Wie wahr sind Tatsachen?

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Pluto
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Re: Wie wahr sind Tatsachen?

Beitrag von Pluto »

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Ob Jesus ein Mensch war oder Sohn JHWH's ist (was immer das genau heißen soll), ist für die Analyse der Quellen unerheblich, denn deshalb ändern sich die Quellen nicht.
Das stimmt, solange man nicht interpretiert. - Natürlich ist die Analyse "Das Wort logos wird damals SO verwendet und findet sich auch in den außerchristlichen Schriften x, etc" frei von Annahmen "Jesus ist nur Mensch" oder "Jesus ist auch göttlich" - das meine ich mit "Sachebene der HKM", die auch bei der RKK nicht in Frage steht.
Das Problem ist die Setzung. Würde man das nicht dogmatisch setzen, käme vielleicht die Wahrheit raus.
closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Die kanonische Methodik z.B. verstößt schon gegen grundsätzliche wissenschaftliche Minimal-Prinzipien, wie das vertreten von methodischen Annahmen, die die Ergebnisse der Analyse vorwegnehmen.
Denkfehler: Was "plausibel" ist, hängt von der "Kalibrierung" ab: Gemessen WORAN ist etwas plausibel?
Aber hier geht es um schlichte Inhalte und nicht um Plausibilität oder Kalibrierung.
closs hat geschrieben:Nur - es gibt auch andere, aus geistiger Sicht, naheliegende Prämissen wie bspw. "Jesus ist auch göttlich" - und dann ist es im Gegenteil UN-plausibel...
Wozu braucht man Prämissen? Kann man de n Text nicht ergebnisoffen erforschen?
closs hat geschrieben:Da bist Du auf Kosten anderer komplett weltanschaulich verblendet.
Um solche gegenseitigen Vorwürfe zu vermeiden, sollte man vielleicht setzungsfrei an den Text herangehen?
closs hat geschrieben:Aber so zu tun, als habe die HKE KEINE Prämissen und nur die anderen Exegesen hätten welche, ist entweder unredlich oder naiv - letzteres wäre sogar der schlimmere Fall.
Welche Prämissen soll denn die HKM haben?
closs hat geschrieben:Wüsste ich nicht, was an Irrwegen hinter dieser Feststellung sein kann, würde ich Dir glatt zustimmen - jawoll: Auf reiner Sacheebene der Textananlyse hast Du vollkommen recht. - Aber eben nicht auf Interpretations-Ebene.
Verstehe ich nicht. Es sind Beides Interpretationen.
closs hat geschrieben:Während man von HKM-Vertretern gerne mal hört: "WIeso? Unsere Interpretations-Ebene IST doch Sachebene. WIR :engel: haben keine Setzungen".
Moment:
Von welchen HKM-Vertretern hört man denn diesen Unsinn? Und... von welchen Setzungen ist hier die Rede?
closs hat geschrieben:OK - halten wir fest: "Tatsache" ist letztliche eine anthropozentrische Größe (= das, was ein Mensch für wahr hält, und nicht, was wahr "ist" - weil letzteres gar nicht absolut festgestellt werden kann) - einverstanden?
non sequitur.
Tatsachen sind vom Beobachter unabhängig. Was hat es mit einem Menschen zu tun, wenn die Menge der realen Zahlen unendlich ist? Genau das macht die Quantenmechanik so schwer verstehbar, weil dort diese Grenzen verschwimmen; d.h. die Interpretation ist nicht intuitiv.
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closs
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Re: Wie wahr sind Tatsachen?

