Schuld- und Schamkultur
Verfasst: Mo 21. Apr 2025, 10:47
Ein Beitrag in diesem Forum brachte mich auf den Gedanken, hier dieses Thema hereinzustellen. Ein Apostel meiner Kirche erwähnte in einer seiner Ansprachen einen Autor mit folgenden Worten:
Es macht also einen Unterschied, ob man sich schuldig fühlt oder sich schämt.D. Todd Christofferson hat geschrieben:In einer Schuldkultur entscheidet das eigene Gewissen darüber, ob man gut oder schlecht ist. In einer Schamkultur entscheidet die Gesellschaft darüber, ob man gut oder schlecht ist, und zwar dadurch, dass man entweder akzeptiert oder ausgegrenzt wird. [In einer Schamkultur] stützt sich die Moral nicht auf das, was grundsätzlich richtig oder falsch ist, sondern darauf, wer oder was grundsätzlich dazugehört oder ausgegrenzt wird. …
In einem Wertesystem, das auf Zugehörigkeit und Ausgrenzung basiert, ist jeder ununterbrochen verunsichert. Es gibt keine dauerhaften Normen, nur das schwankende Urteil der Allgemeinheit. [Eine Schamkultur] ist geprägt von Überempfindlichkeit, Überreaktion und häufiger Panik in Fragen der Moral, wobei sich dann jeder gedrängt fühlt, sich der vorherrschenden Meinung anzuschließen. …
Eine Schuldkultur mag zwar hart erscheinen, doch zumindest lässt sie es zu, dass man die Sünde hasst, den Sünder aber liebt. Die moderne Schamkultur gibt vor, Wert auf Zugehörigkeit und Toleranz zu legen, kann sich aber gegenüber denjenigen, die eine andere Meinung vertreten oder die nicht dazupassen, seltsam unbarmherzig zeigen.
David Brooks, „The Shame Culture“, New York Times, 15. März 2016, Seite A29