Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
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Andreas
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Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von Andreas »

Pluto hat geschrieben:Daran kann man ...
Warum beantwortest du meine Frage eigentlich nicht? Wieso honorierst du meine von dir eben noch geschätzte Aufklärungsarbeit nicht mit einer Antwort? Höflicher und zuvorkommender kann man wohl kaum nachfragen, wenn man eine Aussage nicht so recht verstanden hat.
Andreas hat geschrieben:Ich bin mir nicht sicher, was du mit diesen beiden Sätzen zum Ausdruck bringen wolltest.
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closs
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Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von closs »

Andreas hat geschrieben:Theozentrisch wäre angebracht, wenn man zum Ausdruck bringen wollte, dass Gott im Mittelpunkt steht. Deswegen spricht man auch von Theologie. Was ist denn los mit euch?
Ich will aber erst mal gar nicht von "Gott" sprechen, sondern unabhängig von Glaubensfragen objektiv darstellen - und da gibt es eine Gegenüberstellung von "das, was ist" (was man später als "theozentrisch" besetzen kann) und von von menschlichen Wahrnehmung resp. Vorstellung ("das, was der Mensch für 'real' hält" - das wäre dann anthropo- (wahrscheinlich) morph - wobei hier wieder das Problem auftaucht, dass die allgemeine Wahrnehmung "morph" als "physisch gestaltähnlich" versteht ("Gott = Menschenopa mit weißem Bart" - so ist es hier natürlich nicht gemeint). - Deshalb habe ich anthropo-zentrisch gewählt, was aber auch nicht so richtig passt, weil man eine menschliche Auffassung, dass der Mensch NICHT das Maß ist, kaum "anthropozentrisch" nennen kann.

Bei übertragener Auslegung ist "anthropomorph" der bessere Begriff - nur dann versteht ihn wieder kaum einer, weil es physisch verstanden wird - und daher meine Ratlosigkeit.
Novalis hat geschrieben:Was hat das nun eigentlich mit Orwell zu tun?
Die These ist hier, dass das "1984-Neusprech" unserer Zeit Folge eines anthropo-morphen/zentrischen Weltbilds ist: "Aufklärung" ist, wenn der Mensch das Maß ist.
Sven hat geschrieben:Denn er wurde nicht müde, uns immer wieder vozurhalten, dass niemand Jesus verstanden hat, incl. seiner Jünger.
Es ist Allgemeingut in der kirchlichen Theologie, dass die Jünger bis zum Pfingsterlebnis wenig verstanden haben und danach nach und nach mehr. - Paulus hat dies irgendwo (Kolosser?) mit dem Begriff "alter Mensch" und "neuer Mensch" umschrieben.

Im Kontext: Auch für die Jünger ging es um das Verstehen, dass dass eigene Verstehen NICHT maßgeblich ist ("Dein Wille geschehe").
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Novas
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Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von Novas »

closs hat geschrieben: Die These ist hier, dass das "1984-Neusprech" unserer Zeit Folge eines anthropo-morphen/zentrischen Weltbilds ist: "Aufklärung" ist, wenn der Mensch das Maß ist
Vorallem ist das materialistische Weltbild ziemlich langweilig und phantasielos (ein “Flachland”) im Vergleich zu der Idee eines multidimensionalen Kosmos, wie es die religiösen Weltbilder vermitteln, die noch höhere Dimensionen kennen, die von “Engeln”, “Devas” und den “Göttern” bewohnt werden. Friedrich Hölderlin sagte es ganz passend: “An das Göttliche glauben / die allein, die es selber sind” die Frage nach dem Göttlichen ist keine Beweisfrage, wie manche meinen, sondern eine Bewusstseinsfrage. Sind die religiösen Weltbilder wirklich verrückter, als das Lied des wissenschaftlichen Materialismus, demzufolge die ganze Welt eine Geschichte ist “die ein Wahnsinniger erzählt, voller Schall und Rauch, die nicht das geringste bedeutet”? (Shakespeare, Hamlet)

Ist solch ein Verständnis wirklich “vernünftiger”, als die Idee einer göttlichen Schöpfung? Da bevorzuge ich eher die sinngebende Variante der großen Propheten, Mystiker und Weisen, welche um die Kraft wissen, die das ganze All zusammenhält.
Zuletzt geändert von Novas am Fr 28. Jul 2017, 22:59, insgesamt 1-mal geändert.
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closs
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Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von closs »

Novalis hat geschrieben: die Frage nach dem Göttlichen ist keine Beweisfrage, wie manche meinen, sondern eine Bewusstseinsfrage.
Ja - Goethe sagt irgendwo: "Wenn Ihr's nicht fühlt, Ihr werdet's nicht erjagen".

