Anton B. hat geschrieben:
Dann leg' doch los!
Gerne. Meine Definition habe ich schon anklingen lassen. Für mich ist nicht die Abspaltung als Merkmal ausschlaggebend, sonst wäre die evangelische Landeskirche eine Sekte. Und das ist zu kurz gegriffen. Für mich ist eine Glaubensgemeinschaft, nicht nur explizit die WTG, eine Sekte wenn verschiedene Merkmale vorgefunden werden. Auf wiki möchte ich verzichten.
Voilà:
Für mich sind die Zeugen Jehovas, trotz anderer Meinungen hier, eine Sekte. Die folgenden Merkmale, die eine Sekte ausmachen, habe ich bei Marcus Zeller
https://tredition.de/autoren/marcus-zel ... ack-79130/ und
https://www.sekten-sachsen.de/checkliste.htm entnommen. Da diese Merkmale für alle Sekten gelten, habe ich sie mit dem ausgeführt, was nach meinem Erleben, für die Zeugen Jehovas zutrifft. Die Summe der Merkmale macht die Sekte aus, nicht ein einzelnes dieser Merkmale.
Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Auch beruhen meine Angaben auf Lehren, Praktiken und Erfahrungen, die ICH in der Organisation so vermittelt bekommen und gelebt habe. Man kann sie gerne ergänzen oder auch in Frage stellen.
Die Lehre der Glaubensgemeinschaft nimmt für sich in Anspruch, der einzige Heilsweg zu sein. Alle anderen Religionen sind dem Untergang geweiht oder von Satan verführt.
Dieser Punkt ist rasch abgehandelt. Ja, das ist so. Die Zeugen Jehovas haben als Einzige „die Wahrheit“. Sie sind das auserwählte Volk Jehovas, das geistige Israel, das als einziges die Hoffnung auf ein Überleben des nahen Endes für sich in Anspruch nehmen darf. So wird es nach innen kommuniziert. Nach außen wird diese Einstellung natürlich relativiert und verneint.
Eine eschatologische Ausrichtung der Lehre.
Bedarf auch keines ausführlichen Kommentars. Die Zeugen Jehovas sind bekannt für ihre Berechnungen des Endes und können es bis heute nicht lassen, Zeiträume zu propagieren, die natürlich die nahe Zukunft betreffen. Lediglich das Festlegen auf ein bestimmtes Jahr wurde eingestellt.
Unterordnung der Mitglieder, was eigene Ansichten bzw. Meinungen den Glauben der Gruppe betreffenden angeht.
Auch das ist ganz einfach zu erkennen. Der normale Zeuge Jehovas muss die Lehren und Ansichten der Leitenden Körperschaft annehmen und vertreten. Auch dann, wenn er sie biblisch fundiert für falsch hält. Kritik, Diskussionen oder in Frage stellen der vorgegebenen Lehren, Gebote und Anweisungen ist strikt untersagt, solange man nicht ein Rechtskomitee und einen Ausschluss riskieren möchte.
Es gibt tiefgreifende Sanktionsmöglichkeiten der Glaubensgemeinschaft.
Auch hier, ja die gibt es, den Gemeinschaftsentzug mit anschließender Kontaktsperre. Schon das Grüßen eines Ausgeschlossenen ist untersagt. Und es wird behauptet, dass man nicht nur der Organisation den Rücken zukehrt, sondern auch Jehova und damit seine Hoffnung auf Rettung verliert. Kurz und gut, man verliert alles, wenn man Glück hat sich selbst nicht.
Es gibt einen Führer oder eine Führerschaft, die alleine dazu berechtigt ist, Lehren verbindlich zu erlassen.
