Buddhismus, eine Religion der Liebe.

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west-östliche Weisheitslehre
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lovetrail
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Re: Buddhismus, eine Religion der Liebe.

Beitrag von lovetrail »

erbreich hat geschrieben: Dieses Ziel kann nur realisiert werden durch ein vollständiges Akzeptieren des Seins wie es ist. Das Leben wird weder bejaht (begehrt) noch verneint (abgelehnt) und auch der Tod wird weder bejaht (begehrt) noch verneint (abgelehnt). Darüberhinaus wird weder das individuelle noch das allgemeine Leben als ein Selbst oder als einem Selbst gehörig angeschaut, stattdessen wird die vollständige Bedingtheit alles Seienden und die totale Vernetzung von allem mit allem gesehen.

Und um – endlich… - zum Threadthema zu kommen: In diesem selbstlosen Erleben des bedingten Seins liegt der Grund, liegt die Begründung, liegt das Motiv für das liebevolle, wohlwollende, mitfühlende Wirken in Gedanke, Wort und Tat der tatsächlich und ernsthaft praktizierenden Buddhistin, des tatsächlich und ernsthaft praktizierenden Buddhisten.
Das klingt mir ziemlich verrückt, muss ich sagen.

Einerseits wird eine vollkommene Losgelöstheit von allem Denken, Fühlen, Leben, Totein... angestrebt, andererseits behauptet man, dass dieses selbstlose Sein liebevoll und mitfühlend sei bzw schließlich in ein positiv verstandenes Erlöschen (Nirvana) führt. Das widerspricht sich doch.

Kann der Buddhist nicht zugeben, dass er sich aus allem ausklinkt, bzw ausklinken will, sodass auch Liebe und kein Mitgefühl keine Rolle mehr spielen?

LG
Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, so wird Christus dich erleuchten!
Tyrion
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Re: Buddhismus, eine Religion der Liebe.

Beitrag von Tyrion »

Für mich klingt das sehr schlüssig, was erbreich erklärt. Glaubt man an Wiedergeburt, käme es ja zu einem ewigen Kreislauf aus Sterben und wieder geboren Werden. Eine endlose Tretmühle. Man kann aber erreichen, dass dieser Kreislauf durchbrochen wird, dass dieser beendet ist.

Ich selber gehe davon aus, dass es gar keinen Kreislauf gibt und man durch den Tod direkt diesen Zustand des "nicht-mehr-Fühlens" und "nicht-mehr-Seins" erreicht. Ich bin aber auch kein Buddhist.

Letzten Endes strebe ich aber den gleichen Zustand an. Ewiges Leben - nein danke! Diese Grausamkeit möchte ich nicht erleben müssen. Auslöschung des Seins, Denkens und Fühlens: ja bitte! Ich finde das sehr tröstlich, so muss man vor dem Tod keine Angst haben. Und man muss auch keinen "Gott" fürchten oder andere Ängste aufbauen. Das befreit :angel:
JackSparrow
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Re: Buddhismus, eine Religion der Liebe.

Beitrag von JackSparrow »

Ein Buddhist, der das Leben mag, müsste genau das Gegenteil von allem tun, was zur Erlösung führt. Er will ja wiedergeboren werden. Da hilft nur kräftig sündigen.

Fraglich erscheint mir, ob der Buddha in seinen Reden überhaupt jemals eine Wiedergeburt erwähnt hat oder ob die nur eine Erfindung seiner hinduistischen Zeitgenossen darstellt.
Rembremerding

Re: Buddhismus, eine Religion der Liebe.

Beitrag von Rembremerding »

erbreich hat geschrieben: Und um – endlich… - zum Threadthema zu kommen: In diesem selbstlosen Erleben des bedingten Seins liegt der Grund, liegt die Begründung, liegt das Motiv für das liebevolle, wohlwollende, mitfühlende Wirken in Gedanke, Wort und Tat der tatsächlich und ernsthaft praktizierenden Buddhistin, des tatsächlich und ernsthaft praktizierenden Buddhisten.
Hallo @erbreich, :)
im Buddhismus hat wohl auch schon Gender Einzug genommen. :lol:

Bei Christus scheint dieses selbstlose Erleben des bedingten Seins in seiner Demut auf: Er, der Gott ist, macht sich zum Geschöpf und gibt sein Leben für andere. Das bedingte Sein wird als "nicht von dieser Welt" bezeichnet. Des Menschen Heimat ist im Himmelreich, erst dort wird seine Sehnsucht gestillt. Die Begründung liegt in der Person Christi. Ihm zu folgen und ihn tatsächlich zu verinnerlichen - vielmehr: Jesu Wille sich in uns zu verinnerlichen zuzulassen - stärkt, um liebevoll, wohlwollend und mitfühlend zu wirken in Gedanke, Wort und Tat.
In dieser Hinsicht ist Christentum nicht nur eine Religion der Liebe, sondern auch der Glaube an die personifizierte Liebe.

Wenn man Beiträge einiger atheistischer User liest, dann ist es, als blicke man in einen dunklen Raum voller Unerlöstheit. Da ist nur mehr Zweifel, Kritikaster, Verlust der Fähigkeit vertrauen zu können und Wahrheit auch tatsächlich zuzulassen. Natürlich will ein solch unerlöstes Leben nicht in der Ewigkeit fortgesetzt werden. Ein Buddhist ist eigentlich der reinste Atheist, aber der Buddhismus zeigt einen Weg auf zwar gelassen das Leben "aushalten" zu können, aber auch durch Schulung der Achtsamkeit, Dankbarkeit das Leben im Dasein einem oftmals atheistischen Nihilismus zu entreißen. Für einen "unerlösten Atheisten" ergibt sich im Buddhismus eine Lebensschule, die ihm wieder ein Vertrauen ins Leben geben kann. Dies auch, weil man aktiv selbst besonders durch spürbare körperliche Übungen daran arbeiten kann.

Der Sinn des Lebens liegt nicht im Leben an sich, sondern im Sinn selbst, der für uns ist, weil wir nach ihm suchen.

Es ist wie beim Lesen der Bibel, beim Gottesbild oder beim erlebten Selbst voll Leid und Unerlöstheit im Buddhismus: Man wird immer das finden, der man ist. Den zornigen Gott, weil man es selbst ist, die Angst vor Gott, weil man selbst zutiefst verunsichert ist, das Verdrängen von Leid, weil es nicht seinen Ansprüchen genügt, das Verzweifeln an Wünschen, weil sie treiben, statt hoffen zu lassen. Buddhismus und Christentum schulen die Liebe, die den Menschen aus diesem kreisen um sich selbst, aus dem ewigen finden nur seiner selbst, herausführen kann. Zu einer Existenz, die sich aus dem anderen nährt durch Liebe.
So mag im Christentum die Angst vor Gott die Ewigkeit verneinen wollen. Doch auch im Buddhismus gelingt keine Auflösung ohne Erlösung. Mag Gott im Christentum das Unerlöste aufheben, der Buddhist wird dies in einem weiteren Leben tun müssen. Und für jemanden, der das Leben jetzt schon als Last erlebt, weil ihm das Vertrauen in das Leben fehlt, kann das auch Angst machen.

Servus :wave:
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Novas
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Re: Buddhismus, eine Religion der Liebe.

Beitrag von Novas »

lovetrail hat geschrieben:Kann der Buddhist nicht zugeben, dass er sich aus allem ausklinkt, bzw ausklinken will, sodass auch Liebe und kein Mitgefühl keine Rolle mehr spielen?

LG
Das kann er nicht, weil Liebe und Mitgefühl in der buddhistischen Lehre eine absolut zentrale Rolle spielt... was mich nicht wundert, weil Buddhisten eben auch menschliche (geist- und vernunftbegabte) Wesen sind... oder um es mehr theologisch mit dem christlichen Wortschatz zu sagen: sie sind geschaffen nach dem Bild Gottes.... ;)
Die Metta-Meditation ist eine der ältesten Formem der buddhistischen Meditation. Ziel der Meditationsübungen ist das Erreichen einer liebevollen, wohlwollenden Haltung gegenüber der Welt und allen fühlenden Wesen. Der Begriff „Metta“ entstammt der mittelindischen Sprache Pali und bedeutet übersetzt in Etwa „Freundschaft“, „Allgüte“ oder „Freundlichkeit“. Gleichwohl ist damit auch die Liebe im buddhistischen Sinne gemeint.