Beitrag von closs »

Pluto hat geschrieben:Das Problem ist die Setzung. Würde man das nicht dogmatisch setzen, käme vielleicht die Wahrheit raus.
Aber das gilt doch für beide Seiten.
Pluto hat geschrieben:Aber hier geht es um schlichte Inhalte und nicht um Plausibilität oder Kalibrierung.
Moment: Bei reinen Sachfragen geht es nur um Inhalte - auf dieser reinen Sachebene wird auch, aber eher selten gestritten. - Das eigentliche Problem ist doch die Interpretations-Ebene, die aufgrund unterschiedlicher Grundannahmen ganz unterschiedlich besetzt wird.
Pluto hat geschrieben:Wozu braucht man Prämissen? Kann man de n Text nicht ergebnisoffen erforschen?
Auf rein "technischer" Sachebene geht das - aber darum geht es doch in der Regel nicht.
Pluto hat geschrieben:Könnte es nicht genau umgekehrt sein, dass die Dogmatiker unter den Theologen derart verblendet sind, dass sie nichts anderes zulassen als das Jesus göttlich sei?
Sie können genauso falsch liegen wie die HKM-ler - natürlich. - Aber hier gibt es einen ganz entscheidenden Unteschied: Die Theologie bekennt sich zu ihren Vorannahmen ("Glaubensentscheid", während die HKM (in vielen Vertretern) NICHT dazu bekennt.

Mit anderen Worten: Ein Theologe weiss, dass er falsch liegen kann, weshalb er auch nicht verblended sein kann - er hat sich offen zu seiner Annahme bekannt.- Viele HKM-ler sind dagegen wirklich verblendet, weil sie fälschlich meinen, sie hätten KEINE Vorannahme.
Pluto hat geschrieben:Welche Setzungen soll denn die HKM haben?
Dass die Bibel nur säkular unter der Annahme "Jesus ist nur Mensch" wissenschaftlich interpretiert werden kann - alles andere sei "unredlich". - Das ist eine Selbsttäuschung erster Güte.
Pluto hat geschrieben:Tatsachen sind vom Beobachter unabhängig.
Das musst Du Thaddäus sagen - ich habe ihre Aussage zusammengefasst.
Pluto hat geschrieben:Was hat es mit einem Menschen zu tun, wenn die Menge der realen Zahlen unendlich ist?
Jetzt bist Du ganz nah bei Platons Ideen-Lehre: Zahlen (bzw. das, was sie ausdrücken) als Entität. - Ich stimme Dir zu. - Aber genau das frage ich die ganze Zeit - nochmal für Dich:

Ist "Tatsache" etwas vom Menschen Unabhängiges oder ist es Ausdruck für ein schlüssiges methodisches Ergebnis (oder eine emotionale Einsicht)?
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Thaddäus
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Re: Wie wahr sind Tatsachen?

Beitrag von Thaddäus »

closs hat geschrieben:Ist es jetzt "Tatsache" oder "interpretation"? - Oder ist eine Tatsache eine Interpretation?
Du scheinst zu denken, dass der Unterschied zwischen Interpretationen und Tatsachen darin besteht, dass Interpreationen stets unsicher, Tatsachen aber sicher sind. Damit vergleichst du aber Äpfel mit Birnen.

Jede Auslegung von Daten sind Interpretationen, ob diese Daten Zahlenreihen sind oder Texte oder sensorische Wahrnehmungen, also über die Nervenbahnen übermittelte elektro-chemische Impulse. Erst eine passende Interpretation macht aus Datensalat sinnvolle Informationen. Mathematiker interpretieren Zahlenreihen und Kalküle, Theologen interpretieren biblische Texte und unser Gehirn interpretiert die über die afferenten Nervenbahnen eingehenden elektro-chemische Impulse (und macht daraus z.B. ein sich näherndes Auto auf der Straße, das von links sehr schnell direkt auf mich zufährt).