Ja, es ist die schon mehrfach erwähnte leitende Körperschaft. Nur sie darf die Bibel auslegen, weil sie den dazu notwendigen Heiligen Geist hat, nur sie ist der Mitteilungskanal Gottes und sein Sprachrohr. Es gibt keine Möglichkeit die LK zu kritisieren oder ihre Lehren und Anweisungen in Frage zu stellen, ohne einen Ausschluss in Kauf zu nehmen. Würde die LK heute anweisen, dass Frauen aus biblischen Gründen ab sofort nur noch mit Dauerwellen in die Versammlung kommen sollen, dann würde das auch ganz genauso umgesetzt werden.
Es gibt einen eigenen Wortschatz, eine besondere Sprache in der Gemeinschaft.
Ja, den gibt es. Wer von euch weiß z.B., was es bedeutet „in der Wahrheit zu sein“, das „Ende des Systems der Dinge“, „Dienstamtgehilfe“? Wen es eingehender interessiert:
https://www.oliverwolschke.de/trennung- ... e-sprache/
Zweifel ist immer die Folge einer persönliche Schwäche.
Ja, und am besten äußert man diese Zweifel, sofern sie die LK betreffen, auch nicht, sonst s.o.. Es gibt keinen Grund zu zweifeln, denn die Lehre und alles was damit verbunden ist, ist unantastbar. Viel Beten, vermehrt in den Predigtdienst gehen und auf alle Fälle ALLE Versammlungen besuchen, sind ein Allheilmittel und können angeblich auch hier helfen.
Der Kontakt zur Außenwelt ist nur im Rahmen der absoluten Notwendigkeit zu halten.
Auch das stimmt. Eine Ausnahme stellt dafür z.B. der Predigtdienst dar. Im Rahmen desselben darf man natürlich Kontakt zu „Weltmenschen“ haben. Bei der Arbeit natürlich auch, aber nur so wenig wie irgend möglich. Außer es besteht die Chance auf ein Heimbibelstudium. Das Feierabendbierchen gibt es also nicht. Einen Freundeskreis außerhalb der Zeugen Jehovas, unabhängig von einem gemeinsamen Interesse an „der Wahrheit“, gehört ebenfalls zu den absolut unerwünschten Kontakten.
Es gibt deutliche Feindbilder, von denen man sich isolieren muss.
Das trifft auf Ausgeschlossene und Aussteiger zu, auch wenn sie derselben Familie angehören und unter einem Dach leben. Weiter oben habe ich schon etwas zum Gemeinschaftsentzug geschrieben.
Kritiker von außen haben immer Unrecht.
Das betrifft Ehemalige, gilt aber auch für alle Autoren, Sektenberater, Psychotherapeuten usw., die etwas gegen die Organisation der Zeugen Jehovas hervor bringen. Sie lügen in den Augen der Zeugen Jehovas und ziehen die Gemeinschaft absichtlich in den Schmutz. Auf der anderen Seite fühlt man sich bestätigt darin, die Wahrheit zu haben, wenn man „angegriffen“ und „verfolgt“ wird. Zeugen Jehovas dürfen, außer im Geheimen natürlich, keine Literatur, Internetseiten... von Kritikern oder Abtrünnigen lesen. Es gab eine Zeit, in der die heimische Wohnzimmerschrankwand nach dem Buch „der Gewissenskonflikt“ von Raymond Franz, einem ehemaligen Zeugen Jehovas und Mitglied der LK, von Ältesten beäugt wurde um es zu vernichten und eventuell nötige „Erziehungsmaßnahmen“ gegen den Besitzer einzuleiten.
Was ich beschrieben habe betrifft die Mehrheit der Zeugen Jehovas, die alles daran setzen, sich an die eingeforderten Vorgaben zu halten. Ihre Rettung hängt schließlich davon ab (angeblich).
Es gibt jedoch auch erfreuliche Ausnahmen bei Zeugen Jehovas, die mehr ihrem christlichen Gewissen folgen, als der sakrosankten, leitenden Körperschaft. Und ja, es gibt glückliche Zeugen Jehovas, die frei von Zweifeln sind und in der Gemeinschaft mit ihren charakteristischen Merkmalen aufgehen. Und ich bin überzeugt davon, dass es auch wahre Christen unter ihnen gibt.