Diese Art der Meditation zählt zu den grundlegenden Meditationsübungen und inneren Haltungen des Buddhismus. Diese werden als die vier Brahmaviharas bezeichnet – der Begriff lässt sich mit „himmlische Verweilzustände“ oder „unermessliche Geisteshaltungen“ übersetzen. Neben Metta zählen dazu auch Mudita (Mitfreude), Upekkha (Gleichmut) und Karuna (Mitgefühl).

Mit der Metta-Meditation geht die Vorstellung einher, dass jedem fühlenden Wesen, das heißt jedem Lebewesen der Erde und des Universums, mit Wohlwollen und Freundlichkeit begegnet werden soll. Ein Lebewesen, gleich ob Mensch oder Tier, aus dem eigenen Herzen zu vertreiben und es abzulehnen, führt leidglich zu Ärger, Wut, Verbitterung und Zorn. Dass es sich dabei um Gefühle handelt, die der Lebenszufriedenheit eines Menschen sicher nicht zuträglich sind, wird nicht bezweifelt werden. Jedes Lebewesen soll akzeptiert und innerlich angenommen werden. Mit der Metta-Meditation üben Sie genau diese wohlwollende Haltung ein.
http://ich-will-meditieren.de/meditatio ... editation/

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erbreich
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Re: Buddhismus, eine Religion der Liebe.

Beitrag von erbreich »

lovetrail hat geschrieben:Kann der Buddhist nicht zugeben, dass er sich aus allem ausklinkt, bzw ausklinken will, sodass auch Liebe und kein Mitgefühl keine Rolle mehr spielen?
Wo Gier, Hass und Selbstsucht sind, da ist kein Raum für Liebe und Mitgefühl. Wo Gier, Hass und Selbstsucht überwunden, getilgt sind, da ist Raum für Liebe und Mitgefühl.
Die Frage, die ich bin, sucht nicht die Antwort in dem Sinn, dass ein Wort mir könnte klären, was nur die Frage kann gewähren.
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Novas
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Re: Buddhismus, eine Religion der Liebe.

Beitrag von Novas »

erbreich hat geschrieben:
lovetrail hat geschrieben:Kann der Buddhist nicht zugeben, dass er sich aus allem ausklinkt, bzw ausklinken will, sodass auch Liebe und kein Mitgefühl keine Rolle mehr spielen?
Wo Gier, Hass und Selbstsucht sind, da ist kein Raum für Liebe und Mitgefühl. Wo Gier, Hass und Selbstsucht überwunden, getilgt sind, da ist Raum für Liebe und Mitgefühl.
Wo Gier, Hass und Selbstsucht getilgt sind, da bleibt nichts anderes als Liebe und Mitgefühl übrig :thumbup: was wir auch so verstehen können, dass der Mensch durchscheinend wird für das Göttliche, welches allem Seienden zugrunde liegt. Es überrascht mich persönlich kein bisschen, dass auch Buddhisten einen natürlichen Sinn dafür haben. Thomas Merton sagte es mal so, dass das Leben in Wahrheit ganz einfach sei, weil die gesamte Welt völlig transparent ist und das Göttliche die ganze Zeit hindurch scheint. Nur das Ego des Menschen funkt dazwischen, schiebt sich wie ein Schleier der Verblendung zwischen uns und dem göttlichen Geist.
Zuletzt geändert von Novas am Fr 17. Feb 2017, 08:46, insgesamt 1-mal geändert.
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erbreich
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Re: Buddhismus, eine Religion der Liebe.

Beitrag von erbreich »

Tyrion hat geschrieben:Ich selber gehe davon aus, dass es gar keinen Kreislauf gibt und man durch den Tod direkt diesen Zustand des "nicht-mehr-Fühlens" und "nicht-mehr-Seins" erreicht. Ich bin aber auch kein Buddhist.
Das Problem bei dieser Anschauung ist, dass der Tod damit gleichbedeutend mit Erlösung wird. Die einzig konsequente und befreiende Tat wäre damit der Suicid (und sogar der Mord: als Erlösung für den Mitmenschen). Und es hat natürlich solche Erlösungsideologien immer gegeben und gibt sie noch.