Wenn ein Mathematiker eine sinnvolle Interpretation einer Zahlenreihe präsentiert (z.B. dass es sich um eine Primzahlenreihe handelt), dann macht er im Idealfalle eine wahre Aussage über den Sachverhalt, dass diese Zahlenreihe vorliegt und er stellt eine Tatsache fest, nämlich, dass es sich z.B. um eine Primzahlenreihe handelt.
Wenn ein Theologe die Schriftzeichen eines Textes, welche direkte Aussagen Jesu zu seiner Naherwartung darstellen interpetiert, dann muss er mit den Mitteln seiner Methodik plausibel und begründet darlegen, inwiefern diese Aussagen authentische Jesusworte sind, während die eine Naherwartung relativierenden Textpassagen keine authentischen Jesusworte sind, sondern nachträglich eingefügte Erklärungen, warum das Weltende immer noch nicht eingetroffen ist. Gelingt dies plausibel nachvollziehbar und einleuchtend, dann stellt er eine Tatsache fest: nämlich dass Jesus eine Naherwartung hatte. Es ist diese Interpretation gestützt durch eine plausible Methodik, die die Feststellung dieser Tatsache erst ermöglicht!

Wenn mein Gehirn eine unerhörte Anzahl elektrochemischer Impulse als sich mir schnell von links näherndes Auto interpretiert, ich mir (praktisch gleichzeitig) dessen bewusst werde, was mich veranlasst, mich der (bewusst gewordenen) Gefahr durch einen beherzten Sprung zur Seite zu entziehen, dann stellt diese Interpretation meines Gehirns und der Akt der Bewusstwerdung die Feststellung einer Tatsache dar, nämlich der Tatsache, dass ich gleich von einem Auto umgefahren werde, wenn ich nicht ausweiche.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Fr 9. Jun 2017, 21:43, insgesamt 3-mal geändert.
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Pluto
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Re: Wie wahr sind Tatsachen?

Beitrag von Pluto »

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Das Problem ist die Setzung. Würde man das nicht dogmatisch setzen, käme vielleicht die Wahrheit raus.
Aber das gilt doch für beide Seiten.
Nein. Die HKM setzt nichts.
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Aber hier geht es um schlichte Inhalte und nicht um Plausibilität oder Kalibrierung.
Moment: Bei reinen Sachfragen geht es nur um Inhalte - auf dieser reinen Sachebene wird auch, aber eher selten gestritten. - Das eigentliche Problem ist doch die Interpretations-Ebene, die aufgrund unterschiedlicher Grundannahmen ganz unterschiedlich besetzt wird.
Dennoch. Hier geht es nicht um Interpretation.
Außerdem ... wie oft denn noch? Die HKM setzt nicht, dass Jesus nur ein Mensch ist; sie lässt diese wichtige Frage offen.
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wozu braucht man Prämissen? Kann man de n Text nicht ergebnisoffen erforschen?
Auf rein "technischer" Sachebene geht das - aber darum geht es doch in der Regel nicht.
Du weichst der Frage aus. Wozu braucht man Prämissen?
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Könnte es nicht genau umgekehrt sein, dass die Dogmatiker unter den Theologen derart verblendet sind, dass sie nichts anderes zulassen als das Jesus göttlich sei?
Sie können genauso falsch liegen wie die HKM-ler - natürlich. - Aber hier gibt es einen ganz entscheidenden Unteschied: Die Theologie bekennt sich zu ihren Vorannahmen ("Glaubensentscheid", während die HKM (in vielen Vertretern) NICHT dazu bekennt.
Wie wäre es, wenn man gar nicht setzt?
closs hat geschrieben:Mit anderen Worten: Ein Theologe weiss, dass er falsch liegen kann, weshalb er auch nicht verblended sein kann - er hat sich offen zu seiner Annahme bekannt.
Wenn man zu sehr an Annahmen festhält, die falsch sein könnten, kann es fatal sein. Konkret: Der Theologe sagt, Jesus=Gott und dann sucht er nur noch nach Texten die seine Annahme bestätigen.
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Welche Setzungen soll denn die HKM haben?
Dass die Bibel nur säkular unter der Annahme "Jesus ist nur Mensch" wissenschaftlich interpretiert werden kann - alles andere sei "unredlich". - Das ist eine Selbsttäuschung erster Güte.
Das ist eine starke Behauptung, aber kannst du es auch belegen?
closs hat geschrieben:Ist "Tatsache" etwas vom Menschen Unabhängiges oder ist es Ausdruck für ein schlüssiges methodisches Ergebnis (oder eine emotionale Einsicht)?
Weder noch.
Tatsachen sind Sachverhalte, die durch Evidenz bestätigt werden können.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
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Novas
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Re: Wie wahr sind Tatsachen?

