Jetzt.

Re: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

Verfasst: Mo 30. Dez 2024, 08:18
von Sunbeam
Spice hat geschrieben: Mo 30. Dez 2024, 08:12 Die Überschrift ist der erste Teil eines Zitats von Karl Rahner, das vollständig lautet, „Der Christ der Zukunft wird Mystiker sein, oder er wird nicht mehr sein.“ Wie konnte er eine solche Aussage tätigen? Nun, die Antwort dürfte leicht fallen und bewahrheitet sich immer mehr. Mystiker sind diejenigen Menschen, denen die Erfahrung Gottes wichtiger ist als alles andere. In ihrem Leben ist also Gott der Mittelpunkt. Mit anderen Worten, alles oberflächliche glauben ist zu kraftlos, um in Zukunft bestehen zu können. Mystiker spekulieren nicht auf ein Leben im Jenseits, sondern im Hier&Jetzt.
Vor Jahren habe ich mit erlaubt, einmal wirklich sehr intensiv Meister Eckhart zu studieren, weil mich seine Schriften und Predigten ansprachen und irgendwie auch berührten, damals.

Aber ich habe das Gefühl, das für einige christliche Hardliner hier (und in realen Welten) schon allein das Wort - Mystiker, vom Schwefelduft des Gottseibeiuns umweht ist. Schade, sehr schade.

Re: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein"

Verfasst: Mo 30. Dez 2024, 08:21
von Spice
Sunbeam hat geschrieben: Mo 30. Dez 2024, 08:18
Spice hat geschrieben: Mo 30. Dez 2024, 08:12 Die Überschrift ist der erste Teil eines Zitats von Karl Rahner, das vollständig lautet, „Der Christ der Zukunft wird Mystiker sein, oder er wird nicht mehr sein.“ Wie konnte er eine solche Aussage tätigen? Nun, die Antwort dürfte leicht fallen und bewahrheitet sich immer mehr. Mystiker sind diejenigen Menschen, denen die Erfahrung Gottes wichtiger ist als alles andere. In ihrem Leben ist also Gott der Mittelpunkt. Mit anderen Worten, alles oberflächliche glauben ist zu kraftlos, um in Zukunft bestehen zu können. Mystiker spekulieren nicht auf ein Leben im Jenseits, sondern im Hier&Jetzt.
Vor Jahren habe ich mit erlaubt, einmal wirklich sehr intensiv Meister Eckhart zu studieren, weil mich seine Schriften und Predigten ansprachen und irgendwie auch berührten, damals.

Aber ich habe das Gefühl, das für einige christliche Hardliner hier (und in realen Welten) schon allein das Wort - Mystiker, vom Schwefelduft des Gottseibeiuns umweht ist. Schade, sehr schade.
Ja, im evangelischen Glauben spielen Mystiker leider überhaupt keine Rolle. Da gab es so viel ich weiß, nur einen einzigen, der etwas Bekanntheit erlangte: Gerhard Tersteegen. Ja, Meister Eckhart ist wohl der bedeutendste. Er gefällt mir sehr.