Ich habe vor 15 Jahren eine lange Zeit tiefer Depression durchlitten und die Lehre von der Wiedergeburt war mir während dieses Prozesses eine - wenn nicht die zentrale - Stütze, die den Schritt zum Suicid verhindert hat.
Die Frage, die ich bin, sucht nicht die Antwort in dem Sinn, dass ein Wort mir könnte klären, was nur die Frage kann gewähren.
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Novas
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Re: Buddhismus, eine Religion der Liebe.

Beitrag von Novas »

Tyrion hat geschrieben: Ewiges Leben - nein danke! Diese Grausamkeit möchte ich nicht erleben müssen. Auslöschung des Seins, Denkens und Fühlens: ja bitte!
Schon der Begriff ewig bedeutet, dass es nicht um eine unendliche Velängerung des zeitlichen Daseins geht (eine unendliche Aneinanderreihung von immergleichen Novembertagen, die sich unablässig in endloser Langeweile wiederholen, das wäre in der Tat ein leidvoller Seinszustand, aus dem der Mensch wiederum erlöst/errettet werden müsste ;) ) worum es wirklich geht, ist das Aufgehobensein im ewigen Leben Gottes, welches vollkommen jenseits der Zeit ist. Mein Ja zum ewigen Leben und zur Auferstehung bedeutet, dass ich daran glaube, dass das menschliche Leben geschaffen wurde, um der Erfüllung und Vollendung entgegen zu gehen, nicht dem Tod und dem Nichts. Meine Beschäftigung mit dem Buddhismus hat mich zu der Schlussfolgerung geführt, dass das Buddhisten ganz ähnlich sehen.
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erbreich
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Re: Buddhismus, eine Religion der Liebe.

Beitrag von erbreich »

Novalis hat geschrieben:Thomas Merton sagte es mal so, dass das Leben in Wahrheit ganz einfach sei, weil die gesamte Welt völlig transparent ist und das Göttliche die ganze Zeit hindurch scheint. Nur das Ego des Menschen funkt dazwischen, schiebt sich wie ein Schleier der Verblendung zwischen uns und dem göttlichen Geist.
Aus buddhistischer Perspektive setze ich anstelle der Begriffe "das Göttliche" und "der göttliche Geist" den Begriff "Nibbana", weil Nibbana per Definition das einzige unvergängliche Phänomen (dhamma) ist.

Im buddhistischen Verständnis sind "göttliche Wesen" und "göttliche Geisteszustände" ebenso dem Gesetz der Vergänglichkeit unterworfen wie alle Wesen und alle Geisteszustände. macca hat das schon erwähnt:
macca hat geschrieben:Im Buddhismus gibt es den Himmel und auch die Hölle. Es werden auch die Götter definiert. Sogar mit der Lebensspanne dieser Götter. Aber diese sind nicht ewig. Auch sie sind an Samsara gebunden. Auch die Wesen in der Hölle sind nicht ewig dort. Die Geburt als Mensch ist wertvoll, denn dies geschieht selten. Und als Mensch ist man in der Lage Nibbana zu erreichen.
Novalis hat geschrieben:Mein Ja zum ewigen Leben und zur Auferstehung bedeutet, dass ich daran glaube, dass das menschliche Leben geschaffen wurde, um der Erfüllung und Vollendung entgegen zu gehen, nicht dem Tod und dem Nichts. Meine Beschäftigung mit dem Buddhismus hat mich zu der Schlussfolgerung geführt, dass das Buddhisten ganz ähnlich sehen.
Das sehe ich auch so. Es war ein Irrtum aus den Anfängen des westlichen Buddhismus, dass die Lehre Buddhas oft als nihilistisch verstanden worden ist und leider trifft man dieses Verständnis auch heute noch vielerorts an. Nibbana ist nicht nichts. Das Ende des Leidens und Sterbens ist nicht nichts, sondern vollkommene Erlösung und damit Vollendung der Existenz.
Die Frage, die ich bin, sucht nicht die Antwort in dem Sinn, dass ein Wort mir könnte klären, was nur die Frage kann gewähren.
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