Beitrag von Novas »

ThomasM hat geschrieben:Ich hatte es (wie der von mir zitierte Artikel übrigens auch) naturalistisch gemeint und in dem Sinne, wie speziell Pluto den Begriff benutzt. Er (und viele naturalistisch geprägte Menschen) benutzen den Begriff als Kampfbegriff nach dem Motto "Wie kannst du denn an einen Gott glauben. Du darfst nur an Tatsachen glauben" Aber jedem, der ein wenig darüber nachdenkt - und genau das macht der Artikel klar - muss bewusst werden, dass "Tatsachen" ein sehr relativer Begriff ist und von einer Vielfalt von Bedingungen und Wahrnehmungseinschränkungen abhängt - auch und gerade in einem naturalistischen Kontext.

Insbesondere ist der Begriff - das ist für mich sehr interessant - auch kulturell und zeitlich geprägt. Das heißt, dass "Tatsachen" vor 2000 Jahren (als das NT verfasst wurde) anders aussahen als heute und wieder anders aussehen werden, als in hundert Jahren.
:thumbup: ja, eine Stunde gründlichen Nachdenkens bringt am Ende vielleicht mehr, als siebzig Jahre frommer Andacht. Jeder Begriff von Wahrheit ist notwendig relativ zu einem bestimmten Weltbild. So gesehen ist religiöse Wahrheit nicht absolut, sondern relativ, auch wenn sie vom Ewigen und Absoluten spricht. Wenn etwas absolut für Christen ist, dann ist es Christus als der entscheidende (zeitlose) Bezugspunkt ihres Glaubens. In ihm finden und erkennen wir Wahrheit, die dann allerdings immer wieder neu (aktualisiert) in Zeit und Raum übersetzt werden muss. Ich weiß zwar nicht, was Christen in hundert Jahren denken und für "Tatsachen" halten werden, aber ich weiß, dass ihr Bezugspunkt Christus sein wird.
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closs
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Re: Wie wahr sind Tatsachen?

Beitrag von closs »

Thaddäus hat geschrieben:Jede Auslegung von Daten sind Interpretationen, ob diese Daten Zahlenreihen sind oder Texte oder sensorische Wahrnehmungen, also über die Nervenbahnen übermittelte elektro-chemische Impulse.
Ich verstehe Dich - aber dann haben wir ein Problem der Unterscheidung:
"Jesus starb ca. 33 nach seiner Geburt" ist eine andere Art der Interpretation als "Jesu Auferstehung ist als historisch zu deuten".
Thaddäus hat geschrieben:Wenn ein Theologe die Schriftzeichen eines Textes, welche direkte Aussagen Jesu zu seiner Naherwartung darstellen interpetiert, dann muss er mit den Mitteln seiner Methodik plausibel und begründet darlegen, inwiefern diese Aussagen authentische Jesusworte sind, während die eine Naherwartung relativierenden Textpassagen keine authentischen Jesusworte sind, sondern nachträglich eingefügte Erklärungen, warum das Weltende immer noch nicht eingetroffen ist.
Trotzdem ist es keine alternativlose Interpretation, weil ein anderer Wissenschaftler bei anderen Grundannahmen als die der HKM festellen kann, dass zuordenbare Jesus-Worte ganz anders gemeint sind - auch das lässt sich problemlos plausibel und begründet darlegen und ist trotzdem ein ganz anderes Ergebnis.
Thaddäus hat geschrieben:Wenn mein Gehirn eine unerhörte Anzahl elektrochemischer Impulse als sich mir schnell von links näherndes Auto interpretiert, ich mir (praktisch gleichzeitig) dessen bewusst werde, was mich veranlasst, mich der (bewusst gewordenen) Gefahr durch einen beherzten Sprung zur Seite zu entziehen, dann stellt diese Interpretation meines Gehirns und der Akt der Bewusstwerdung die Feststellung einer Tatsache dar, nämlich der Tatsache, dass ich gleich von einem Auto umgefahren werde, wenn ich nicht ausweiche.
Im naturalistischen Feld ist das alles viel einfacher - da würde ich genauso denken wie Du. - Es ist ganz anders bei geistigen Fragen, weil hier das Metaphysische ("Gott") eine Rolle spielt.