Oder wie Chr.M.Wieland in seinem "Demetrius" (ein wahrhaft aufgeklärter Roman aus dem jahr 1750), den ich Dir dringendst zur Lektüre empfehlen würde, ausführt (ich fasse grob zusammen):
Der aufgeklärte Demetrius kommt von seinen Weltreisen immer wieder mal nach Hause, wo er sich gerne mit seinen Kumpels in die Wirtschaft setzt und über seine Reisen spricht - dabei spricht er auch über das Thema "Geist", was zur Rückfrage eines Gegenübers (vom Typ intellektuelles Halbzeug) führt: "Du sprichst von Geist - beweise ihn". - Darauf sagt Demetrius (ziemlich wörtlich) einen Satz, der mich als 17Jährigen fast vom Stuhl gehauen hat und mich für ein Leben geprägt hat: "Geist ist nicht beweisbar - er erkennt sich gegenseitig".
Novalis hat geschrieben:Ist solch ein Verständnis wirklich “vernünftiger”, als die Idee einer göttlichen Schöpfung? Da bevorzuge ich eher die sinngebende Variante der großen Propheten, Mystiker und Weisen.
Das ist die Anknüpfungsfrage ans Thread-Thema "1984": Hat eine geistlose intellektuell-anthropozentrische Halbzeug-Weltanschauung das Recht, Sprache so in "Neusprech" zu verändern, dass wirklich geistige Fragen gar nicht mehr mit Sprache diskutiert werden können, weil die Begriffe dafür per semantischer Umdeutung geklaut wurden?
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fin
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Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von fin »

-- Closs erneut an der Rezeption --
fin hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Ich verstehe Deine Gedanken sehr wohl
Tatsächlich? Dann spare ich mir weitere Anläufe und bitte dich um eine entsprechende Artikulation meiner bisherigen Darlegungen und die Aufzeige jener Problematik, die ich hier zu erörtern suche. Denn es geht mir nicht um meine spezifische Artikulation, sondern um die Besprechung meines Anliegens, das natürlich verstanden worden sein muß, damit man gemeinsam um das Thema kreisen und es dialogisch besprechen kann.

Ich bin gespannt, denn ...
Spoiler: anzeigen
(*) Wer zu Gott will, kommt an der Rezeption nicht vorbei :D
Und was hat uns der liebe Closs abgeliefert?
closs hat geschrieben: Nach meinem Verständnis geht es Dir um folgendes:
fin hat geschrieben:gemäß meiner Darlegung darfst du 'Gott', so wie wir ihn bisher kennengelernt (siehe alle bisherigen Religionen) haben, nicht mit jenem Urgrund gleichsetzen, da besagte Größe, die wir Gott nennen, in Wahrheit ein Teil des Seienden ist, wenn auch die machtvollste Größe innerhalb der seienden Klasse. Der wahre Ursprung der gesamten Schöpfung, die wahre Quelle allen Seins dagegen, wurde nie wirklich wahrgenommen oder besprochen. Sie steht sozusagen über Gott! und bettet nicht nur uns, sondern eben auch alle göttlichen Größen.
Ich fasse es nicht! Ich bat dich um eine eigenständige Artikulation (meiner Darlegungen) und was folgte? Anstatt mein Anliegen so in Worte zu kleiden, daß es auch deinen Maßstäben genügt, hast du mich lediglich 1:1 zitiert, um dann tatsächlich wieder deine Leier anzukurbeln :shock:

Es ist wieder einmal so stur clossisch durchgedreht, daß es wieder lustig ist,
wobei die Krönung noch folgt ...
closs hat geschrieben:Ich bemühe mich wirklich, Dir gerecht zu werden.
Aber sage mir bitte, wo ich hier NICHT auf Deine Gedanken eingegangen bin.
Unfassbar :D

Trappatoni würde jetzt sagen: "Ich haben fertig!"
Zuletzt geändert von fin am Fr 28. Jul 2017, 23:25, insgesamt 2-mal geändert.
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Andreas
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Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von Andreas »

closs hat geschrieben:Bei übertragener Auslegung ist "anthropomorph" der bessere Begriff - nur dann versteht ihn wieder kaum einer, weil es physisch verstanden wird - und daher meine Ratlosigkeit.
closs hat geschrieben:Die Frage lautet jetzt: Welches Wort nimmt man dafür? - Mit dem menschlichen ("anthro ...") Ich zum Ergebnis kommen, dass das menschliche Ich NICHT der Mittelpunkt ist.
Ich fürchte, da bleibt vermutlich nur eine orwellsche Lösung: Wie wärs damit?

anthropocloss

Wenn man es groß schreibt, geht das zur Not sogar als Name des Begründers der fundamental-philosophischen Lehre des "Das, was ist" durch.
Anthropocloss
hört sich schon mal mehr als glaubwürdig an - Dieser Name hat was von einem alten griechischen Philosophen. Namen sind Schall und Rauch. Das ist alles nur eine Frage des richtigen Marketings. Ändere deinen Nicknamen, und du hast auf einen Schlag diesen Begriff 27995 mal hier stehen!