Anders gesagt: Es ist ein Unterschied ob man kritisch-rational setzt "Wir beachten nur naturalistisch Falsifizierbares" oder ob man theologisch setzt "Folgende Interpretationen gelten nur dann, wenn es Gott gibt". - Die Ergebnisse sind bei identischer Quellenlage ganz unterschiedlich, sobald die reine Sachebene ("Zur Zeit Jesu war Pilatus Präfekt"/"Das Volk glaubte damals Folgendes: ...") verlässt.
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closs
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Re: Wie wahr sind Tatsachen?

Beitrag von closs »

Pluto hat geschrieben:Nein. Die HKM setzt nichts.
Doch - aber Du erkennst es nicht.
Pluto hat geschrieben: Die HKM setzt nicht, dass Jesus nur ein Mensch ist; sie lässt diese wichtige Frage offen.
Sie lässt diese Frage nur scheinbar offen, weil sie sie bereits vorab entschieden hat (kR).
Pluto hat geschrieben:Du weichst der Frage aus. Wozu braucht man Prämissen?
Ich weiche nicht aus - dazu habe ich es oft genug erklärt. - Die einfachste Antwort wäre, dass Geschichtswissenschaft eine hermeneutische Wissenschaft ist, die ihren Ausgangspunkt in der Formatierung des Forschenden hat.
Pluto hat geschrieben:Wie wäre es, wenn man gar nicht setzt?
Dann kann man sich (abgesehen von der "Cogito-Setzung" von Descartes) munter mit reinen Sachfragen beschäftigen: "Das Element Cobalt ist ein ferromagnetisches Übergangsmetall aus der 9. Gruppe oder Cobaltgruppe des Periodensystems". - Aber nicht mit Fragen wie: "Ist Jesu Auferstehung historisch echt oder eine Projektion der Menschen?"
Pluto hat geschrieben:Wenn man zu sehr an Annahmen festhält, die falsch sein könnten, kann es fatal sein. Konkret: Der Theologe sagt, Jesus=Gott und dann sucht er nur noch nach Texten die seine Annahme bestätigen.
Da ist was dran - aber auch hier: Es gilt auch umgekehrt: So sucht die HKM NICHT nach Argumenten, warum Jesus historisch auferstanden sein kann, weil man schnell vorschiebt, dass historische Wirkungszusammenhänge nicht durchbrochen werden können (also eine rein naturalistische Setzung), so dass der Fall, dass Jesus historisch auferstanden ist, gar nicht sein kann. - Also sucht man nach Argumenten, warum die Leute so etwas glauben konnten und gerät dann wunschgemäß schnell in die Antithese "damalige Unaufgeklärtheit versus heutige Aufgeklärtheit".
Pluto hat geschrieben:Das ist eine starke Behauptung, aber kannst du es auch belegen?
Auch zum x-ten Mal:
* Der kR beachtet nur Falsifizierbares.
* Da die Aussage "Jesus war auch göttlich" nicht falsifizierbar ist, kann sie diese Version nicht als Interpretations-Grundlage nutzen, selbst wenn sie historisch richtig ist.
* Wer trotzdem diese Annahme als historische Grundlage in Erwägung zieht, gilt als unwissenschaftlich bzw. wissenschaftlich unredlich.
* Und so macht man seinen Sandkasten nach allen Seiten dicht.
Pluto hat geschrieben:Tatsachen sind Sachverhalte, die durch Evidenz bestätigt werden können.
Klingt gut und ist für jedes diplomatische Papier geeignet, weil da jeder nickt. - Das Problem: Es gibt dann sich widersprechende Tatsachen zum Selben - und genau dieser Fall wird an anderer Stelle als nicht möglich verworfen.
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Thaddäus
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Re: Wie wahr sind Tatsachen?

Beitrag von Thaddäus »

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Die kanonische Methodik z.B. verstößt schon gegen grundsätzliche wissenschaftliche Minimal-Prinzipien, wie das vertreten von methodischen Annahmen, die die Ergebnisse der Analyse vorwegnehmen.
Denkfehler: Was "plausibel" ist, hängt von der "Kalibrierung" ab: Gemessen WORAN ist etwas plausibel?
Das hatten wir schon und deine Ansicht ist schlicht falsch. Was plausibel ist oder logisch, hängt von keiner Kalbrierung ab. Oder musst du dich etwa in besonderer Weise kalibrieren, um das von dir hier an dieser Stelle Vorgebrachte ("Was "plausibel" ist, hängt von der "Kalibrierung" ab: Gemessen WORAN ist etwas plausibel?") als Argument zugunsten deiner Ansichten zu verstehen? :shock:
Nein, du denkst, das von dir hier Vorgebrachte sei ein gutes und plausibles Argument, dem man folgen sollte. Dummerweise irrst du dich, denn es ist kein gutes Argument.
closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Die allermeisten Pfarrer und Theologieprofessoren flüchten sich daher in entweder kuriose Verteidigungsstrategien oder in die Ignoranz.
Das sind Verschwörungs-Theorien.

Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern eine psychologische Theorie darüber, warum Pfarrer und Theologieprofessoren nach min. 10 Semestern Theologiestudium und einem theologischen Examen bzw. sogar einer Dissertation und Habilitation in Theologie ihren Gläubigen immer noch die Geschichte der Geburt Jesu in Bethlehem in einem Stall unter Anwesenheit eines Kometen und von Eseln und Ochsen in ihrer Weihnachtspredigt auftischen, obwohl sie genau wissen, dass diese wohlige und rührige Geschichte pure Erfindung ist.
Was sollen die Armen denn auch sonst machen?
Sollen sie ihren erwartungsvoll in der Weihnachtspredigt sitzenden Gemeindegliedern denn allen Ernstes erzählen, dass diese Geschichte so nie passiert ist? Sollen sie ihren Beruf aufgeben und ihre Mission und stattdessen Wurstwaren oder Versicherungen verkaufen, wo sie nur einen Bruchteil dessen verdienen, was sie als Pfarrer und Priester verdienen? Das ist auf einer existenziellen Ebene tatsächlich zuviel von ihnen verlangt. Die meisten biegen sich die Ergebnisse der neu- und altestamentlichen Forschung, die sie sehr wohl kennen, so zurecht, dass sie das irgendwie vor sich selbst und ihren Schäfchen rechtfertigen zu können glauben. Nur wenige sind so konsequent, entweder den Dienst zu quittieren oder mit ihrer Gemeinde Tacheles zu reden. Ich verstehe das und ich verurteile die Pfarrer nicht, die die Erwartung ihrer Gläubigen am heiligen Abend nicht enttäuschen wollen. Ich verstehe es auf der menschlichen Ebene. Dennoch betrügen sie am Ende sich und ihre gläubige Gemeinde. Und zwar in einem unerhörten und letztlich unerträglichen Ausmaß.