Leichte Vermittelbarkeit ist bei Neusprech völlig irrelevant, eigentlich überflüssig, wenn nicht sogar kontraproduktiv. Es geht ja nur scheinbar um Verständlichkeit. Wenn es wirklich verstanden würde, ginge ja das Wesentliche, die geheimnisvolle, charismatische Aufladung des Begriffes verloren. Es kommt lediglich auf die Power der Vertriebsmedien an. Das einzige, was wirklich zählt, ist der Impact. Wenn man allerdings noch kein "Ministerium für Wahrheit" oder etwas Vergleichbares in der Hinterhand hat, muss man es eben selbst oft genug wiederholen, dann sickert das Neusprech schon mit der Zeit ins Unterbewusstsein des 21. Jahrhunderts ein.
Zuletzt geändert von Andreas am Fr 28. Jul 2017, 23:24, insgesamt 2-mal geändert.
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fin
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Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von fin »

-- Anthropocloss --

Einfach genial ...

:idea: :D :idea:

Das er/schlägt selbst den sauersten Rollmops
Zuletzt geändert von fin am Fr 28. Jul 2017, 23:40, insgesamt 2-mal geändert.
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closs
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Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von closs »

fin hat geschrieben: Anstatt mein Anliegen so in Worte zu kleiden, daß sie auch deinen Maßstäben genügt, hast du mich lediglich 1:1 zitiert
Dein Anliegen hast Du so getextet, dass es sehr wohl meinen Maßstäben entspricht: Ich weiß also, was ICH darunter verstehe. - Aber ich habe noch nicht ermitteln können, was DU darunter verstehst. - Du hast Dich darauf spezialisiert, Fragen in den Raum zu stellen, ohne erkennbar zu machen, wohin Du damit willst.
Andreas hat geschrieben:Ich fürchte, da bleibt vermutlich nur eine orwellsche Lösung
Nee - eine geistig und intellektuell klare Lösung täte es für den Anfang auch.
Andreas hat geschrieben: Wenn man allerdings noch kein "Ministerium für Wahrheit" oder etwas Vergleichbares in der Hinterhand hat, muss man es eben selbst oft genug wiederholen, dann sickert das Neusprech schon mit der Zeit ins Unterbewusstsein des 21. Jahrhunderts ein.
Da ist was dran - entweder etwas wird beim ersten Mal begriffen oder nicht vor dem hundertsten Mal: Repetitio Mater Studiorum.
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Novas
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Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von Novas »

closs hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Ist solch ein Verständnis wirklich “vernünftiger”, als die Idee einer göttlichen Schöpfung? Da bevorzuge ich eher die sinngebende Variante der großen Propheten, Mystiker und Weisen.
Das ist die Anknüpfungsfrage ans Thread-Thema "1984": Hat eine geistlose intellektuell-anthropozentrische Halbzeug-Weltanschauung das Recht, Sprache so in "Neusprech" zu verändern, dass wirklich geistige Fragen gar nicht mehr mit Sprache diskutiert werden können, weil die Begriffe dafür per semantischer Umdeutung geklaut wurden?
Auch heute haben die Menschen ihre Götter, sie haben nur den Namen gewechselt: “Wissenschaft” und “Fortschritt”, heißen sie. Selten gab es so fromme Menschen, wie die Wissenschaftsgläubigen unsrer Zeit. Zweifellos findet Fortschritt statt, der sehr beeindruckend ist, insofern hat dieser Glaube eine gewisse Berechtigung, aber wohin geht die Reise eigentlich, mit welchem Ziel? Darüber hinaus stellt sich die Frage, was “Wissen” eigentlich ist. In der Bhagavad Gita (7.2) heißt es dazu: “Echtes Wissen (veda) umfasst materielles und spirituelles Wissen (jnana-vijnana)
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closs
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Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von closs »

Novalis hat geschrieben:“Echtes Wissen (veda) umfasst materielles und spirituelles Wissen (jnana-vijnana)”
Eigentlich eine Selbstverständlichkeit - aber jetzt sind wir mittendrin bei Orwell: Wenn man "Geist" als materialistisch-naturwissenschaftliche Größe definiert, usurpiert man das, was Du als "spirituell" zitierst durch das Gegenteil - damit deckt man das Wort "Geist" mit dem Gegenteil dessen ab, was "Geist" eigentlich ist.
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