Da bin ich doch lieber Philosophin, die sich nicht verbiegen muss und meine Ansichten immer dann ändern darf, wenn ich von besseren Argumenten überzeugt werde ...
Zuletzt geändert von Thaddäus am Sa 10. Jun 2017, 00:45, insgesamt 1-mal geändert.
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closs
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Re: Wie wahr sind Tatsachen?

Beitrag von closs »

Thaddäus hat geschrieben:Nein, du denkst, das von dir hier Vorgebrachte sei ein gutes und plausibles Argument, dem man folgen sollte. Dummerweise irrst du dich
Meinst Du wirklich, es ist ausreichend, Antworten auf Fragen, bei denen es um Gott geht, auf kritisch-rationaler Grundlage ("nur Falsifizierbares ist relevant, also ist Gott NICHT relevant") plausibel zu finden? - Genau das meine ich mit Anthropozentrismus.
Thaddäus hat geschrieben:Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern eine psychologische Theorie
Das schließt sich doch nicht aus. - Wenn eine Theorie auf Setzungen aufgebaut ist, die in Bezug auf eine Fragestellung falsch sind, kann natürlich so etwas rauskommen.
Thaddäus hat geschrieben: warum Pfarrer und Theologieprofessoren nach min. 10 Semestern Theologiestudium und einem theologischen Examen bzw. sogar einer Dissertation und Habilitation in Theologie ihren Gläubigen immer noch die Geschichte der Geburt Jesu in Bethlehem in einem Stall unter Anwesenheit eines Kometen und von Eseln und Ochsen in ihrer Weihnachtspredigt auftischen, obwohl sie genau wissen, dass diese wohlige und rührige Geschichte pure Erfindung ist.
Die Bibel (auch ihr historischer Teil) ist als Chiffre zu verstehen - oder ihn Worten Goethes (bitte wörtlich ernst nehmen): "Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis".

Konkret: Man bedient sich Darreichungsformen, die zur eigentlichen Message hinführen - je nach Wahrnehmungs-Profil der Zuhörer. - Und auch die Schlaueren von diesen Zuhörern wissen das (es gab in Palästina sicherlich weder Schwarzwald-Hüttchen nicht Tannenbäume). - Wenn es nach mir ginge, könnte man es auch anders machen: "Gott ist die Aufhebung der Dialektik und leitet sich selbst in den dialektischen Raum ab". - Super, gell?

Trotzdem haben "Krippe und Tannenbaum" und "Ableitung Gottes in die dialektische Welt" vom Kern her mehr gemeinsam als "Das ist alles falsch - der Geburtsort war gar nicht in Bethlehem". - Du darfst nie vergessen, dass es bei den Aussagen der Bibel immer um eine geistige Wahrheit HINTER der Chiffre-Welt (egal ob historisch oder mythisch) geht - genau das, also die Hauptsache, ist aber per HKM nicht fassbar.
Thaddäus hat geschrieben:Dennoch betrügen sie am Ende sich und ihre gläubige Gemeinde. Und zwar in einem unerhörtem und letztlich unerträglichem Ausmaß.
Das ist in der Hauptsache falsch, jedoch nach historisch-kritischer Logik richtig.
Thaddäus hat geschrieben:Da bin ich doch lieber Philosophin, die sich nicht verbiegen muss und meine Ansichten immer dann ändern darf, wenn ich von besseren Argumenten überzeugt werde ...
Du musst Dich auch als Theologin nicht verbiegen, wenn Du den richtigen geistigen Einstieg nimmst. -
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Thaddäus
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Re: Wie wahr sind Tatsachen?

Beitrag von Thaddäus »

closs hat geschrieben:Du musst Dich auch als Theologin nicht verbiegen, wenn Du den richtigen geistigen Einstieg nimmst. -
Genau dieser "Einstieg", der ein anderes Wort für den intellektuellen Bankrott ist, bedeutet ja die unerträgliche Verbiegung, die ich leisten müsste.
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